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Fortsetzung, Teil II:
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Sie wurden in den Kriegsabsichten dieser Länder sowie in den Friedensdiktaten von 1919 noch deutlicher und seitdem durch zahlreiche Veröffentlichungen weiter belegt.
Vorgeschichte der Einkreisung
1870/71 besiegten der Norddeutsche Bund und die süddeutschen Staaten Frankreich in einem Krieg, den Kaiser Napoleon III. Preußen unter einem Vorwand, jedoch mit der Absicht erklärt hatte, nach einem Sieg das französische Staatsgebiet auf Kosten deutscher Territorien weiter auszudehnen. Napoleons Vorgehen war mit der Erwartung verbunden, die süddeutschen Staaten würden in diesem Konflikt neutral bleiben und Österreich, das 1866 von Preußen geschlagen und aus dem Deutschen Bund ausgeschlossen worden war, werde Frankreich militärisch unterstützen. Dazu kam es jedoch nicht. Kaiser Franz Joseph blieb neutral, während sich alle nord- und süddeutschen Länder am Krieg gegen Frankreich beteiligten und am 18.Januar 1871 im von deutschen Truppen besetzten Versailles zum Deutschen Reich zusammenschlossen, an dessen Spitze der König von Preußen als Deutscher Kaiser trat.
Frankreich war bis zum Ende der Herrschaft Napoleons I. die wahrscheinlich einflußreichste Großmacht Europas gewesen, hatte jedoch nach seiner Niederlage gegen Rußland, Preußen und Österreich 1812/13 erheblich an Gewicht verloren, was maßgebende französische Kreise nicht hinnehmen wollten. Dieser Einfluß nahm nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 noch weiter ab. Jedoch wollten sich die meisten Franzosen auch mit den Folgen dieses verlorenen Krieges nicht abfinden und strebten die Rückgewinnung des 1871 zu Deutschland zurückgekehrten Elsaß-Lothringen an, obwohl Frankreich diese deutschbesiedelten Länder gewaltsam erobert und annektiert hatte. Solche Absichten waren aber ohne Krieg nicht zu verwirklichen, und dementsprechend forderten zahlreiche Franzosen nach 1871 eine "Revanche", die jedoch ohne starke Verbündete kaum zu verwirklichen war. Als äußeres Zeichen ihres Anspruchs ließen die Franzosen in ihrer Nationalversammlung Sitze frei, die einmal von Abgeordneten eines wieder französisch gewordenen Elsaß-Lothringen eingenommen werden sollten. Bis 1892 blieben die Franzosen jedoch ohne Alliierte und konnten deshalb einen Krieg gegen Deutschland kaum mit Aussicht auf Erfolg beginnen.
In Österreich-Ungarn hatten der Reichskanzler von Beust und der Kriegsminister von Kuhn 1870 für die Teilnahme am Krieg gegen den Norddeutschen Bund an der Seite Frankreichs plädiert. Sie erwarteten in diesem Konflikt die Neutralität Süddeutschlands und betrachteten sie als Voraussetzung für einen Sieg Napoleons III. über Preußen und seine Verbündeten. Als es dazu nicht kam, hielt Österreich-Ungarn sich von der Auseinandersetzung fern und danach kam es zu einer immer engeren Verbindung zwischen Berlin und Wien. 1873 schlossen Rußland und Österreich-Ungarn ein Abkommen zur Bewahrung des Friedens in Europa, dem Deutschland am 22.Oktober 1873 beitrat und das danach als Drei-Kaiser-Abkommen bezeichnet wurde. Sechs Jahre später vereinbarten Deutschland und Österreich-Ungarn im Zweibund-Vertrag ein gemeinsames militärisches Vorgehen, falls "eines der beiden Reiche von Seiten Rußlands angegriffen werden sollte". Dieses Übereinkommen hat bis zum Ersten Weltkrieg die Politik beider Länder bestimmt.
Anders entwickelten sich die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, und daran waren vor allem die gegensätzlichen Interessen beider Staaten auf dem Balkan schuld.
Rußland wollte den Ausgang des Schwarzen Meeres, also den Bosporus und die Dardanellen kontrollieren und dieses Ziel über die Beherrschung des größtenteils noch unter türkischer Verwaltung stehenden Balkans erreichen. Schon im Frühjahre 1853 hatte der Zar die zum Osmanischen Reich gehörenden Donaufürstentümer besetzen lassen, um dadurch vom Sultan das Protektorat über die griechisch-orthodoxen Christen auf dem Balkan zu erpressen. Die Folge war ein Krieg, den die von Frankreich und England unterstützte Türkei gewann. Rußland räumte die Donaufürstentümer, die anschließend von österreichischen Truppen besetzt wurden. Im Friedensschluß von 1856 erhielt das Fürstentum Moldau, das der Souveränität des Sultans unterstand, die von Rußland beanspruchten Donaumündungen sowie Teile Bessarabiens. In einem weiteren Krieg 1877/78 konnte Rußland zwar die Türkei besiegen, auf dem Berliner Kongreß von 1878 aber wieder nur einen Teil seiner Forderungen durchsetzen. Es erhielt im wesentlichen nur Bessarabien, während Bulgarien, Ostrumelien und Mazedonien unter türkischer Verwaltung blieben. Rumänien, Montenegro und Serbien wurden unabhängig, Österreich-Ungarn konnte die zum türkischen Staatsgebiet gehörenden Provinzen Bosnien und Herzegowina besetzen. Unabhängig von seinem Bestreben, die Ausgänge des Schwarzen Meeres zu kontrollieren, fühlte sich Rußland als selbsternannter Protektor der slawisch sprechenden Völker und orthodoxen Christen nicht nur zu Forderungen an die Türkei, sondern auch an Österreich-Ungarn berechtigt. Da die k.u.k. Monarchie dies nicht nur als eine Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten betrachtete und somit zurückwies, sondern durch die Okkupation - und spätere Annexion - Bosniens und der Herzegowina auch zu erkennen gab, daß sie ihren Einflußbereich auf dem Balkan ebenso wie Rußland ausdehnen wollte, traten die Interessengegensätze zwischen Wien und St. Petersburg klar hervor.
Trotzdem gab es in den 80-er Jahren noch vertragliche Vereinbarungen, die einen Krieg wegen der Balkan-Frage unwahrscheinlich machten. Zar Alexander II. hatte erkennen müssen, daß der 1879 zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn geschlossene Zweibund seinen Handlungsspielraum begrenzte und es deshalb zweckmäßig sei, sich mit beiden Mächten zu verständigen. Er stimmte deshalb einem Neutralitätsabkommen Rußlands mit Deutschland und Österreich-Ungarn zu, das am 18. Juni 1881 unterzeichnet und danach als Drei-Kaiser-Bund bezeichnet wurde. Vereinbart wurde dadurch, daß, falls einer der drei Staaten in einen Krieg mit einer der dem Bündnis nicht angehörenden Macht verwickelt werden sollte, die beiden anderen Vertragspartner ihr gegenüber eine wohlwollende Neutralität einzunehmen hatten. Damit wurde gesagt, daß Deutschland und Österreich England in einem Krieg gegen Rußland nicht unterstützen würden, umgekehrt Rußland und Österreich-Ungarn Deutschland in einem Krieg gegen Frankreich wohlwollende Neutralität zu gewähren hatten. Das schloß gleichzeitig ein russisch-französisches Bündnis aus. In einem Zusatzprotokoll heißt es: "Österreich-Ungarn behält es sich vor, die türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina, die nur okkupiert worden sind, sich in einem Augenblick einzuverleiben, den es für günstig halten wird."
Das Abkommen war bis 1887 gültig und wurde dann vom Zaren nicht verlängert, der vor allem Österreich für Rückschläge seiner Politik gegenüber Bulgarien verantwortlich machte. Er war lediglich zu einem "Rückversicherungsvertrag" mit Deutschland bereit, der ihn bei einem Krieg zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich zur Neutralität jedoch nur unter der Voraussetzung verpflichtete, daß Deutschland angegriffen wurde. Aus deutscher Sicht sollte das Abkommen vor allem ein russsisch-französisches Zusammenwirken gegen das Deutsche Reich verhindern. Umgekehrt erkannte Berlin das Interesse Rußlands auf Bulgarien und Ostrumelien an. Eine wichtige Konzession erhielt ein "ganz geheimes Zusatzprotokoll": "In dem Fall, daß S.M. der Kaiser von Rußland sich in die Notwendigkeit versetzt sehen sollte, zur Wahrung der Rechte Rußlands selbst die Aufgabe der Verteidigung des Zuganges zum Schwarzen Meere zu übernehmen, verpflichtet sich Deutschland, seine wohlwollende Neutralität zu gewähren und die Maßnahmen, die S.M. für notwendig halten sollte, um den Schlüssel seines Reiches in der Hand zu behalten, moralisch und diplomatisch zu unterstützen." Der Vertrag sollte für drei Jahre gelten und geheim bleiben.
Gleichzeitig förderte Bismarck aber den Abschluß eines "Orientdreibundes" zwischen Großbritannien, Österreich-Ungarn und Italien, der die Türkei vor einem russischen Angriff schützen sollte. Er wurde am 12.12.1887 abgeschlossen und stellte den Status quo auf dem Balkan unter die Obhut der Dreibundmächte, also auch Deutschlands. Zwischen dem Rückversicherungsvertrag, der Deutschlands Neutralität bei einem militärischen Vorgehen Rußlands gegen die Dardanellen und den Bosporus vorsah, und der Förderung des Orientdreibundes, der Rußlands Einfluß auf dem Balkan begrenzen sollte, gab es somit einen Widerspruch. Außerdem kam es 1888 zu einem rumänisch-österreichisch-ungarischen Abkommen, das das Königreich Rumänien vor einem befürchteten russischen Angriff schützen sollte und dem Deutschland beitrat.
Als 1890 der Rückversicherungsvertrag auslief, schlug Rußland eine Verlängerung des Abkommens vor. Bismarcks Nachfolger als Reichskanzler, von Caprivi, war dazu jedoch nicht bereit. Er wollte einerseits die durch den Rückversicherungsvertrag und Orientdreibund bedingten gegensätzlichen Verpflichtungen des Deutschen Reiches zugunsten überschaubarer Bindungen beenden, andererseits in stärkerem Maße Österreichs Interessen auf dem Balkan berücksichtigen und folglich die russischen vernachlässigen. Zudem traute er der russischen Neutralität in einem Konfliktfall nicht, hatte jedoch auch keine Bedenken vor den Folgen einer russischen Reaktion. In seinen Aufzeichnungen schreibt Caprivi darüber: "Eine Annäherung Deutschlands an Rußland würde unsere Verbündeten nur entfremden, England schädigen und unserer eigenen Bevölkerung, die sich in den Gedanken des Dreibundes immer mehr eingelebt hat, unverständlich und unsympatisch sein. Was gewönnen wir für diese Nachteile? Welchen Wert hätte er, wenn Rußland sich mindestens die ersten Wochen nach einem Angriff der Franzosen auf uns ruhig verhielte. Diese Ruhe würde nicht so vollständig sein, daß wir nicht einen Teil unserer Armee an der russischen Grenze stehen lassen müßten. Wir würden gegen Frankreich doch nicht mit unserer ganzen Kraft auftreten können, während auf der anderer Seite für Österreich der casus foederis nicht vorläge.
Was aber die Möglichkeit angeht, daß Rußland die Anlehnung, die es bei uns nicht findet, anderswo suchen könnte, so kommen hierfür nur Frankreich und England in Betracht. Für den Schritt, den Rußland jetzt vorzuhaben scheint, ist die französische Allianz ihm wertlos, solange die englische Mittelmeerflotte dazwischentreten kann. Durch eine englische Allianz würde Rußland das, was es von uns kostenfrei zu erhalten wünscht, nur durch Opfer an anderer Stellen (Asien) gewinnen können und seine Beziehungen zu Frankreich voraussichtlich lockern. Eine Allianz aber, die England und Frankreich umschlösse, ist der englischen Interessen im Mittelmeer wegen durchaus unwahrscheinlich."
Darüber hinaus berücksichtigte Caprivi mit der Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages, daß die öffentliche Meinung in Rußland zunehmend deutschfeindlich wurde und dieses Denken Einfluß auf den Zaren gewann. Auch befürchtete er, daß der Rückversicherungsvertrag durch eine russische Indiskretion bekannt werden könnte und Deutschland somit international als unzuverlässiger Vertragspartner dastehen mußte. Angesichts der so gesehenen Unberechenbarkeit der russischen Politik planten der Geheimrat von Holstein im deutschen Auswärtigen Amt und Caprivi eine Verbesserung der deutsch-englischen Beziehungen bis hin zu einem Bündnis beider Staaten. Das war angesichts russisch-englischer Konflikte in Asien und wegen der Dardanellen-Frage jedoch nur durch eine Entscheidung gegen Rußland möglich. Von einem deutsch-englischen Bündnis erwartete man in Berlin auch eine Zurückhaltung Rußlands in einem deutsch-französischen Krieg.
Nicht bedacht wurde bei der Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages, daß Rußland von da ab nicht mehr daran gehindert war, mit Frankreich vertragliche Bindungen einzugehen und daß damit gerechnet werden mußte, weil beide Staaten 1890 ohne Verbündete waren. Während es Rußland aber nur darum ging, seine Isolierung zu überwinden, war ein Bündnis Paris-St.Petersburg für Frankreich die ideale Voraussetzung dafür, Deutschland in einen Zweifrontenkrieg zur Eroberung Elsaß-Lothringen sowie zur "Revanche" für die Niederlage von 1870/71 zu verwickeln. Andererseits gab es keine sicheren Informationen darüber, daß England einer Annäherung an Deutschland aufgeschlossen gegenüberstehen würde - eine Hoffnung, die das deutsche Verhalten 1890 erheblich bestimmte.
Rußland erblickte in der Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages eine gegen sich gerichtete Neuorientierung der deutschen Politik und suchte deshalb in kürzester Zeit die Übereinstimmung mit Frankreich. Damit begann jene Einkreisung, die 1914 zum Ersten Weltkrieg führte.
Literatur
Auswärtiges Amt (Hrsg.): Das Deutsche Weissbuch über die Schuld am Kriege 1914, Berlin 1927
Bainville, Jacques: Geschichte zweier Völker, Hamburg 1939
Bainville, Jacques: Frankreichs Kriegsziel, Hamburg 1939
Frisch, Sepp: Die Saar blieb deutsch, Leoni 1956
Grimm, Friedrich: Das Tesatment Richelieus, Berlin 1940
Höhne, Heinz: Der Krieg im Dunkeln, München 1985
Klüver, Max: Die Kriegstreiber, Berg 1997
Preradovich, Nikolaus von: Die Einkreisung, Leoni 1984
Stieve. Friedrich: Deutschland und Europa 1890-1914, Berlin 1927
Wegerer, Alfred von: Der Ausbruch des Weltkrieges, 2 Bde, Hamburg 1939
Eibicht, Rolf-Josef: Schlieffen, Strategie und Politik. Aus der Unterlegenheit zum Sieg, Lünen 1991 u. 1993
Zur Frage der "Kriegsschuld":
Mekel hätte sich vor der Konzeption ihrer Rede historisch sachkundig machen müssen - weil die Geschichte das Auge der Wahrheit ist. Sie hätte etwa die Stellungnahme des seriösen Franzosen Luis Guetant zur Kenntnis nehmen müßen.
Luis Guetant, Lyoner Delegierter des Verbandes für die Menschenrechte, stellt am Beginn der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fest:
„Betrachten wir einmal die Dinge ohne Vorurteil, in voller Unabhängigkeit und Offenheit, ohne uns darum zu kümmern, in welches Lager der Zufall unserer Geburt uns verschlagen hat. Da drängt sich uns zuerst folgende Erwägung auf: Der Krieg von 1914 ist eine Folge des Krieges von 1870. Denn seit jenem Zeitpunkte hat uns, mehr oder weniger verhüllt, der Gedanke an die Revanche nicht mehr verlassen.
Den Krieg von 1870 aber hat die französische Regierung angestrebt und erklärt. Das französische Kaisertum hatte ihn ja so nötig, um gegen die inneren Schwierigkeiten und seine immer zunehmende Unbeliebtheit in der Öffentlichkeit anzukämpfen. Gambetta selbst, der wilde Tribun der Opposition, ruft aus: ,Wenn das Kaisertum uns das linke Rheinufer verschafft, söhne ich mich mit ihm aus!‘ Es handelt sich also um einen Eroberungskrieg. Was die eroberten Völkerschaften dazu sagen werden, davon ist nicht die Rede. ,Wir werden ihren Willen unter den unseren beugen‘, so will es das Recht des Siegers. Und nun sollte plötzlich die Gelegenheit hierzu Frankreich entschlüpfen. Angesichts der durch seine Kandidatur hervorgerufenen Schwierigkeiten und Kriegsgefahren, erklärt Prinz Leopold sich bereit, zurückzutreten. Das ist schlimm! Ohne Vorwand kein Krieg! Es erging Frankreich, wie dem Milchmädchen in der Fabel mit dem zerbrochenen Topf, nur daß es statt ,Fahr wohl, Kalb, Kuh, Schwein, Hühnervolk‘ nun hieß: ,Fahr wohl, blutiger Gewinn, Ruhm, Sieg, linkes Rheinufer, ja sogar Belgien‘, denn dieses lag ja auch am linken Rheinufer, nach dem Frankreich trachtete. Nein, das wäre zu hart, die Enttäuschung wäre zu groß gewesen, die Gelegenheit mußte wieder herbeigeführt werden. Die ganze chauvinistische Presse, die ganze großsprecherische Sippe bemühte sich darum, und bald war ein Ausweg gefunden. Gramont, der Minister des Äußern, beauftragte den Botschafter Benedetti, König Wilhelm in Ems, wo dieser zur Kur weilte, aufzusuchen und von ihm ein schriftliches Versprechen zu fordern, daß für den Fall, daß Prinz Leopold über seinen Verzicht anderen Sinnes werden sollte, er, Wilhelm, als Familienoberhaupt dagegen Stellung nehmen werde.
Der Verzicht des Prinzen Leopold wurde Frankreich in untadelhaft rechtskräftiger Form angezeigt und von der spanischen Regierung offiziell angenommen. Ein Zweifel über seine Echtheit konnte nicht bestehen. Trotzdem hetzten die Pariser Zeitungen fast ausnahmslos zum Kriege. Wer, wie Robert Mitchell im ,Constitutionell‘, seiner Freude über die Friedensaussichten Ausdruck verlieh und sich für befriedigt erklärte, wurde auf der Gasse beschimpft. Gambetta rief ihm zu: ,Sie sind befriedigt?! Welch niederträchtiger Ausdruck!‘ Man raubte die Nummern seiner Zeitung aus den Kiosken, man tauchte sie in den Fluß und warf sie ihm ins Gesicht. Emile de Girardin schrieb ihm: ,die Gelegenheit ist einzig, unverhofft, wenn das Reich sie versäumt, ist es verloren!‘ Damals begann die Vorbereitung zum Kriege von 1914!“
[Quelle, Zitat bei Kaiser Wilhelm II. von Hohenzollern: Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878-1918, Verlag K. F. Köhler in Leipzig und Berlin, 1922. Siehe auch im Anhang Nr. 3 das ganze Kapitel: "Die Ursachen des Weltkrieges". Zitat innerhalb dieses Kapitels.]
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Das Politische Lexikon, Hannover Oktober 1966, vermerkt unter dem Stichwort >>Kriegsschuld<<:
>>Die Erforschung der Kriegsursachen und deren kritische Beurteilung waren bis zum 1. Weltkrieg Aufgaben der Geschichtswissenschaft sowie Gegenstand der Außenpolitik, Propaganda und Ethik. Seit 1919 wurden die Ursachen des 1. und 2. Weltkrieges von den Siegermächten propagandistisch entstellend als Kriegsschuld der Besiegten gekennzeichnet, um diese zu diskriminieren und diktatorische Maßnahmen einer sog. "Friedensregelung" zu rechtfertigen.
So wurde im Versailler Vertrag die Kriegsschuld Deutschlands und seiner Verbündeten in Art. 231 einseitig festgelegt, obwohl man deutscherseits den Vorschlag machte, die Frage der Veröffentlichung sämtlicher Dokumente der Beteiligten durch ein unparteiliches Gremium überprüfen zu lassen.
(Der britische Politiker, Geschäftsmann und Diplomat, ab 1939 Botschafter in den USA) Lord Lothian erkärte (im Jahre 1937) hierzu:
"Der Versailler Vertrag gründete sich auf die Theorie von Deutschlands Alleinschuld am Weltkrieg. Ich glaube, niemand, der die Vorgeschichte des Krieges ernsthaft studiert hat, kann diese Ansicht, sachlich begründet, heute aufrecht erhalten". Die Belastung Deutschlands mit der Alleinschuld "war das Ergebnis von Meinungen, die wir uns aufgrund eines unzureichenden Materials, ergänzt durch die Propaganda der Kriegszeit gebildet hatten". Diese Propaganda habe aber dazu gedient, die "Moral der eigenen Landsleute aufrechtzuerhalten durch die Behauptung, daß wir völlig recht, der Feind aber völlig unrecht habe. Auf diesem Grundsatz war der Versailler Vertrag aufgebaut."
Treffender hätte die Situation von einem Angehörigen einer ehemaligen Feindmacht nicht charakterisiert werden können. Trotzdem gibt es deutsche Publizisten und Professoren, die die "Kriegsschuld Deutschlands" am 1. Weltkrieg, die durch die Aktenpublikationen und freimütige Äußerungen früherer verantwortlicher Politiker der Feindstaaten längst widerlegt ist, heute aufs neue zu beleben suchen, um Deutschland als permanenten Aggressorstaat zu diskriminieren. ... <<.
Zudem: "Die Versailler Friedensverträge werden die Quelle eines neuen Krieges sein. Dies ist so sicher wie die Wiederkehr des Tages nach entschwundener Nacht."
(Robert Lansing, US-Außenminister von 1915 bis 1920,
in seinem 1921 erschienenen Hauptwerk "Peace negotiations")
Zur Frage des Versailler Diktats
Das Politische Lexikon, Hannover Oktober 1966, vermerkt unter dem Stichwort >>Versailler Vertrag<<:
>>Am 28. 6. 1919 wurde in Versailles der "Friedensvertrag" unterzeichnet, der den 1. Weltkrieg beendete, sich durch Mangel an staatsmännischem Weitblick auszeichnete, durch seine Härte und Ungerechtigkeit den Ausgleich zwischen den Völkern und den Frieden in Europa verhinderte sowie zum Erfolg des Nationalsozialismus und zum Ausbruch des 2. Weltkrieges entscheidend beitrug.
Der Versailler Vertrag trat am 10. 1. 1920 in Kraft. Er erlegte dem Deutschen Reich schwerste Bedingungen auf; u. a. verlor es 10 % seiner Einwohner (zum größten Teil Deutsche), 13 % seiner Fläche (Eupen-Malmedy, Elsaß-Lothringen, das Hultschiner Ländchen, Oberschlesien, Posen-Westpreußen, Danzig, das Memelland, Nordschleswig), 26 % seiner Steinkohlen-, 75 % seiner Eisenerzförderung, 90 % seiner Handelsflotte, sämtliche Kolonien, sämtliche (auch privaten) Auslandsguthaben. Das Saargebiet wurde unter die Verwaltung des Völkerbundes gestellt, der Anschluß "Deutsch-Österreichs" an das Reich verboten. Deutschland mußte abrüsten bis auf das unzulängliche 100.000-Mann-Heer (ohne moderne und schwere Waffen) und eine kleine Marine. Flugzeuge, Generalstab und Allgemeine Wehrpflicht wurden verboten. Die Grenzen des Reiches mußten unbefestigt bleiben, vor allem war das Rheinland zu entmilitarisieren, so daß das Reich jedem französischen Angriff offenstand. Zugleich rückten in das Rheinland alliierte Truppen ein. Die großen deutschen Ströme und der Kaiser-Wilhelm-Kanal wurden internationalisiert.
Diese von "Haß und Rachsucht" (Herbert Hoover, US-Präsident von 1929-1930) diktierten Friedensbedingungen sollten durch die §§ 227-230 (Bestrafung der deutschen "Kriegsverbrecher") und den berüchtigten Kriegsschuldparagraphen 231 gerechtfertigt werden. Gleichzeitig wurden damit auch die Reparationsforderungen der Alliierten begründet. Die Völkerbundssatzung wurde Teil des Versailler Vertrages (§§ 1- 26). Damit stand der Völkerbund von Anfang an in ursächlichem Zusammenhang mit dem Versailler Vertrag und wurde folgerichtig ein Instrument der Alliierten zur Verhinderung jeder Revision.
Der innere Widerspruch, Erfüllungspolitik zu treiben und trotzdem keine Revisionserfolge aufweisen zu können, ist einer der Hauptgründe für den Zerfall der Weimarer Republik gewesen. Verstärkt wurde dieser Niedergang durch die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die ihrerseits durch die Reparationspolitik der Alliierten mitbedingt war. Der Aufstieg der NSDAP endlich, der zum endgültigen Untergang der Weimarer Republik führte, liegt nicht zuletzt darin begründet, daß die NSDAP die einzige Partei war, die ernsthaft gegen den Versailler Vertrag und Erfüllungspolitik Stellung nahm.
Seine größten Erfolge nach 1933 hatte Hitler bei der Revision der schlimmsten Versailler Ungerechtigkeiten. Als er dann versuchte, die widersinnigste Bestimmung, Abtrennung des Korridors und Danzigs, auf großzügige Weise erträglich zu machen (Rückkehr Danzigs an das Reich, Eisen- und Autobahnlinie durch den Korridor), nahmen Polen und England diesen berechtigten Revisionswunsch zum Anlaß für die kriegsauslösenden, durch die britische Garantie ermutigten polnischen Provokationen, so daß der Versailler Vertrag unter den Ursachen für die heutige Weltkrise zweifellos einen hervorragenden Platz einnimmt.
Litaratur: (in Auswahl)
Schnee/Draeger/ v. Loesch/Boehm, Zehn Jahre Versailles, Berlin 1929 f
W. Ziegler, Versailles, Hamburg 1933
L. v. Muralt, Der Friede von Versailles, Zürich 1947
H. Lutz, Verbrechervolk im Herzen Europas?, Tübingen 1959
E. Kern, Von Versailles zu Adolf Hitler, Göttingen 1961<<
Zudem:
In seinem Vortrag >>Deutschland und seine Ostgebiete<<, stellte Univ.-Prof. Dr. Hellmut Diwald 1991 fest:
"Gegen die Versailler Regelung wurde von der damaligen deutschen Regierung und wurde von allen Parteien der Weimarer Republik, einschließlich der Kommunisten, leidenschaftlich protestiert. Die amtierende Regierung des Sozialdemokraten Philipp Scheidemann trat zurück, weil sie die Unterschrift verweigerte. Die Nachfolger unterschrieben zwar, aber unter vehementem Protest. Sie beugten sich dem Ultimatum, weil sie nicht riskieren wollten, daß die alliierten Truppen in Deutschland einmarschierten, so wie es dann später im Ruhrgebiet der Fall war."
[Vortrag von Prof. Dr. Hellmut Diwald, Würzburg, aus Anlaß der
40-jährigen Gedenkveranstaltung der Gründung der Landsmannschaft Schlesien, Kreisgruppe Bonn, am 20. 04.1991 in Bonn, Hotel Residence]
Und noch eine weitere, vielleicht zukünftige Formulierungshilfe für Bundeskanzlerin Merkel:
In meiner Publikation: "Hellmut Diwald - Sein Vermächtnis verpflichtet zum Handeln - Anmerkungen zu unserer kriminalisierten und gestohlenen Geschichte, Hamburg 1993/1995, seien hier einige Auszüge wiedergegeben, Seite 17ff, um zu einer wahrheitsgemäßen historischen Einordnung des Ersten Weltkrieges zu kommen UND das vollkommen barbarische und verheerende Ende der Sieger bei ihrem Friedens-Diktat zu erkennen. Ich schrieb seinerzeit in dieser Gedächtnisschrift für Univ.-Prof. Dr. Hellmut Diwald, der leider zu früh, nämlich am 26. Mai 1993 verstarb:
>>"Unsere gestohlene Geschichte"
Klar erkannte Hellmut Diwald in seinen Forschungen die Kriminalisierung der deutschen Geschichte durch eine skrupellose und brutale Umerziehung und eine ebenso verlogene Vergangenheitsbewältigung nach 1945. Einige Sätze nur vermögen seine Erstrangigkeit weiter zu verdeutlichen. In der Einführung zu seinem Werk: Geschichte der Deutschen spricht er unübertreffbar von "der jahrelangen Umerziehung, der inneren Umpolung des deutschen Volkes durch die Sieger des Zweiten Weltkrieges. Alle Ideen und Überzeugungen, die ihrer Meinung nach zu der politischen, moralischen, charakterlichen Korrumpierung der Deutschen geführt hatte, sollten ein für allemal ausgerottet werden. Im Bereich der Geschichte wurde dies durch einen nahezu lückenlosen Kehraus praktiziert, der sich nicht nur auf die direkten und mittelbaren Vorfahren, sondern auf die ganze deutsche Vergangenheit erstreckte. Die Geschichte der Deutschen wurde nicht sachbezogen inspiziert und interpretiert, sondern moralisch disqualifiziert."
Und er fährt fort: "Das 20. Jahrhundert ist von den Katastrophen der zwei Weltkriege geprägt. Beide Male spielte das deutsche Volk einen Part, der nicht unglückseliger hätte sein können. Deshalb ist die Lage der Deutschen in der Gegenwart bestimmt von den Ergebnissen dieser Kriege und der politischen Eigenart der jeweiligen Siegermächte, unter deren Direktive sie gerieten. Unsere Nation ist auseinandergerissen, innerlich zerfetzt. ... Bei der Überprüfung unserer Geschichte waren die Siegermächte zu dem Ergebnis gelangt, daß das meiste der deutschen Vergangenheit verdorben, beschädigt, krank gewesen sei. Deshalb mußte mit dieser Vergangenheit gebrochen werden." Und weiter: "Den Deutschen wurde in bewußter Gründlichkeit ihre Geschichte entwertet, zerstört und weggenommen."
Wie klar dieser durchschlagende und zentrale Befund unseres nationalen Elends Diwald beschäftigte, zeigt die Publikationen aus dem Jahre 1992: >>Unsere gestohlene Geschichte<<. Hier schreibt Diwald u.a.: "In der Geschichte unserer Gegenwart des 20. Jahrhunderts gibt es zwei markante Einschnitte: den Versailler Vertrag des Jahres 1919 und den 8. Mai 1945. Am 8. Mai 1945 wurde in Europa der Zweite Weltkrieg beendet. Wer diesen Tag mit Bewußtsein erlebt hat, wer sich an ihn erinnert ohne die uferlosen Beschönigungen und Lügen, mit denen seit Jahrzehnten unsere Geschichte und insbesondere unsere jüngere und jüngste Vergangenheit ungenießbar gemacht wird, der weiß, daß der 8. Mai 1945 ein Tag des Jammers und der Tränen war. ... ’Befreit´ wurden wir aber auch in einem handfesten Sinn: von dem Elementarsten, was ein bewußter Mensch besitzt, von unserer Selbstachtung und unserem Stolz, von unserem Anstand, unserer Tapferkeit, von der Selbstbestimmung, von unserem Wissen, daß wir ein Volk sind, von der Freiheit der Erkenntnis, von unserer Geschichte. Millionen wurden von ihrer Heimat ’befreit´. Angesichts dieser Summe von ’Befreiungen´ schrie 1946 Aloysius J. München, Bischof von Fargo in Norddakota buchstäblich auf: ’Das größte Verbrechen unserer Zeit. Nichts in der Geschichte kommt dem gleich.´ "
Erster Weltkrieg weder verursacht noch provoziert
Und an anderer Stelle schreibt Diwald: "Wie stolz sind andere Völker auf ihre Nation und ihre Geschichte, wie selbstverständlich und jenseits aller Diskussionen ist ihnen ihr Nationalgefühl. In unseren Schulbüchern dagegen, in unseren Erziehungs- und Parteiprogrammen findet sich nichts dergleichen. Dies ist das Ergebnis der alliierten Umerziehung, die nach 1945 begann. Die Architekten dieser Umerziehung waren gründliche Leute. Seit 1943 galt die reeducation bei den Westalliierten als eine beschlossene Sache. Das allgemeine Ziel wurde in einer Aktennotiz mit dem Satz umrissen: ’Wir werden die gesamte Tradition auslöschen, auf der die deutsche Nation errichtet wurde.´ Deshalb unterlegten sie der ganzen deutschen Geschichte eine beständige Bereitschaft zu militärischer Aggression, die in unserem Jahrhundert schließlich ihren Gipfel darin erreicht habe, daß Deutschland die beiden Weltkriege vom Zaum gebrochen hätte."
Gern zitierte Hellmut Diwald Theodor Heuß, den ersten Präsidenten der westdeutschen Republik: "Die Geburtsstätte der nationalsozialistischen Bewegung ist nicht München, sondern Versailles! " Und weiter im Zusammenhang zitierte er den italienischen Ministerpräsidenten Francesco Nitti, der 1924 über das Versailler Friedens-Diktat urteilte: "Noch niemals ist ein ernstlicher und dauerhafter Friede auf die Ausplünderung, die Quälerei und den Ruin eines Besiegten, geschweige denn auf den eines besiegten großen Volkes gegründet worden. Und dies und nichts anderes ist der Vertrag von Versailles!".
Im "vae victis" liegt, daß der Sieger die Geschichte schreibt, daß er sich auf die klassisch-vulgäre Überzeugung berufen kann, welche das Recht zum Leibeigenen der politischen Macht degradiert, Gewalt zu Recht pervertiert. SO KAM ES 1919 IM VERSAILLER FRIEDENSDIKTAT ZUR UNERTRÄGLICHEN KRIEGSSCHULDLÜGE. Und so schreibt Diwald in der Geschichte der Deutschen: "Da die Verliererstaaten als Urheber des Konflikts für alle Folgen des Krieges haftbar gemacht wurden, entwickelte sich ein Kampf gegen die Versailler Bestimmungen zu einem Kampf gegen die Kriegsschuldbehauptungen, die Kriegsschuldlüge, wie sie im offiziellen Sprachgebrauch der deutschen und österreichischen Regierungen hieß. Immer war das Aufbegehren gegen Versailles ein Aufbegehren gegen die Kriegsschuld. UNTER DEM ASPEKT DES SIEGERRECHTS WAR DEUTSCHLAND SCHULDIG, OBWOHL ES DEN KRIEG NICHT VERURSACHT UND PROVOZIERT HATTE. Der Philosoph Hans Driesch steuerte die burschikose Formel bei: ’Schuldig waren alle, aber die Deutschen waren die Dummen.´"
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Fortsetzung, Teil III, siehe unterhalb.