Beitrag 39 von 784 (5%) | Antworten Beitrag schreiben | Anfang zurück weiter Ende |
|
Von deutscher Schande
Von Helmut Müller
Wie kommt es nur, daß so viele, die reines Wasser und gute Luft zu schätzen wissen, so gar keinen Wert auf die Reinigkeit (Leibniz) ihrer Muttersprache legen? Das sind doch nicht alles Hirnlose? Dennoch, was da und dort offensichtlich Halbgebildete von sich geben, hätten die Dichter und Denker von einst wohl mit Hohn und Spott bedacht. Gewiß haben der seit 1945 erfolgte Vormarsch der inzwischen im Abstieg befindlichen westlichen Leitkultur „Made in USA“ und die technischen, wirtschaftlichen und vor allem auch politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte die deutsche Sprachmisere entscheidend beeinflußt. Richtig ermöglicht hat den ganzen Sprachunfug aber erst neudeutsche Unterwürfigkeit sowie staats- und kulturpolitischer Unverstand. Regiert doch der Verstand eher da, wo der Sprache eines Volkes höchste Ausbildung und Wertschätzung zukommt. Zusatz: Und bei einem in sich gefestigten Volk funktioniert als Notbremse noch der Instinkt! Heute aber scheint wider jede Vernunft das einst nationale Gebot „Ehre deine Muttersprache!“ vom politisch korrekten Diktat „Deutsch verrecke!“ verdrängt worden zu sein.
Seit Jahrzehnten bricht ja wie eine Wasserflut eben auch im sprachlichen Bereich Fremdes, vielfach Unnötiges und eher Störendes, über uns herein. Die meist auch noch mißverständlich oder unpassend verwendeten Anglizismen und das regierende Sprach-Mischmasch sind allerdings mehr als nur ein Ärgernis. Denn mit vernichtender Konsequenz wird die Muttersprache, eines der heiligsten Güter der deutschen Nation, erniedrigt, der Verlotterung preisgegeben und mit ebenso großer Beharrlichkeit das von Angloamerikanischem geprägte Neusprech gefördert. Von gewissenlosen Journalisten und Politikern ebenso wie von überheblichen Managern und tolldreisten Werbern.
Nun soll nicht in Abrede gestellt werden, daß im Laufe der Zeit nicht das eine oder andere Fremdwort nützlich oder unentbehrlich geworden sei, aber die derzeit wahrnehmbare Verhunzung der deutschen Sprache grenzt schon an ein Kulturverbrechen. Ein Vergleich mit ähnlichen Entwicklungen zu früheren Zeiten, wie er von vermeintlich Gebildeten auch bei anderen Problemstellungen (z.B. Einwanderung) gerne angeführt wird, wäre erst dann zielführend, wenn der heutige Sprach-Bankrott nicht planmäßig betrieben würde und entsprechend ernste Absichten von der Mehrheit einer zum Teil selbsternannten geistigen Elite und der politischen Führung zur Beendigung dieser zugleich beschämenden als auch gefährlichen Entwicklung erkennbar wären.
Ohne Zweifel ist die Muttersprache auch ein Spiegelbild der Gesamtverfassung einer Nation, somit auch der kulturellen wie nationalen Identität, deren wesentliches Merkmal eben eine Sprache wie die deutsche ist. Daß jetzt die deutsche Kulturnation auf ureigenstem Sprachgebiet (aber nicht nur da!) gefährdet ist, ist kein neues Phänomen. Neu aber ist das Ausmaß und die grenzenlose Gleichgültigkeit und Dummheit mit der dieser Niedergang der Sprache Goethes und Schillers großteils immer noch hingenommen zu werden scheint.
Ist denn die deutsche Sprache nicht mindestens so wertvoll wie ein von unzähligen Blüten übersäter von Amts wegen aber geschützter Prachtgarten, und wohl auch zu schön um zertrampelt zu werden? Würden doch die politisch Verantwortlichen die aktuelle Sprachzerstörung endlich als Schändung eines unersetzbaren geistigen und kulturellen Schatzes anerkennen und entsprechend ahnden. Auf „highlights“ und „kids“ Steuern einheben, Förderungen streichen und gutes Deutsch belohnen, wäre ein vorbildlicher nationaler Befreiungsschlag. Oder müssen die Deutschen in den deutschsprachigen Ländern zur Schande ihrer Volksvertreter sich der Hoffnung hingeben, die UNESCO werde den Schutz ihrer Muttersprache einmal übernehmen?
Wenn nun in diesen Tagen viel mehr von Finanz- und Wirtschaftskrise, von Arbeitslosigkeit und Teuerung als von Sprachverlust die Rede ist, vergessen wir dabei nicht, daß die eher materiellen Probleme irgendwann, wenn auch unter großen Opfern, doch zu bewältigen sein werden. Der Niedergang einer Sprache aber, die das Prädikat Weltkulturerbe verdiente, kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr rückgängig gemacht werden und Schimpf und Schande wären der Lohn der Geschichte.