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Volk der Dichter und Denker, der Klassischen Musiker:
CAUSA: WIR DEUTSCHEN ALS DAS VOLK DER DICHTER UND DENKER >UND< GRÖSSTEN KLASSISCHEN MUSIKER/KOMPONISTEN, HIER KONKRET UND PRIMÄR – UNSER UNSTERBLICHER FRIEDRICH NIETZSCHE ALS DICHTER, BEISPIELSMASSIG ETWA MIT:
Friedrich Nietzsche:
ECCE HOMO
Ja, ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse:
Flamme bin ich sicherlich!
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VEREINSAMT
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. -
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! Wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! –
Versteck, du Narr
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!
= = = = = =
DAS TRUNKENE LIED
O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
>>Ich schlief, ich schlief - ,
Aus diesem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
Will tiefe, tiefe Ewigkeit!<<
= = = = = =
Etc.pp...
..........
..........
FRIEDRICH NIETZSCHE DER GROSSE, für mich das Zentralste vom Zentralen seiner unsterblichen Stiftungen und Kündungen, mindestens 200 Jahre vorausgedacht:
I. „Nr. 26 – Der Pessimismus der Tatkräftigen: das >>Wozu?<< nach einem furchtbaren Ringen, selbst Siegen. Daß irgend etwas hundertmal wichtiger ist, als die Frage, ob wir uns wohl oder schlecht befinden: Grundinstinkt aller starken Naturen – und folglich auch, ob sich die anderen gut oder schlecht befinden. Kurz, daß wir ein Ziel haben, um dessentwillen man nicht zögert, ... jede Gefahr zu laufen, jedes Schlimme und Schlimmste auf sich zu nehmen: die große Leidenschaft.“
II. „Nr. 54 ........ Problem: Wie kamen die Erschöpften dazu, die Gesetze der Werte zu machen? – Anders gefragt: wie kamen die zur Macht, die die Letzten sind? ... Wie kommt der Instinkt des Tieres Mensch auf den Kopf zu stehn? ...“
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ZUDEM, BY THE WAY, WEIL MAN ES NICHT OFT GENUG WIEDERHOLEN KANN: MEIN ABSOLUTER LIEBLINGSDICHTER IST FRIEDRICH HÖLDERLIN:
AN DIE PARZEN
Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättigt, dann mir sterbe!
Der Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilige, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen:
Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinabgeleitet; einmal
Lebt ich wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
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FRIEDRICH HÖLDERLIN IN >HYPERION ODER DER EREMIT IN GRIECHENLAND< (I. BAND), EINES SEINER GROSSARTIGEN WERKE:
„Ein Volk, wo Geist und Größe keinen Geist und keine Größe mehr erzeugt, hat nichts mehr gemein mit anderen, die noch Menschen sind, hat keine Rechte mehr, und es ist ein leeres Possenspiel, ein Aberglauben, wenn man solche willenlose Leichname noch ehren will, als wär ein Römerherz in ihnen.“ [...]
„Du räumst dem Staate denn doch zuviel Gewalt ein. Er darf nicht fordern, was er nicht erzwingen kann. Was aber die Liebe gibt und der Geist, das läßt sich nicht erzwingen.“
„Große Taten, wenn sie nicht ein edel Volk vernimmt, sind mehr nicht als ein gewaltiger Schlag vor eine dumpfe Stirne, und hohe Worte, wenn sie nicht in hohen Herzen wieder tönen, sind, wie ein sterbend Blatt, das in den Kot herunterrauscht.“
(AUS DEN BRIEFEN HÖLDERLINS:) „ICH GLAUBE AN EINE KÜNFTIGE REVOLUTION DER GESINNUNGEN UND VORSTELLUNGSARTEN, DIE ALLES BISHERIGE SCHAMROT MACHEN WIRD.“
===
Weitere Beispiele (ein Splitter daraus) aus Hölderlins u. a. göttlicher Dichtkunst:
HYPERIONS SCHICKSALSLIED
Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidender Knospe
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahrelang ins Ungewisse hinab.
===
„Was bleibet aber, stiften die Dichter.“
„Ich hasse sie, wie den Tod, alle die armseligen Mitteldinge von Etwas und Nichts. Meine ganze Seele sträubt sich gegen das Wesenlose. Was mir nicht Alles, und ewig Alles ist, ist mir Nichts.“
„Wir sind nichts; was wir suchen, ist alles.“
„Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.“
„Die Linien des Lebens sind verschieden,
Wie Wege sind und wie der Berge Grenzen.
Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen.“
= = =
"Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ichs, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen - ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut im Sande zerrinnt?"
===
ABBITTE
Heilig Wesen! Gestört hab ich die goldene
Götterruhe dir oft, und der geheimeren,
Tiefern Schmerzen des Lebens
Hast du manche gelernt von mir.
O vergiß es, vergib! Gleich dem Gewölke dort
Vor dem friedlichen Mond, geh ich dahin, und du
Ruhst und glänzest in deiner
Schöne wieder, du süßes Licht!
MENSCHENBEIFALL
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? warum achtet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortreicher und leerer war?
Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.
SONNENUNTERGANG
Wo bist du? Trunken dämmert die Seele mir
Vor aller deiner Wonne; denn eben ist´s,
Daß ich gelauscht, wie, goldner Töne
Voll, der entzückende Sonnenjüngling
Sein Abendlied auf himmlischer Leier spielt´:
Es tönten rings die Wälder und Hügel nach.
Doch fern ist er zu frommen Völkern,
Die ihn noch ehren, hinweggegangen.
AN DIE DEUTSCHEN
Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn
Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt,
Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
Tatenarm und gedankenvoll.
Oder kommt, wie der Strahl aus dem Gewölke kommt,
Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
O ihr Lieben, so nehmt mich,
Daß ich büße die Lästerung.
DIE HEIMAT
Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom
Von fernen Inseln, wo er geerntet hat;
Wohl möchte auch ich zur Heimat wieder;
Aber was hab ich, wie Leid, geerntet? –
Ihr holden Ufer, die ihr mich auferzogt,
Stillt ihr der Liebe Leiden? ach! gebt ihr mir,
Ihr Wälder meiner Kindheit, wann ich
Komme, die Ruhe noch Einmal wieder?
LEBENSLAUF
GRÖSSERES WOLLTEST AUCH DU, ABER DIE LIEBE ZWINGT
ALL UNS NIEDER, DAS LEID BEUGET GEWALTIGER,
DOCH ES KEHRET UMSONST NICHT
UNSER BOGEN, WOHER ER KOMMT.
AUFWÄRTS ODER HINAB! HERRSCHET IN HEIL´GER NACHT,
WO DIE STUMME NATUR WERDENDE TAGE SINNT,
HERRSCHT IM SCHIEFESTEN ORKUS
NICHT EIN GRADES, EIN RECHT NOCH AUCH?
DIES ERFUHR ICH. DENN NIE, STERBLICHEN MEISTERN GLEICH,
HABT IHR HIMMLISCHEN, IHR ALLESERHALTENDEN,
DASS ICH WÜSSTE, MIT VORSICHT
MICH DES EBENEN PFADES GEFÜHRT.
ALLES PRÜFE DER MENSCH, SAGEN DIE HIMMLISCHEN,
DASS ER, KRÄFTIG GENÄHRT, DANKEN FÜR ALLES LERN´,
UND VERSTEHE DIE FREIHEIT,
AUFZUBRECHEN, WOHIN ER WILL.
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PS
Und vielfach war ich schon in Tübingen im Hölderlinturm. Danach war und bleibt ein Gang zum Friedhof an sein Grab und die Niederlegung eines Blumenstraußes obligatorisch für mich.
Zur ersten Annäherung an unseren für mich, m. E., größten deutschen Dichter, der uns Großes und Größeres KÜNDETE UND STIFTETE („Was bleibt aber stiften die Dichter!“ F. H. ), empfehle ich folgendes TB:
Ulrich Häussermann: Hölderlin (mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten), rowohlts monographien; veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, März 1961 (hier Oktober 1989; rm Nr. 53), 184 Seiten; (1080-)ISBN: 3 499 50053 1
(Aber man sollte glech für rund 100 Euro sein Gesamtwerk erstehen!!! Ebenso in der Causa Friedrich Nietzsche!!!))
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EIN WEITERER KLEINER AUSZUG (SPLITTER) AUS DER UNSTERBLICHEN DEUTSCHEN DICHTKUNST:
RAINER MARIA RILKE (1875 – 1926):
DER PANTHER
Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
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JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749 – 1832):
„Feiger Gedanken
bängliches Schwanken,
weibisches Zagen
ängstliches Klagen
wendet kein Elend,
macht dich nicht frei.“
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FRIEDRICH HEBBEL
HERBSTBILD
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
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JOHANN GAUDENZ VON SALIS-SEEWIS
HERBSTLIED
Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.
Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche mit Streifen
Rot und weiß bemalt.
Sieh! Wie hier die Dirne
Emsig Pflaum´ und Birne
In ihr Körbchen legt!
Dort, mit leichten Schritten,
Jene goldne Quitten
In den Landhof trägt!
Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen,
Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh!
Geige tönt und Flöte
Bei der Abendröte
Und im Mondenglanz;
Junge Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz.
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FRIEDRICH RÜCKERT
2
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends zerstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
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BERTOLT BRECHT (1898-1956):
„AUS DEN >>SVENDBORGER GEDICHTEN<<
Bei den Hochgestellten
Gilt das Reden vom Essen als niedrig.
Das kommt: sie haben
Schon gegessen.
Die Niedrigen müssen von der Erde gehen
Ohne vom guten Fleisch
Etwas gegessen zu haben.
Nachzudenken, woher sie kommen und
Wohin sie gehen, sind sie
An den schönen Abenden
Zu erschöpft.
Die Gebirge und das große Meer
Haben sie noch nicht gesehen
Wenn ihre Zeit schon um ist.
Wenn die Niedrigen nicht
An das Niedrige denken
Kommen sie nicht hoch.“
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GOTTFRIED BENN (1886 – 1956):
EIN WORT
Ein Wort, ein Satz - : Aus Chiffren steigen
Erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles hallt sich zu ihm hin.
Ein Wort – ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Seitenstrich –
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.
= = = = = =
JOSEPH VON EICHENDORFF (1788 – 1857):
WÜNSCHELRUTE
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
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ANNETTE VON DROSTE HÜLSHOFF (1797 –1848):
DER KNABE IM MOOR
(1. Strophe)
O schaurig ist´s übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt! -
O schaurig ist´s übers Moor zu gehen,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
....
....
= = = = = =
ANNETTE VON DROSTE HÜLSHOFF (1797 –1848):
LETZTE WORTE
Geliebte, wenn mein Geist geschieden,
So weint mir keine Träne nach;
Denn, wo ich weile, dort ist Frieden,
Dort leuchtet mir ein ew´ger Tag!
Wo aller Erdengram verschwunden,
Soll euer Bild mir nicht vergehn,
Und Linderung für eure Wunden,
Für euern Schmerz will ich erflehn.
Weht nächtlich seine Seraphsflügel
Der Friede übers Weltenreich,
So denkt nicht mehr an meinen Hügel,
Denn von den Sternen grüß ich euch!
= = = = = =
MARIE-LUISE KASCHNITZ:
DIE EWIGKEIT
Sie sagen, daß wir uns im Tode nicht vermissen
Und nicht begehren. Daß wir, hingegeben
Der Ewigkeit, mit anderen Sinnen leben
Und also nicht mehr voneinander wissen.
Und Lust und Angst und Sehnsucht nicht verstehen,
Die zwischen uns ein Leben lang gebrannt,
Und so wie Fremde uns vorübergehen,
Gleichgültig Aug dem Auge, Hand der Hand.
Wie rührt mich schon das kleine Licht der Sphären,
Das wir ermessen können, eisig an,
Und treibt mich dir ans Herz in wilder Klage.
O halt uns Welt im süßen Licht der Tage,
Und laß solang ein Leben währen kann
Die Liebe währen.
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HILDE DOMIN:
>SEIDS GEWESEN , SEIDS GEWESEN!<
Die letzte Erde
der Erde letzter Tag
die letzte Landschaft
die eines letzten Menschen Auge sieht
unerinnert
nicht weitergegeben
an nicht mehr Kommende
dieser Tag
ohne Namen ihn zu rufen
ohne Rufende
nicht grüner
nicht weißer
nicht blauer
als die Tage die wir sehn
oder schwarz
oder feuerfarben
er wird einen Abend haben
oder er wir keinen Abend haben
seine Helle sein Dunkel
unvergleichbar.
Die Sonne die leuchtet falls sie leuchtet
unbegrüßt
nach diesem Tag
wird es sich unter ihr öffnen?
Werden wir
als Staunende
wieder herausgegeben
unter einem währenden Licht?
Zünder der letzten Lunte
Maden der Ewigkeit?
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JOHANN WOLFGANG VON GOETHE (1749 – 1832):
PROMETHEUS
Bedecke deinen Himmel Zeus,
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte,
Die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch Götter.
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus, wo ein,
Kehrte mein verirrtes Aug
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr, zu hören, meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir wider
Der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du´s nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest, jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden dadroben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herrn und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehn,
Weil nicht alle Knabenmorgen-
Blütenträume reiften?
Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, weinen,
Genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich.
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HEIDENRÖSLEIN
Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah´s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will´s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
´s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Mußt es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
= = = = = =
EIN GLEICHES
Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürst du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
Ruhest du auch.
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BEHERZIGUNG
Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?
Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines schickt sich nicht für alle.
Sehe jeder, wie er´s treibe,
Siehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle!
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SELIGE SEHNSUCHT
Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend´ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.
In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.
Nicht mehr bleibst du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.
Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt des Lichts begierig,
Bist du, Schmetterling, verbrannt.
Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
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MATTHIAS CLAUDIUS (1740 – 1815)
DER MENSCH
EMPFANGEN UND GENÄHRET
VOM WEIBE WUNDERBAR,
KÖMMT ER UND SIEHT UND HÖRET
UND NIMMT DES TRUGS NICHT WAHR;
GELÜSTET UND BEGEHRET
UND BRINGT SEIN TRÄNLEIN DAR;
VERACHTET UND VEREHRET,
HAT FREUDE UND GEFAHR;
GLAUBT, ZWEIFELT, WÄHNT UND LEHRET,
HÄLT NICHTS UND ALLES WAHR;
ERBAUET UND ZERSTÖRET
UND QUÄLT SICH IMMERDAR;
SCHLÄFT, WACHET, WÄCHST UND ZEHRET;
TRÄGT BRAUN UND GRAUES HAAR.
UND ALLES DIESES WÄHRET,
WENN´S HOCH KOMMT, ACHTZIG JAHR
DANN LEGT ER SICH ZU SEINEN VÄTERN NIEDER,
UND ER KÖMMT NIMMER WIEDER.
= = = = = =
DIE LIEBE
Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel,
Und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.
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DER TOD
Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer,
Tönt so traurig, wenn es sich bewegt
Und nun aufhebt, seinen schweren Hammer
Und die Stunde schlägt.
= = = = = =
DER SÄEMANN SÄET DEN SAMEN
Der Säemann säet den Samen,
Die Erd empfängt ihn, und über ein kleines
Keimet die Blume herauf –
Du liebtest sie. Was auch dies Leben
Sonst für Gewinn hat, war klein dir geachtet,
Und sie entschlummerte dir!
Was weinest du neben dem Grabe,
Und hebst die Hände zur Wolke des Todes
Und der Verwesung empor?
Wie Gras auf dem Felde sind Menschen
Dahin, wie Blätter! Nur wenige Tage
Gehn wir verkleidet einher!
Der Adler besuchet die Erde,
Doch säumt nicht, schüttelt vom Flügel den Staub und
Kehret zur Sonne zurück!
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JOSEPH VON EICHENDORF:
Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.
= = = = = =
DER ABEND
Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie in Träumen
Wunderbar mit allen Bäumen,
Was dem Herzen kaum bewußt,
Alte Zeiten, linde Trauer,
Und es schweifen leise Schauer
Wetterleuchtend durch die Brust.
= = = = = =
LUDWIG UHLAND
HEIMKEHR
O brich nicht, Steg, du zitterst sehr!
O stürz nicht, Fels, du dräuest schwer!
Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein,
Eh ich mag bei der Liebsten sein!
= = = = = =
DER GUTE KAMERAD
Ich hatt einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit,
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.
Eine Kugel kam geflogen,
Gilt´s mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär´s ein Stück von mir.
Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad:
>>Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ew´gen Leben
Mein guter Kamerad!<<
= = = = = =
FRIEDRICH RÜCKERT
HERBSTLIEDER
2
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen seinen Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet,
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AUGUST HEINRICH HOFFMANN VON FALLERSLEBEN (1798 – 1874)
DAS LIED DER DEUTSCHEN
DEUTSCHLAND, DEUTSCHLAND ÜBER ALLES,
ÜBER ALLES IN DER WELT,
WENN ES STETS ZU SCHUTZ UND TRUTZE
BRÜDERLICH ZUSAMMENHÄLT;
VON DER MAAS BIS AN DIE MEMEL,
VON DER ETSCH BIS AN DEN BELT:
DEUTSCHLAND, DEUTCHLAND ÜBER ALLES,
ÜBER ALLES IN DER WELT!
DEUTSCHE FRAUEN, DEUTSCHE TREUE,
DEUTSCHER WEIN UND DEUTSCHER SANG
SOLLEN IN DER WELT BEHALTEN
IHREN ALTEN, SCHÖNEN KLANG,
UNS ZUR EDLEN TAT BEGEISTERN
UNSER GANZES LEBEN LANG:
DEUTSCHE FRAUEN, DEUTSCHE TREUE,
DEUTSCHER WEIN UND DEUTSCHER SANG!
EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT
FÜR DAS DEUTSCHE VATERLAND!
DANACH LASST UNS ALLE STREBEN
BRÜDERLICH MIT HERZ UND HAND!
EINIGKEIT UND RECHT UND FREIHEIT
SIND DES GLÜCKES UNTERPFAND:
BLÜH IM GLANZE DIESES GLÜCKES,
BLÜHE, DEUTSCHES VATERLAND!