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Fortsetzung, Teil III:
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Zum geistigen Völkermord
Zum permanenten geistigen Völkermord an den Deutschen durch die Zerstörung ihrer Geschichte schreibt Diwald: "Für Arnold Gehlen reichte die Kunst, jemanden geistig wehrlos zu machen, von der Lüge bis zur Diffamierung. Deshalb hatte die internationale Konvention über die Verhinderung und Unterdrückung des Verbrechens des Völkermordes vom 9. Dezember 1948 auch einen geistigen Völkermord anerkannt und in Art. II b definiert als ’schweren Angriff auf die physische und geistige Integrität einer Gruppe´. Dieser Begriff, so ergänzte Gehlen, ’umfaßt natürlich die Traditionen und Überlieferungen eines Verbandes ebenso wie ihre Ehre, und ein Volk gewaltsam von seiner Geschichte abzutrennen oder zu entehren, bedeutet dasselbe, wie es zu töten.´"
Das nationale Elend und die nationale Verrottung der Deutschen bis auf den heutigen Tag, ist u.a. das Resultat ihrer beispiellosen Zerrissenheit und Uneinigkeit. In der Geschichte der Deutschen stellte Diwald diesen Sachverhalt wie folgt dar: "Wenn es überhaupt bestimmende Merkmale der Deutschen gibt, dann gehört die Fähigkeit dazu, sich gegenseitig zu hassen, zu verachten, zu bekämpfen bis aufs Blut. Unsere Geschichte ist bis zum Rand gefüllt von Streit, Feindschaft, Brudermord." Und an anderer Stelle: "Die Selbstzerfleischung ist ein grandioser Kehrreim unserer Geschichte. Hemmungslos, mit mörderischer Lust, haben wir immer wieder den anderen gejagt, der uns zwar am nächsten gestanden hat, der aber nicht derselben Meinung war. Kaum jemals war unser Griff so unerbittlich, als wenn wir uns gegenseitig an der Gurgel hatten. Das gehört zu unseren Besonderheiten, zu unseren Mängeln, so wie alles andere - weniger Kummervolle - auch, das mit vorschneller Völkerpsychologie dem allgemeinen Charakter der Deutschen zugeschrieben wird. Defekte sind zu beklagen, zu bekämpfen ..." . <<
Weitere Empfehlung zur Beachtung für Angela Merkel:
Im Vorwort in: Hugo Wellems, Das Jahrhundert der Lüge, von der Reichsgründung bis Potsdam, 1871-1945, Kiel 1989, schreibt Hellmut Diwald (Erlangen, im April 1989) unter anderem:
>>... Der Erste Weltkrieg warf seine Schatten schon vielfach und vielfältig in Form der publizistischen Stimmungsmache voraus. Es sei nur daran erinnert, daß Frankreich die Niederlage des Krieges von 1870/71 nie verwinden konnte, eines Krieges, den es selbst erklärt und seit Jahren herbeigesehnt hatte. Das Wort von der „Revanche pour Sadowa“ prägte seit 1866 das politische Denken in Paris; im Gebiet von Sadowa und Königgrätz in Ostböhmen fand die entscheidende Schlacht zwischen Preußen und Österreich statt, und die Franzosen konnten nicht vergessen, daß Bismarck sie bei dieser Auseinandersetzung diplomatisch ausgeschaltet hatte. Nach 1871 aber nahm der Revanchismus in Frankreich die schärfsten Züge des Chauvinismus an. Die »Revanche für Sadowa« verwandelte sich in die »Rache für Sedan«.
Bis zur Jahrhundertwende waren die führenden Politiker Frankreichs auch Repräsentanten und Garanten dieser Leitlinie. Danach, im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg, fand der Gedanke der Vergeltung seine eindrucksvollste Verkörperung in der großen Gestalt von Georges Clemenceau, der zwischen 1906 und 1909 erstmals als Ministerpräsident die Regierung führte. Das Motto seiner Politik war denkbar einfach: »Die deutsche Machtgier hat sich die Vernichtung Frankreichs zum Ziel gesetzt.« Clemenceau konnte deshalb aus seinem Gesichtswinkel im Nachbarn jenseits des Rheins nichts anderes erblicken als einen gewissermaßen beständig aufgesperrten Rachen. Davon allein war dann auch Clemenceaus Verhandlungsführung bei den Friedensregelungen in Versailles bestimmt. Als er den deutschen Delegierten am 7. Mal 1919 die Friedensbedingungen überreichte, erklärte er schon in seinem ersten Satz, daß die Mächte, die gegen Deutschland gekämpft hätten, „sich vereinigt haben, um den fürchterlichsten Krieg auszufechten, der ihnen aufgezwungen worden ist. Die Stunde der Abrechnung ist da.“
Diese „Stunde der Abrechnung“ wurde zum Schicksal der Weimarer Republik. Der Friedensvertrag von Versailles, der auch in amtlichen Erklärungen der Weimarer Regierungen als „Friedensdiktat" bezeichnet wurde, hing wie ein Damoklesschwert über der ersten deutschen Republik. Versailles wirkte sich auf Deutschlands Position im Verhältnis zu den anderen Mächten ebenso verheerend aus wie auf die innere Situation der Republik. Die katastrophale Selbstzerfleischung des Deutschen Reiches in den Jahren zwischen 1919 und 1933 war jenseits aller parteipolitischen Gegensätze eine unmittelbare Folge von Versailles, in erster Linie die Folge der zentralen Lüge, mit der die Friedensbestimmungen der Pariser Vorortverträge begründet wurden: mit der alleinigen Schuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg. Die ungeheuren Reparationslasten, die der Versailler Vertrag Deutschland auferlegte, wurden aus dem berüchtigten Schuldartikel 231 abgeleitet: „Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber aller Verluste und aller Schäden verantwortlich sind, welche die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten haben.“
Etliche deutsche Historiker, die sich im Dienst der Selbsterniedrigung wohler fühlten als im Dienst der Sachlichkeit, bezeichneten später den Versailler Schuldartikel als eine Belanglosigkeit; die Erregung darüber zeuge von einer kindischen Empfindlichkeit. Die Sieger des Ersten Weltkrieges sahen das anders. Am 3. März 1921 erklärte der britische Premierminister David Lloyd George: »Für die Alliierten ist die deutsche Verantwortung für den Krieg grundlegend; sie ist das Fundament, auf dem der Bau von Versailles errichtet wurde. Wenn dies abgelehnt oder aufgegeben wird, ist der Vertrag zerstört.«
Heute geht es bei dieser Frage nicht mehr darum, ob eine solche Schuld tatsächlich bestand oder ob sie nicht bestand. Es geht darum, daß durch den Schuldparagraphen 231 eine beispiellose Diskriminierung Deutschlands festgeschrieben wurde und daß dies die schwerwiegendsten Folgen über viele Jahre hinweg hatte. Die Texte, die Hugo Wellems dazu vorlegt, sind für diese Feststellungen von einer schlagenden Beweiskraft. An ihnen läßt sich das ganze Ausmaß der Komplikationen und Ausweglosigkeiten ablesen, die sich aus den Versailler Bestimmungen für die Weimarer Jahre ergaben und die auch unweigerlich zum Hintergrund des Dritten Reiches gehörten, das sich bündig an die Weimarer Republik anschloß. So gut wie die gesamte Innenpolitik seit 1919, die Inflation, die deutschen Versuche, sowohl durch Ausgleich und Zusammenarbeit mit dem Osten als auch durch Kooperation und Versöhnung mit dem Westen Freiräume zurückzugewinnen, in denen wiederum eigenständige politische Aktivität möglich war - der ganze Alltag der Weimarer Republik wurde durch Versailles und seine Auswirkungen bestimmt.<<
Weitere Empfehlung zur Beachtung für Angela Merkel:
Sie sollte sich auch einmal die "Deutsche Ansprache" des Jahres 1930 von Thomas Mann zu Gemüte führen, besonders die Passage:
„Der Versailler Vertrag war ein Instrument, dessen Absichten dahin gingen, die Lebenskraft eines europäischen Hauptvolkes auf die Dauer der Geschichte niederzuhalten; und dieses Instrument als die Magna Charta Europas zu betrachten, auf der alle historische Zukunft aufbauen müsse, war ein Gedanke, der dem Leben und der Natur zuwiderlief und der schon heute in aller Welt kaum noch zum Schein Anhänger besitzt. Aber das deutsche Volk wird solcher Einsicht nicht gewahr, es hält sich notwendig an die Tatsachen, von denen es umgeben ist, und fühlt sich als Hauptopfer ihres Widersinns. Fast müßig schon es auszusprechen und doch notwendig, es immer wieder zu sagen: Es ist kein haltbarer Zustand, daß inmitten von lauter bewaffneten und auf ihren Waffenglanz stolzen Völkern Deutschland allein waffenlos dasteht, so daß jeder, der Pole in Posen, der Tscheche auf dem Wenzelsplatz, ohne Scheu seinen Mut daran kühlen kann; daß die Erfüllung des Versprechens, die deutsche Abrüstung solle nur der Beginn der allgemeinen sein, immer wieder ad calendas graecas vertagt wird und jede Unmutsäußerung des deutschen Volkes gegen diesen Zustand als eine zu neuen Rüstungen auffordernde Bedrohung aufgefaßt wird. Diese Ungerechtigkeit ist die erste, die man nennen muß, wenn man dem deutschen Gemütszustand gerecht werden will; aber es ist nur zu leicht, fünf, sechs andere aufzuzählen, die sein Gemüt verdüstern, wie die absurden Grenzregelungen im Osten, das niemandem heilsame, auf das vae victis stumpfsinnig aufgebaute Reparationssystem, die völlige Verständnislosigkeit des jakobinischen Staatsgedankens für die deutsche Volksempfindlichkeit in der Minderheitenfrage, das Problem des Saargebietes, das keines sein dürfte, und so fort.“
So weit Thomas Mann.
Merkels Rede in Paris muß letztlich nicht nur im Zusammenhang mit ihrer Rede am 1. 9. 2009 in Danzig, sondern auch mit derjenigen, die sie in den in den USA gehalten hat, bewertet werden. Deshalb:
Zu Merkels Rede am 3. 11. 2009 vor dem US-Kongress in Washington:
In ihrer Rede am 3. 11. 2009, vor dem amerikanischen Kongress in Washington, sprach Merkel in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg in nämlicher historischer und politischer unhaltbarer Pauschalierung und demokraturideologischer Verblendung, außer Rand und Band und völlig unkontrolliert, von
"Hass, Verwüstung und Vernichtung, die Deutschland über Europa und die Welt gebracht hat."
Auch hier keinerlei Bezug zu der staatsmännischen Einsicht von Franz Josef Strauß und anderer namhafter großer Persönlichkeiten, die das Geschehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts treffend als einen "europäischen Bürgerkrieg" bezeichnen, dessen Schuld unter den Europäern gleichmäßig zu verteilen ist. Zumindest. Auch hier keinerlei staatsmännische Verantwortung und Reife, die Geschehnisse ENDLICH ZU HISTORISIEREN, UNABDINGBAR IN EINEN GRÖSSEREN GESAMTZUSAMMENHANG ZU STELLEN. [Was auch Ausdruck eines real vorhandenen >christlichen< inneren Humanums wäre (als Vorsteherin einer >christlichen< Partei mit dem "C" im Parteinamen), statt der permanenten allumfassenden Selbstanklage. Keinerlei Erkenntnis, die Welt und die innere Zerrissenheit des eigenen Volkes endlich zu befrieden, was mit einer fortgesetzten Anklage immer nur des eigenen Volkes nicht zu bewerkstelligen ist. Damit auch das eigene Volk endlich einmal zur Ruhe kommt. Weil zu einer auch wirklich funktionierenden Demokratie selbstverständlich auch eine normale, keine immerfort nur zerstörte nationale Identität der Deutschen, ein natürlicher Patriotismus, wie er bei allen anderen Völkern auch selbstverständlich und unerläßlich ist, als Grundvoraussetzung gehört. Ansonsten kann ein Volk durch die permanente Selbstanklage nur zu Grunde gehen. Durch eine fortgesetzte unaufhörliche Kriminalisierung der eigenen Geschichte.] Auch hier der grenzenlose Merkel-Schuldkult-Fanatismus der endlosen und unerträglichen Verbiegung der historischen Geschehnisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (siehe auch oberhalb ihre unerträglich geschichtsklitternde Positionierung zum ersten Weltkrieg). Ihr eigenes Volk immer und immer wieder an den Pranger stellend und zentral belastend sowie mit Alleinschuld beladend. Ohne jede Differenzierung.
Bundeskanzlerin Merkel fehlt generell die staatsmännische Verantwortung und Reife für die besonders schwierige, nun schon seit vielen Jahrzehnten andauernde politisch-historische Situation unseres Volkes: Ein Volk mit einer gestohlenen Geschichte und mit einer daraus resultierenden Demokratur der Mitte-Links-Parteienoligarchie, trotz einer soliden Verfassung. Merkel präsentiert ihre Positionierungen mit verheerenden Defiziten in der demokratischen und nationalen Frage, die heute auch verheerende Defizite in der sozialen Frage offenbaren. (Was der real existierenden Demokratur einmal zum endgültigen Stolperstein werden wird. Gar keine Frage.)
Auch in der Rede in Washington offenbarte die deutsche Kanzlerin keine staatsmännische Befähigung, den nationalen Interessen des deutschen Volkes in der nationalen Selbstbewahrung und Selbstbehauptung gerecht zu werden. Nur ein einziger Satz/Feststellung des großen US-Präsidenten Ronald Reagan verdeutlicht ihre im Schuldkult völlig versessene und verstiegene Art und Weise auch hier.
US-Präsident RONALD REAGAN am 5. Mai 1985 in Bitburg an den Gräbern gefallener deutscher Soldaten:
"DEN DEUTSCHEN IST EIN SCHULDGEFÜHL AUFGEZWUNGEN WORDEN UND ZU UNRECHT AUFERLEGT!"
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ENDE TEIL I, FORTSETZUNG IN DER KOMMENDEN WOCHE.
Rolf Josef Eibicht (MA)
München, den 15. November 2009
Aktuelles Verfasserbild:
http://www.wno.org/images/e090702b.jpg
Anhänge:
Anhang Nr. 1:
Rede der Bundeskanzlerin zum Gedenktag des Waffenstillstands nach dem Ersten Weltkrieg
Mi, 11.11.2009
in Paris
Monsieur le Président, lieber Nicolas,
meine Damen und Herren,
für die Einladung, heute Gast der Feiern des Armistice-Tages zu sein, danke ich Ihnen aus ganzem Herzen. Ich danke Dir, lieber Nicolas, und ich danke den Menschen in Frankreich. Seien Sie versichert, ich weiß als deutsche Bundeskanzlerin diese Geste sehr zu schätzen.
Wir stehen hier heute gemeinsam im Gedenken an das Ende eines furchtbaren Krieges, der unermessliches Leid mit sich brachte. Ich verneige mich vor allen Opfern. Wir stehen hier gemeinsam im Bewusstsein unserer Geschichte, die uns – Deutsche und Franzosen – seit Jahrhunderten verbindet, in guten wie in schlimmen Zeiten.
Wir werden nie vergessen, wie sehr in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Franzosen durch Deutsche zu leiden hatten. Der schonungslose Umgang mit der eigenen Geschichte ist – davon bin ich überzeugt – die einzige Grundlage, um aus der Geschichte zu lernen und die Zukunft gestalten zu können. Zugleich weiß ich: Geschehenes kann nicht ungeschehen gemacht werden.
Wohl aber gibt es eine Kraft, die uns helfen kann, das Geschehene zu ertragen: Es ist die Kraft der Versöhnung. Aus ihr kann Vertrauen entstehen, ja sogar Freundschaft. Die Kraft der Versöhnung befähigt uns, neue Herausforderungen gemeinsam anzugehen und Verantwortung gemeinsam wahrzunehmen.
Deutschland weiß um die Kraft der Versöhnung. Denn wir Deutsche durften sie nach den Abgründen der beiden Kriege des vergangenen Jahrhunderts erfahren. Frankreich hat Deutschland die Hand zur Versöhnung gereicht. Deutschland wird das nie vergessen. Deutschland hat diese Hand dankbar angenommen.
Die Versöhnung konnte ihre Kraft entfalten – dank der Größe und der Weitsicht von Staatsmännern wie Briand, Stresemann und de Gaulle, von Adenauer, Monnet und Robert Schuman. Die Versöhnung konnte ihre Kraft entfalten, weil die Menschen in unseren beiden Ländern die feste Überzeugung gewonnen haben: Deutsche und Franzosen dürfen nie wieder künstliche Feindbilder aufbauen. Deutsche und Franzosen dürfen sich nie wieder Leid zufügen. Denn ein Gegeneinander kennt nur Verlierer. Das Miteinander aber kennt nur Gewinner.
Aus der Kraft der Versöhnung wurde Freundschaft. Welch ein wunderbares Geschenk. Aus dem Geschenk der Freundschaft wurde der Wille zur gemeinsamen Verantwortung – einer Verantwortung, die weit mehr umfasst als das Schicksal unserer beiden Länder. Die deutsch-französische Freundschaft findet ihr Ziel in Europa. Wir Europäer – wir sind heute zu unserem Glück vereint.
Genau das symbolisiert für mich auch der heutige Tag. Wir stehen hier in der Überzeugung, dass unsere beiden Länder, dass Frankreich und Deutschland im Bewusstsein der Geschichte die gemeinsame Berufung haben, Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent zu bewahren.
Vor zwei Tagen haben wir den 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer gefeiert. Es hat mich auch ganz persönlich sehr berührt, dass so viele Franzosen diesen Tag mit uns gefeiert haben – nicht nur in Berlin, sondern auch hier in Paris, auf dem Place de la Concorde. So, wie für uns heute der 11. November ein Tag des Friedens in Europa geworden ist, so ist der Tag des Mauerfalls für alle ein Tag der Freiheit.
Beide Gedenktage – der des Endes des Ersten Weltkrieges und der des Falls der Berliner Mauer – mahnen uns. Sie mahnen uns, stets für die unschätzbaren Güter Frieden und Freiheit einzutreten. Sie mahnen uns, unsere Werte zu verteidigen – Demokratie und Menschenrechte, europäische Solidarität und transatlantische Partnerschaft. Das ist unser Auftrag.
Deutschland und Frankreich nehmen diesen Auftrag an – und wir tun das gemeinsam. Gemeinsam haben wir in und für Europa viel geschafft. Heute trennen uns keine Grenzen mehr. Wir zahlen in derselben Währung. Unsere Soldaten setzen ihr Leben gemeinsam, Seite an Seite, für unsere Sicherheit ein.
Wir wissen, gemeinsam haben wir alle Chancen, die heutigen und zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen: die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die eine neue Balance zwischen wirtschaftlicher Entfaltungsfreiheit und sozialer Ordnung bei fairer Einbindung aller Regionen der Welt erfordert; den Klimaschutz, der einen fairen Umgang mit den begrenzten Ressourcen der Erde und eine Bekämpfung der Armut verlangt; die neuen asymmetrischen Bedrohungen – mehr denn je sind wir auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen, um ihnen begegnen zu können.
Deutschland und Frankreich wissen um den Wert ihrer engen Zusammenarbeit. Aufbauend auf unserer Freundschaft vertiefen wir unsere Partnerschaften in Europa und im Atlantischen Bündnis. Aufbauend auf unserer Freundschaft und unserem gemeinsamen Fundament freiheitlicher und demokratischer Werte bauen wir unsere Zusammenarbeit mit anderen Ländern und Regionen aus.
Doch die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern – sie bleiben etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Uns einen ebenso viele wie feste Bande. Damit meine ich nicht nur die politische Zusammenarbeit. Damit meine ich auch die täglich gelebte und erlebte Freundschaft und den mannigfaltigen Austausch zwischen Deutschen und Franzosen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Zeremonie, die wir eben erlebt haben, hat mich tief bewegt. Deutsche und französische Soldaten – vereint im ehrenden Gedenken an die Gefallenen. Deutsche und Franzosen – einst erbitterte Gegner, heute verbunden als Nachbarn in einer Weise, die auch anderswo auf der Welt die Hoffnung und die Zuversicht nährt, dass auch dort tiefe Gräben überbrückt und überwunden werden können.
Es ist eine Gnade der Geschichte, dass wir heute, da wir am Grab des unbekannten Soldaten stehen, sagen können: Die deutsch-französische Aussöhnung und Freundschaft – sie sind ein Geschenk. Die Freiheit unseres Kontinents Europa – sie ist ein Wunder. Wir wissen nur zu gut, wie kostbar beides ist. Wir verpflichten uns, beides zu bewahren und zu schützen.
Vive la France, vive l’Allemagne, vive l‘amitié franco-allemande!
(Quelle: Weltnetz www.bundeskanzlerin.de)
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Anhang Nr. 2:
Rede Bundeskanzlerin Merkel vor dem Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika
Di, 03.11. 2009
in Washington
Madam Speaker,
Mr. Vice President,
Distinguished Members of Congress,
ich danke Ihnen allen für die große Ehre, heute, kurz vor dem 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Ich bin der zweite deutsche Kanzler, dem diese Ehre zuteil wird. Konrad Adenauer war der erste, als er im Jahre 1957 nacheinander vor beiden Häusern des Kongresses gesprochen hat.
Unterschiedlicher könnten unsere beiden Lebenswege gar nicht sein. 1957 war ich gerade einmal ein Kleinkind von drei Jahren. Ich lebte mit meinen Eltern in Brandenburg, einer Region, die zur DDR, dem unfreien Teil Deutschlands, gehörte. Mein Vater arbeitete als evangelischer Pfarrer. Meine Mutter, die Englisch und Latein studiert hatte, um Lehrerin zu werden, durfte ihren Beruf in der ehemaligen DDR nicht ausüben.
Konrad Adenauer war 1957 bereits 81 Jahre alt. Er hatte das Kaiserreich in Deutschland erlebt, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, den Zweiten Weltkrieg. Von den Nationalsozialisten wurde er seines Amtes als Oberbürgermeister der Stadt Köln enthoben. Nach dem Krieg gehörte er zu den Männern und Frauen, die die freiheitliche, demokratische Bundesrepublik Deutschland mit aufgebaut haben.
Nichts steht mehr für diese Bundesrepublik Deutschland als ihre Verfassung, ihr Grundgesetz. Es wurde vor genau 60 Jahren verabschiedet. In Artikel 1 dieses Grundgesetzes heißt es: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Dieser kurze, einfache Satz – "Die Würde des Menschen ist unantastbar" – war die Antwort auf die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, auf den Mord an sechs Millionen Juden im Holocaust, auf Hass, Verwüstung und Vernichtung, die Deutschland über Europa und die Welt gebracht hat.
In wenigen Tagen schreiben wir den 9. November. Es war der 9. November 1989, an dem die Berliner Mauer fiel, aber es war auch der 9. November 1938, der sich ebenso in das Gedächtnis der deutschen und europäischen Geschichte eingebrannt hat. An diesem Tag verwüsteten die Nationalsozialisten Synagogen, setzten sie in Brand, ermordeten Unzählige. Es war der Beginn dessen, was später in den Zivilisationsbruch der Shoah mündete. Ich kann heute hier nicht vor Ihnen stehen, ohne der Opfer dieses Tages und der Shoah zu gedenken.
Unter uns ist ein Gast, der am eigenen Leib die Schrecken dieses Deutschlands im Nationalsozialismus erlebt hat und den ich vor einiger Zeit kennen lernen durfte: Professor Fritz Stern. Er wurde 1926 im damals deutschen, heute polnischen Breslau geboren und schaffte es mit seiner Familie, 1938 noch rechtzeitig vor den Nazis in die USA zu fliehen. In seiner 2006 veröffentlichten Autobiographie unter dem Titel "Five Germanies I Have Known" beschreibt Fritz Stern den Moment seiner Ankunft 1938 im Hafen von New York und damit im Hafen der Freiheit und Sicherheit.
Meine Damen und Herren, es ist wunderbar, dass die Geschichte es wollte, dass wir – der aus Deutschland verjagte, damals 12-jährige Junge und ich, die in der DDR aufgewachsene Bundeskanzlerin des heute wieder vereinten Deutschlands – heute gemeinsam in diesem Hohen Haus sein können. Das erfüllt mich mit großer Freude und großer Dankbarkeit.
Das hätte ich mir vor 20 Jahren, bevor die Mauer fiel, in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Denn damals war es außerhalb meiner Vorstellungskraft, überhaupt in die Vereinigten Staaten von Amerika reisen zu dürfen, geschweige denn eines Tages hier zu stehen.
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – es war für mich lange Jahre meines Lebens das Land der unerreichbaren Möglichkeiten. Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl – sie begrenzten meinen Zugang zur freien Welt. So musste ich mir aus Filmen und Büchern, die teilweise meine Verwandten aus dem Westen schmuggelten, ein Bild von den Vereinigten Staaten von Amerika machen.
Was habe ich gesehen und gelesen? Wofür habe ich mich begeistert?
Ich habe mich begeistert für den American Dream – die Möglichkeit für jeden, Erfolg zu haben, durch eigene Anstrengungen es zu etwas zu bringen.
Ich habe mich, wie viele andere Teenager auch, begeistert für Jeans einer bestimmten Marke, die es in der DDR nicht gab und die mir meine Tante aus dem Westen regelmäßig geschickt hat.
Ich habe mich begeistert für die Weite der amerikanischen Landschaften, die den Geist der Freiheit und Unabhängigkeit atmen. Gleich 1990 sind mein Mann und ich das erste Mal in unserem Leben nach Amerika geflogen, nach Kalifornien. Niemals werden wir den ersten Blick auf den Pazifischen Ozean vergessen. Er war einfach grandios.
Das alles, obwohl Amerika für mich bis 1989 schier unerreichbar war. Dann, am 9. November 1989, fiel die Berliner Mauer. Die Grenze, die ein Volk für Jahrzehnte in zwei Welten teilte, war jetzt offen.
Deshalb ist heute für mich zuerst einmal die Stunde des Dankes.
Ich danke den amerikanischen und alliierten Piloten, die 1948 den Verzweiflungsruf des Berliner Bürgermeisters Ernst Reuter erhörten, als er sagte: "Ihr Völker der Welt, … schaut auf diese Stadt… ." Monatelang flogen diese Piloten Lebensmittel über eine Luftbrücke und retteten so Berlin vor dem Verhungern. Viele dieser Soldaten riskierten dabei ihr Leben. Dutzende verloren es. Wir werden ihnen immer ein ehrendes Andenken bewahren.
Ich danke den 16 Millionen in Deutschland über die Jahrzehnte stationierten Amerikanern, ohne deren Beistand als Soldaten, als Diplomaten und als Helfer die Überwindung der Teilung Europas unmöglich gewesen wäre. Wir freuen uns auch heute und in Zukunft über amerikanische Soldaten in Deutschland. Sie sind Botschafter Ihres Landes in unserem Land, genauso wie viele Amerikaner mit deutschen Wurzeln auch heute noch Botschafter meines Landes bei Ihnen sind.
Ich denke an John F. Kennedy, dem nach dem Bau der Berliner Mauer bei seinem Besuch 1963 die Herzen der Menschen zuflogen, als er den verzweifelten Berlinern zurief: "Ich bin ein Berliner."
Ronald Reagan erkannte weit vor anderen die Zeichen der Zeit, als er vor dem Brandenburger Tor bereits 1987 rief: "Mr. Gorbatschow, open this gate … Mr. Gorbatschow, tear down this wall!” Dieser Appell wird für immer unvergessen bleiben.
Ich danke George Bush senior, dass er Deutschland und dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl vertraute und uns Deutschen bereits im Mai 1989 etwas Unschätzbares anbot: "Partnership in Leadership." Welch ein Angebot, 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Erst am vergangenen Samstag haben wir uns in Berlin gesehen, übrigens zusammen mit Michail Gorbatschow. Auch ihm gebührt unser Dank.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich in einem Satz sagen: Ich weiß, wir Deutschen wissen, wie viel wir Ihnen, unseren amerikanischen Freunden verdanken. Niemals werden wir, niemals werde ich Ihnen ganz persönlich das vergessen.
Überall in Europa setzte der gemeinsame Wille zur Freiheit unglaubliche Kräfte frei: In der Gewerkschaft Solidarność in Polen, bei den Reformern um Václav Havel in der Tschechoslowakei, bei der ersten Öffnung des Eisernen Vorhangs in Ungarn und bei den Demonstrationen jeden Montag in der ehemaligen DDR.
Da, wo früher eine dunkle Wand war, öffnete sich plötzlich eine Tür. Wir alle gingen hindurch – auf die Straßen, in die Kirchen, über die Grenzen. Jeder bekam die Chance, etwas Neues aufzubauen, mitzugestalten und den Aufbruch zu wagen.
Auch ich bin aufgebrochen. Ich habe meine Arbeit als Physikerin in der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin hinter mir gelassen und bin in die Politik gegangen. Weil ich endlich gestalten konnte. Weil ich den Eindruck hatte: Jetzt sind die Dinge veränderbar, jetzt kannst du etwas tun.
20 Jahre, meine Damen und Herren, sind seit diesem überwältigenden Geschenk der Freiheit vergangen. Aber noch immer gibt es nichts, das mich mehr begeistert, nichts, das mich mehr anspornt, nichts, das mich stärker mit positiven Gefühlen erfüllt als die Kraft der Freiheit.
Wer einmal in seinem Leben so positiv überrascht wurde, der hält vieles für möglich. Oder, um es mit den Worten Bill Clintons 1994 in Berlin zu sagen: "Nichts wird uns aufhalten. Alles ist möglich."
Ja, alles ist möglich – dass eine Frau wie ich heute hier bei Ihnen sein kann, dass ein Mann wie Arnold Vaatz, der zu DDR-Zeiten Bürgerrechtler in Dresden war und deshalb zeitweise im Gefängnis saß, heute als Mitglied des Deutschen Bundestages mit in meiner Delegation hier anwesend sein kann.
Alles ist möglich, auch in unserem Jahrhundert, im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der Globalisierung. Wir wissen bei mir zu Hause in Deutschland genauso wie bei Ihnen in Amerika, dass die Globalisierung vielen Menschen Angst macht. Darüber gehen wir nicht einfach hinweg. Wir sehen die Schwierigkeiten. Und doch ist es unsere Aufgabe, die Menschen zu überzeugen, dass die Globalisierung eine große weltweite Chance ist, für jeden Kontinent, denn sie zwingt jeden, gemeinsam mit anderen zu handeln.
Die Alternative zur Globalisierung wäre die Abschottung, doch das wäre keine Alternative. Sie führte nur ins Elend, weil sie in die Isolation führt. Das Denken in Bündnissen, das Denken in Partnerschaften dagegen – das führt in eine gute Zukunft.
Meine Damen und Herren, Amerika und Europa sind wahrlich nicht immer einer Meinung. Die einen halten die anderen manchmal für zu zögerlich und ängstlich oder, umgekehrt, für zu eigensinnig und drängend. Dennoch bin ich zutiefst davon überzeugt: Einen besseren Partner als Amerika gibt es für Europa nicht, einen besseren Partner als Europa gibt es für Amerika nicht.
Denn das, was Europäer und Amerikaner zusammenführt und zusammenhält, ist nicht nur eine gemeinsame Geschichte. Das, was Europäer und Amerikaner zusammenführt und zusammenhält, sind nicht nur gemeinsame Interessen und gemeinsame Herausforderungen, wie es sie zwischen allen Regionen der Welt gibt. Das allein würde nicht reichen, um die besondere Partnerschaft Europas und Amerikas zu begründen und dauerhaft zu tragen. Es ist mehr.
Das, was Europäer und Amerikaner zusammenführt und zusammenhält, ist die gemeinsame Wertebasis. Es ist ein gemeinsames Bild vom Menschen und seiner unveräußerlichen Würde. Es ist ein gemeinsames Verständnis von Freiheit in Verantwortung. Dafür treten wir in der einzigartigen transatlantischen Partnerschaft und in der Wertegemeinschaft der Nato ein. So wird "Partnership in Leadership" mit Leben erfüllt, meine Damen und Herren. Diese Wertebasis war es, die den Kalten Krieg beendet hat. Diese Wertebasis ist es, mit der wir nun die Bewährungsproben unserer Zeit bestehen können und bestehen müssen.
Deutschland ist vereint, Europa ist vereint. Das haben wir geschafft. Heute nun muss unsere politische Generation zeigen, dass sie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistert, dass sie gleichsam im übertragenen Sinne Mauern von heute einreißen kann.
Was heißt das? Erstens Frieden und Sicherheit schaffen, zweitens Wohlstand und Gerechtigkeit erreichen und drittens unseren Planeten schützen. Wieder sind dabei Amerika und Europa in ganz besonderer Weise gefordert.
Auch nach dem Ende des Kalten Krieges geht es also darum, Mauern zwischen Lebensauffassungen, gleichsam Mauern in den Köpfen einzureißen, die uns immer wieder daran hindern oder es erschweren, uns auf der Welt zu verstehen. Dafür ist die Fähigkeit zur Toleranz so wichtig. Für uns ist unsere Art zu leben die beste aller möglichen. Aber dennoch ist sie nicht die Art aller. Es gibt verschiedene Lösungen für ein gutes Miteinander. Toleranz ist Ausdruck des Respekts vor der Geschichte, der Tradition, der Religion und der Identität anderer.
Doch niemand sollte sich täuschen: Toleranz bedeutet nicht Beliebigkeit. Null Toleranz muss es für die geben, die die unveräußerlichen Rechte des Menschen missachten und sie mit Füßen treten. Null Toleranz muss es auch geben, wenn Massenvernichtungswaffen zum Beispiel in den Händen des Iran unsere Sicherheit bedrohen könnten. Der Iran muss das wissen. Der Iran kennt unser Angebot. Doch der Iran kennt auch die Grenze: Eine Atombombe in der Hand des iranischen Präsidenten, der den Holocaust leugnet, Israel droht und das Existenzrecht abspricht, darf es nicht geben.
Die Sicherheit Israels ist für mich niemals verhandelbar. Im Übrigen wird nicht nur Israel bedroht, sondern die ganze freie Welt. Wer Israel bedroht, bedroht auch uns. Deshalb tritt die freie Welt dieser Bedrohung entgegen, notfalls mit harten wirtschaftlichen Sanktionen. Meine Damen und Herren, deshalb werden wir in Deutschland mit aller Kraft den Nahost-Friedensprozess mit dem Ziel unterstützen, eine Zwei-Staaten-Lösung zu schaffen: einen jüdischen Staat Israel und einen palästinensischen Staat.
Wir treten auch der Bedrohung des internationalen Terrorismus entgegen. Dabei wissen wir, dass kein Land – und sei es noch so stark – das allein schaffen kann. Wir alle brauchen Partner. Erst in der Gemeinschaft mit Partnern sind wir stark.
Weil wir nach den Anschlägen des 11. September mit dem damaligen Präsidenten George W. Bush die Überzeugung geteilt haben, dass von Afghanistan aus nie wieder die Sicherheit der Welt bedroht werden darf, steht Deutschland dort seit 2002 mit dem drittgrößten Truppenkontingent. Wir wollen das Konzept der so genannten vernetzten Sicherheit zum Erfolg führen. Das besagt: Ziviles und militärisches Engagement sind untrennbar miteinander verbunden.
Ohne Zweifel: Der Einsatz der Staatengemeinschaft in Afghanistan ist hart. Er fordert uns viel ab. Er muss in die nächste Phase geführt werden, sobald die neue afghanische Regierung im Amt ist. Ziel muss die Entwicklung einer Übergabestrategie in Verantwortung sein. Dies wollen wir Anfang des nächsten Jahres auf einer gemeinsamen UN-Konferenz entwickeln. Erfolgreich werden wir sein, wenn wir wie bisher jeden weiteren Schritt im Bündnis gemeinsam gehen. Deutschland stellt sich dieser Verantwortung.
Es steht außer Zweifel: Die NATO ist und bleibt der wesentliche Eckpfeiler unserer gemeinsamen Sicherheit. Ihr Sicherheitskonzept wird stetig weiterentwickelt und den neuen Herausforderungen angepasst. Ihr Fundament und ihr Kompass für Frieden und Freiheit aber bleiben unverändert.
Wir Europäer – davon bin ich überzeugt – können dazu in Zukunft noch mehr beitragen. Denn wir Europäer sind in diesen Wochen im Begriff, unsere Europäische Union mit einer neuen vertraglichen Grundlage auszustatten. Die letzte Unterschrift ist gerade darunter gesetzt worden. Die Europäische Union wird damit stärker und handlungsfähiger und damit für die Vereinigten Staaten ein starker und zuverlässiger Partner.
Auf dieser Grundlage können wir stabile Partnerschaften mit anderen aufbauen, allen voran mit Russland, China und Indien. Denn, meine Damen und Herren, wir leben heute in einer freieren und vernetzteren Welt als jemals zuvor. Der Fall der Berliner Mauer, die technologische Revolution bei Information und Kommunikation, der Aufstieg Chinas, Indiens und anderer Länder zu dynamischen Volkswirtschaften – all das hat die Welt im 21. Jahrhundert zu einer anderen gemacht, als sie es im 20. Jahrhundert war. Das ist gut, denn Freiheit ist das Lebensgesetz unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Nur in Freiheit kann der Mensch schöpferisch sein.
Allerdings ist auch deutlich geworden: Diese Freiheit steht nicht allein. Es ist eine Freiheit in und zur Verantwortung. Dazu bedarf es einer Ordnung. Der Beinahe-Zusammenbruch der internationalen Finanzmärkte hat gezeigt, was passiert, wenn es diese Ordnung nicht gibt.
Wenn die Welt die Lektion aus der Finanzkrise des letzten Jahres gelernt hat, dann führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass eine globalisierte Wirtschaft einen globalen Ordnungsrahmen braucht. Ohne eine weltweite Bindung durch Transparenz und Kontrolle kommt es nicht zu einem Gewinn an Freiheit, sondern vielmehr zu einem Missbrauch von Freiheit und damit zu Instabilität. Das ist dann gleichsam eine zweite Mauer, die fallen muss – eine Mauer, die vor einer wirklich globalen Wirtschaftsordnung steht, eine Mauer regionalen und ausschließlich nationalen Denkens.
Der Schlüssel in der Zusammenarbeit der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer liegt in der Gruppe der G20. Auch hier ist die Zusammenarbeit Amerikas und Europas ein entscheidender Eckpfeiler. Es ist eine Zusammenarbeit, die nicht ausschließt, sondern andere mit einschließt.
Die G20 hat gezeigt, dass sie handlungsfähig ist. Wir müssen uns dem Druck derer entgegenstellen, die die Staaten dieser Welt fast an den Abgrund geführt haben. Das heißt nichts anderes, als dass die internationale Wirtschaftspolitik nachhaltiger werden muss, denn die Krise war auch Ausdruck zu kurzfristigen Denkens. Millionen von Menschen weltweit sind dadurch vom Verlust ihres Arbeitsplatzes und von Armut und Hunger bedroht. Um Wohlstand und Gerechtigkeit zu erreichen, müssen wir alles tun, dass sich eine solche Krise niemals wiederholt, meine Damen und Herren.
Das bedeutet auch, nicht der Versuchung des Protektionismus zu erliegen. Deshalb sind auch die Doha-Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation so wichtig. Ein Erfolg der Doha-Runde wäre gerade in der aktuellen Krise ein wertvolles Signal für die Offenheit der Weltwirtschaft.
Ebenso kann der Transatlantische Wirtschaftsrat eine wichtige Aufgabe erfüllen. Wir können damit Subventionswettläufe verhindern und Anstöße zum Abbau von Handelshemmnissen zwischen Europa und Amerika geben. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns gemeinsam für eine Weltwirtschaftsordnung eintreten, die im Interesse Europas und Amerikas ist.
Meine Damen und Herren, dass globale Herausforderungen nur in umfassender internationaler Zusammenarbeit bewältigt werden können, zeigt sich auch an einer dritten Bewährungsprobe des 21. Jahrhunderts, an so etwas wie einer Mauer zwischen Gegenwart und Zukunft. Diese Mauer versperrt den Blick auf die Bedürfnisse kommender Generationen. Sie verhindert den dringend notwendigen Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und unseres Klimas.
Wohin dieser Verbrauch unserer Zukunft führt, können wir schon jetzt sehen: In der Arktis schmelzen Eisberge, in Afrika werden Menschen zu Flüchtlingen, weil ihre Umwelt zerstört wird, weltweit steigt der Meeresspiegel. Ich freue mich, dass Präsident Obama und Sie in Ihrer Arbeit dem Schutz unseres Klimas eine hohe Bedeutung beimessen. Wir alle wissen: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir brauchen eine Einigung auf der Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen. Wir brauchen eine Einigung auf ein Ziel: Die globale Erwärmung darf zwei Grad Celsius nicht überschreiten.
Dafür brauchen wir die Bereitschaft aller Länder, international verbindliche Verpflichtungen zu übernehmen. Wir können es uns nicht leisten, beim Klimaschutz von den wissenschaftlich gebotenen Zielen abzuweichen. Das wäre nicht nur ökologisch unverantwortlich. Es wäre auch technologisch kurzsichtig. Denn die Entwicklung neuer Technologien im Energiebereich bietet große Chancen auf Wachstum und zukünftige Arbeitsplätze.
Es besteht kein Zweifel: Die Welt schaut im Dezember auf uns, auf Europa und Amerika. Es ist wahr: Ohne Verpflichtungen Chinas und Indiens wird es nicht gehen. Aber ich bin davon überzeugt: Wenn wir in Europa und Amerika zu verbindlichen Verpflichtungen bereit sind, werden wir auch China und Indien davon überzeugen. Dann können wir in Kopenhagen die bestehende Mauer zwischen Gegenwart und Zukunft überwinden – im Interesse unserer Kinder und Enkel und im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung weltweit.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: So wie wir im 20. Jahrhundert die Kraft hatten, eine Mauer aus Stacheldraht und Beton zu Fall zu bringen, so haben wir auch heute die Kraft, Mauern des 21. Jahrhunderts zu überwinden – Mauern in unseren Köpfen, Mauern eines kurzsichtigen Eigeninteresses, Mauern zwischen Gegenwart und Zukunft.
Meine Damen und Herren, meine Zuversicht speist sich aus einem ganz besonderen Klang – dem Klang der Freiheitsglocke im Schöneberger Rathaus von Berlin. Dort hängt seit 1950 ein Nachguss der amerikanischen Freiheitsglocke. Gespendet von amerikanischen Bürgern ist sie ein Zeichen des Freiheitsversprechens, das sich erfüllt hat. Am 3. Oktober 1990 läutete die Freiheitsglocke die Wiedervereinigung Deutschlands ein – im Augenblick der größten Freude des deutschen Volkes. Am 13. September 2001 läutete sie noch einmal, und zwar zwei Tage nach dem 11. September – im Augenblick der größten Trauer des amerikanischen Volkes.
The Freedom Bell in Berlin is, like the Liberty Bell in Philadelphia, a symbol which reminds us that freedom does not come about by itself. It must be struggled for and then defended anew every day of our lives. In this endeavour, Germany and Europe will also in future remain strong and dependable partners for America. That I promise you. Thank you very much.
(Quelle: Weltnetz http://www.bundeskanzlerin.de)