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Autor Beitrag
Violetta
Administrator

Beiträge: 2331


New PostErstellt: 23.05.07, 15:46     Betreff: Re: Violettas Opernkiste

Schurkische Seelen - die Bösewichte

Ohne ihn lebten Tosca und ihr Maler glücklich und zufrieden bis an ihr seliges Ende ("Tosca"). Ohne ihn würde Donna Anna den treuen, aufopferungsvoll liebenden Don Ottavio heiraten, ihr Vater wäre noch am leben und auch Zerlina und Massetto hätten keinen Streß miteinander. ("Don Giovanni")
Ohne ihn würden Amelia und Riccardo einander ab und zu mit Blicken anschmachten und in der übrigen Zeit wäre Amelia Renatos treue Gattin, würde allenfalls bei der Ausübung der ehelichen Pflichten an den schönen Gouverneur denken und keinen würde es stören.("Ein Maskenball")
Ohne ihn würden Violetta und Alfredo friedlich auf dem Lande leben und vielleicht würde irgendwann sogar Robert Koch mit seinem neuen Medikament auftauchen und alles wäre gut.("La Traviata")
Ohne ihn hätte Rigoletto seine Tochter noch und ohne ihn würde Lucia Edgardo heiraten und ihrer verkommene Bande von Familie ein für allemal den Rücken kehren. ("Lucia di Lammermoor")
Ohne ihn wären Angela Gheorghiu und Roberto Alagna, Ileana Cotrubas und Placido Domingo, Fräulein Netrebko und Senor Villazón glücklich miteinander und der Plot der allermeisten Opern hinfällig.
Er ist derjenige, der unseren Helden die Petersilie verhagelt, er ist aber auch das Salz in der Suppe, ohne das gar nix geht.
Die Rede ist vom Bösewicht.
Der Bösewicht singt in aller Regel Bariton oder Baß. Nur in absoluten Ausnahme- und Grenzfällen ist er ein Tenor. Aber dann ist er weniger Bösewicht und mehr gequälte Seele (Don José aus "Carmen" ist einer von dieser Sorte).
Die Oper braucht den Bösewicht wie das Christfest den Tannenbaum.
Er bringt Schwung in den Laden und sorgt dafür, daß all das Liebesglück das es auf der Bühne zu sehen und zu hören gibt überhaupt auszuhalten ist und uns nicht rasend vor Neid macht.
Ein besonderer Glücksfall liegt vor, wenn der Bösewicht nicht nur hervorragend singt, sondern sein Darsteller auch noch über Stil, Eleganz und, wenn möglich, gutes Aussehen verfügt. Dann ist er oft so verführerisch, daß man ins grübeln kommen könnte ob nicht doch er die bessere Wahl wäre. Ruggero Raimondi ist, oder besser, war solch ein Sängerdarsteller.
Um es mal so zu formulieren: Raimondi ist für die Opernbühne, was Alan Rickman und John Malkovich für den Film sind. Den jungen Bariton Ildebrando D'Arcangelo habe ich für mein Teil bisher nur in symphatischen Rollen gesehen, aber auch er verspricht, ein Bösewicht von Format zu sein.
Einige herrausragende Schurken möchte ich nun vorstellen.
Los geht's:
Die schwärzeste aller schwarzen Seelen auf der Opernbühne hat zweifellos Polizeipräsident Scarpia aus Giacomo Puccinis "Tosca". In seinen Kellern wird verhört, gequält, gefoltert, gemordet. Ganz Rom zittert vor ihm. Wir schreiben das Jahr 1800, was manche Regisseure zu vergessen scheinen, denn Scarpia und seine Häscher werden immer wieder gerne in SS-Uniformen dargestellt.
Welche Uniform auch immer er trägt: Scarpia lässt Toscas Liebhaber gefangen nehmen, foltern und zum Tode verurteilen weil der ein ziemlich großes Maul hat und Scarpia ganz genau sagt, was er von ihm hält. Als Tosca ihn um Marios Leben anfleht, zieht er die gute alte "Überlegen wir doch mal ,was sie für mich tun können schöne Frau!" - Nummer ab.
Wir ahnen worauf er hinaus will. Unser Mitleid mit ihm als Tosca ihm stattdessen ein Brotmesser in den Leib rammt hält sich denn auch durchaus in Grenzen.
WIE verkommen Scarpia ist zeigt sich gegen Ende der Oper: er hat Tosca versprochen, Mario nur zum Schein durch ein Erschießungskommando hinrichten zu lassen, damit er, Scarpia, sein Gesicht waren könne. Wenn das Kommando abgezogen sei, könne sie dann mit Mario fliehen, dafür stellt er ihr einen Passierschein aus.
Aber erstmal: "Runter mit den Klamotten, schöne Frau!"
Später, als außer ihr noch niemand weiß, das Scarpia tot ist, entdeckt Tosca, daß er sie betrogen hat. Mario wurde erschossen. Hätte Tosca also nicht zufällig das Messer entdeckt, sie hätte sich völlig umsonst prostituiert. Gut, daß sie Scarpia das Lebenslicht ausgepustet hat.

Lucia di Lammermoor liebt Edgardo, Edgardo liebt Lucia. Enrico, Lucias Bruder, haßt Edgardo. Edgardo seinerseits hat einen heiligen Eid geschworen, so viele Lammermoors wie möglich vom Leben zum Tode zu befördern weil diese Familie seiner Familie irgendwann irgendeinen Tort angetan hat. Dann hat er Lucia kennengelernt. Sternschnuppen, rosa Wolken, Verzückung auf beiden Seiten. "Romeo und Julia" auf schottisch. "Lucia di Lammermoor" heißt diese Oper von Gaetano Donizetti.
Lucia ist also umgeben von durchgeknallten, gewalttätigen Männern. Aber immerhin ist Edgardo erwachsen und liebevoll genug, seinen kindischen Schwur aus Liebe zu Lucia zu vergessen. Sie wollen heiraten und dann nix wie weg und die bescheuerte Verwandtschaft hinter sich lassen.
Vorher muß er aber noch was erledigen und haut erstmal ab. Großes Liebesduett, Treueschwüre, "Nimm diesen Ring als Zeichen..." etc. Das ganze Programm. Dann ist er weg, der Edgardo und Lucias Vertrauen ist gefordert. Enrico aber, der Bruder, unterschlägt Edgardos Briefe an Lucia und redet dieser ein, Edgardo habe Lucia längst vergessen und überhaupt sei jeder Sproß dieser Familie ein elender Mistkerl. Er redet solange auf Lucia ein, bis diese zusammenbricht und der Ehe mit einem anderen zustimmt. (Es geht um Geld bei dieser Verbindung. Das nur nebenbei).
Dann geht es zu wie in "Die Reifeprüfung": nach vollzogener Trauung taucht plötzlich Edgardo auf und brüllt, nein, nicht "Elaine!!!" sondern "Lucia!!!".
Weil er nicht schnallt was geschehen ist, und unbegreiflicher Weise auch nicht zu sehen scheint, daß Lucia dem Zusammenbruch nahe ist, glaubt er an ihre Treulosigkeit und wünscht ihr die Pest an den Hals.
In der Hochzeitsnacht ermordet Lucia ihren Gatten ehe sie Edgardo tatsächlich die Treue brechen kann, wird wahnsinnig, phantasiert ihre und Edgardos Hochzeit (keine hat das so hingekriegt wie die Callas) und stirbt hinter den Kulissen.
Edgardo der das Komplott erst rauskriegt als Lucia schon tot ist, stürzt sich in sein Schwert und geht tot.
Und an allem ist Enrico schuld, der Mistkerl.

Ja doch, er ist ein Bösewicht, dieser Don Giovanni. Er mordet, er verführt , er vergewaltigt (versucht es zumindest, aber die Damen sind wehrhaft), er spinnt Intrigen, er schikaniert seinen Diener, er verspottet die ihn lieben du zu retten versuchen. Er ist bis zum Schluß uneinsichtig.
Er IST ein Schurke.
Und doch...
Mozarts ganze wunderbare Oper lang geht es um den Lebenswandel des spanischen Granden Don Giovanni. Die Oper beginnt mit einem Mord: Giovanni ermordet den Vater Donna Annas als dieser die von Giovanni in Angriff genommene Vergewaltigung seiner Tochter
vereitelt. Als dann geht es mit Don Giovannis Frauengeschichten weiter. Giovanni ist, wie man heute sagen würde, sexsüchtig, ein getriebener, gehetzter, der, kaum ist er zum Ziel gekommen, der nächsten Eroberung nachjagen muß. Mit Liebe hat das gar nix zu tun, mit Erotik nur sehr wenig, mit Verzweiflung schon mehr.
Gipfel der Verruchtheit: als Giovanni auf dem Friedhof ist auf welchem der Komtur begraben liegt, verspottet er dessen steinernes Standbild und lädt es für die gleiche Nacht zum Nachtmahl ein. Der steinerne nickt mit dem Kopf.
Einen Akt später sitzt Don Giovanni beim Essen, als es an der Tür klopft.
Das Standbild tritt ein (es gibt dafür verschiedene Lösungen, die genialste die ich gesehen habe: die Tür öffnet sich und statt einer Statue die eintritt, fällt gleißendes, unheimliches Licht auf die ansonsten stockfinstere Bühne. Man hört nur die Stimme des Komturs, ohne ihn zu sehen)
Der Komtur teilt Don Giovanni mit, er sei gekommen, ihn jetzt in die Hölle zu holen. Es reiche jetzt endgültig. Des Himmels Gnade und Geduld sei erschöpft, wenn er jetzt nicht auf der Stelle bereue sehe es übel aus für ihn.
Jetzt zeigt sich, trotz allem, Don Giovannis ganze Größe: er findet nämlich, er habe ein ganz tolles Leben gehabt, er hatte Spaß, er hatte Frauen, er hat sich genommen was er wollte. Es tut ihm nicht leid und er sieht auch keineswegs ein, so zu tun als ob.
Er bereut nicht. Dafür fährt er zur Hölle, denn Strafe muß sein. Aber ich für mein Teil kann nicht anders, als ihn für seine kompromisslose Ehrlichkeit zu bewundern.
Don Giovanni hat unendlich viele Fehler. Heuchelei gehört nicht dazu.
Ich habe eine Inszenierung gesehen, in der Don Giovanni ganz am Ende der Oper in der Hölle gezeigt wird: angeregt mit einer hübschen Teufelin parlierend und sich verführerisch über sie neigend...
Ja. Er ist ein Bösewicht. Und doch...

Der Jägerbursche Kaspar aus Carl Maria von Webers Oper "Der Freischütz" ist ein Raufbold. Er trinkt, er steigt den Frauen nach, er liebt den Wein und das Würfelspiel.
Das allein stempelt ihn noch nicht zum Bösewicht sondern viel eher zum liebsten Kumpel jedes durchschnittlichen deutschen Mannes. Aber: Kaspar ist mit dem Teufel im Bunde.
Er hat dem Leibhaftigen, der hier "Samiel" heißt, seine Seele verpfändet im Gegenzug für eine gehörige Anzahl Freikugeln und überhaupt für Glück in jeder Lebenslage.
Wie dieser Deal im Allgemeinen eben so läuft.
Aber jetzt wird es eng für Kaspar: wenn er nicht bis Mitternacht eine neue seele für Samiel herbeischafft, muß er selbst dran glauben und der Teufel kommt ihn holen.
Also überredet Kaspar den 2. Jägerburschen Max, der die Tugend selber, kreuzbrav und (unter uns) enorm langweilig ist, Freikugeln zu gießen.
Max kann sie gebrauchen: er muß am nächsten Tag mit einem "Probeschuß" beweisen, daß er ein guter Jäger ist und um die Hand von Agathe, der Tochter des Erbförsters anhalten arf.
Agathe und Max, wir können uns denken, lieben sinch und werden furchtbar unglücklich sein, wenn Max beim Probeschuß versagt. es steht also einiges auf dem Spiel, Max ist nervös und hat noch dazu seit Wochen nix gescheites getroffen.
Ein Gück für die Tiere des Waldes, Pech für Max.
Mit Freikugeln, so Kaspar, sei das Problem ganz einfach zu lösen: sie treffen immer. Wohin der Schütze sie auch lenken will ,sie verfehlen nie ihr Ziel.
Was er ihm nicht verrät: es sind Kugeln des Teufels, 7 an der Zahl. "Sechse treffen, aber die siebente gehört dem Bösen. Der kann sie lenken, wohin er will"
Max in seiner Verzweiflung geht darauf ein und gießt in der Nacht nit Kaspar zusammen unter mächtig viel Bühnenzauber und gruseliger Musik die Kugeln. Kaspars Plan: beim Probeschuß wird die Kugel des Bösen Maxens Liebste treffen und töten. Der wird daraufhin den Verstand verlieren und sich umbringen. Die versprochene Seele für den Teufel und Kaspar hat wieder für sieben Jahre Ruhe.
Das alles würde auch funktionieren, wäre da nicht ein weiser alter Eremit, der Agathe mit geweihten Rosen versogt hat, die sie am Morgen des Probeschusses im Haar trägt.
Der Böse kann ihr nichts anhaben und lenkt die Kugel auf Kaspar, der daraufhin gen Hölle fährt.
Max wird ein bißchen ausgeschimpft, der Probeschussein für allemal abgeschafft und wenn er brav ist (und es besteht kein Zweifel, daß er das sein wird), darf er in einem Jahr Agathe heiraten.
Ende gut, alles gut.

Noch einige Worte zu jenen, die nicht direkt zu den Bösewichtern der Oper gehören, die aber dennoch mächtig viel Unheil anrichten. Ich möchte sie mal "Störenfriede" nennen.
Der König der Störenfriede ist ganz zweifellos Germont père, der Vater Alfredos aus "La Traviata".
Der Mann hat es aber auch nicht leicht: aus guter Familie stammend (gehobenes Bürgertum denke ich mal), gut situiert, wenn auch nicht reich, ist ihm sein Leumund und der seiner Familie überaus wichtig.
Da passt es ihm nun gar nicht ins Konzept, daß sein einziger Sohn sein Herz an eine Dame loser Moral verloren hat. Sich bei einer solchen Frau die Hörner äh... abstoßen, sie zwei- dreimal die Woche besuchen und bezahlen ist eine Sache, man ist ja kein Unmensch und war auch mal jung.
Aber Liebe? Ehe? Kinder gar?
Außerdem ist da das unschuldige Töchterlein das verlobt ist und dessen Verlobter sie verlassen wird, wenn Alfredo diese Beziehung nicht beendet.
Also mischt Papa sich ein und wie wir wissen, endet das fürchterlich.
Ist das ein Bösewicht? Wohl eher nicht. Entweder ist er der gute alte Papa als der er häufig dargestellt wird und dem das Herz blutet bei all dem Leid daß er zufügen muß, oder er ist der herzenskalte, nur auf den äußeren Schein bedachte Biedermann, verklemmt bis ins Mark, dessen einziger Körperkontakt zu seinem Sohn in einer schallenden Ohrfeige besteht die er ihm verpasst, als er ihm zu widersprechen wagt, als den ihn der grandiose Thomas Hampson bei den Salzburger Festspielen 2005 gegeben hat.
Böse? Nein. Aber unheilvoll. Daran ändert auch die ganze schöne Musik nichts die er singen darf.
Was ICH mich immer frage, und was sich der alte Germont auch mal fragen sollte: was ist das eigentlich für ein Waschlappen von Schwiegersohn, der bereit ist das Mädchen, das er doch angeblich liebt, zu verlassen nur weil deren Bruder eine Beziehung eingeht die ihm unpassend erscheint???

Ein ganz anderer Fall ist der schon erwähnte Don José aus Carmen.
Zählen wir seine Untaten auf:
  1. er lässt die Zigeunerin Carmen laufen obwohl er sie in den Knast bringen soll. Aber sie ist halt so hübsch und wickelt ihn ein.
  2. er verletzt seinen Vorgesetzen schwer als dieser ebenfalls heftiges Interesse an Carmen zeigt
  3. er verschreibt sich dem Schmugglerhandwerk
  4. er tötet Carmen als sie sich endgültig von ihm trennt.
Böse?
In dem "Carmen" Film mit Placido Domingo und Julia Migenes stellt Domingo ihn als im Grunde guten, aufrichtig liebenden Jungen dar, der in die Fänge einer, für ihn, falschen Frau gerät, im falschen Moment die Nerven verliert und mit dem Messer auf sie los geht.
Villazóns José der "Carmen" Aufführungen aus Berlin von 2006 ist vom ersten Augenblick in dem er die Bühne betritt, ein verwirrter, zur Gewalt neigenden junger Mann dessen Verhältnis zu Carmen weniger mit Liebe dafür umso mehr mit Macht und Besitzanspruch zu tun hat.
Als sie ihm entgleitet, verliert er langsam aber sicher den Verstand und entwickelt sich zum brandgefährlichen Stalker.
Es ist grauenvoll und großartig, ihm dabei zuzusehen.
Beide Deutungen sind großartig und in keiner von beiden ist er böse.
Was lernen wir? Man muß nicht böse sein, um Katastrophen heraufzubeschwören.




____________________
www.dkms.de
Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, dass er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.
Curt Goetz


[editiert: 23.05.07, 22:01 von Violetta]
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