Seite 1:
Atommüll in rostigen Fässern
Skandalöse Zustände im Zwischenlager Brunsbüttel / Kritik an Kraftwerksbetreiber Vattenfall
Kiel/Brunsbüttel /höv
Böse Überraschung auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks
Brunsbüttel. Im Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe
sind verrostete Fässer mit Atommüll entdeckt worden. Gefahr für
Mitarbeiter und Bevölkerung habe nicht bestanden, versicherte der für
die Atomaufsicht zuständige Minister Emil Schmalfuß (parteilos). Es sei
keine „unzulässige Radioaktivität“ freigesetzt worden. Den Betreiber
Vattenfall nahm Schmalfuß wegen dessen Informationspolitik ins Visier.
Rund 500 Atommüllfässer lagern am Meiler Brunsbüttel in sechs
unterirdischen, acht Meter tiefen Kavernen. Der Inhalt der Fässer –
kontaminierte Filterharze und Verdampferkonzentrate aus dem
Reaktorbetrieb – wird seit 2004 schrittweise für eine Endlagerung im
Schacht Konrad bei Salzgitter (Niedersachsen) umgefüllt. Der Schacht
soll ab 2019 zur Verfügung stehen.
Bereits am 15. Dezember vergangenen Jahres hatten AKW-Mitarbeiter
ein Fass, dessen Hülle völlig rott war, zum Umfüllen am Kran hängen.
„Mit Glück“ und nach einer fast achtstündigen Operation habe das Objekt
im dafür bereit stehenden Gusscontainer „verpackt“ werden können,
berichteten Mitarbeiter der Atomaufsicht. Vattenfall schwieg über den
Vorfall, berief sich inzwischen darauf, dass das Ereignis „nicht
meldepflichtig“ gewesen sei.
Am 10. Januar entdeckten Ingenieure des Tüv Nord das verrostete und entleerte Fass im Zuge einer Routine-Kontrolle
und meldeten den Vorgang nach Kiel. Erst fünf Wochen später, am 20.
Februar, legte Vattenfall auf Drängen der Atomaufsicht eine
Dokumentation samt Bildmaterial vor. Daraus ergab sich, „dass weitere
Fässer zum Teil erhebliche Korrosionserscheinungen“ aufwiesen.
Schmalfuß leitete daraufhin eine Überprüfung aller Lagereinrichtungen
für radioaktive Abfälle der anderen Kernkraftwerke in Schleswig-Holstein sowie des Helmholtz-Zentrums
Geesthacht ein. Zugleich forderte er Vattenfall auf, die Arbeiten an
den Kavernen vorerst einzustellen und Messstellen zu installieren, um
eventuell auftretende Radioaktivität zu überwachen. Der Bund muss nach
Ansicht von Schmalfuß bei der anstehenden Novellierung des
Kerntechnischen Regelwerks präzisiere und strengere Sicherheitskriterien
auch für die vorübergehende Lagerung schwach- und mittelradioaktiver
Abfälle an den Kernkraftwerks-Standorten entwickeln.
Seite 4:
Rostige Atommüllfässer: Vattenfall im Kreuzfeuer politischer Kritik
Kiel /höv
Alle gegen Vattenfall: Der Fund verrosteter Fässer mit Atommüll auf dem Gelände des Atomkraftwerks Brunsbüttel hat in Schleswig-Holstein
massive Kritik am Betreiber ausgelöst. Das Unternehmen hatte Behörden
den Vorfall zunächst verschwiegen, räumte gestern Fehler in der
Kommunikation ein.
Grüne und SSW forderten, Vattenfall die Verantwortung für Brunsbüttel
zu entziehen. Auch CDU, SPD, FDP und die Linke kritisierten Vattenfall.
Sie forderten wie die Umweltorganisation Robin Wood, endlich ein
atomares Endlager zu finden. „Die Endlagersuche muss mit aller
Konsequenz durchgesetzt werden“, forderte Grünen-Fraktionschef
Robert Habeck. „Atomfässer sind keine Einmachgläser“, sagte Habeck.
Olaf Schulze (SPD) sah einen weiteren Beleg für die Notwendigkeit, aus
der Atomenergie auszusteigen. Das Verhalten von Vattenfall zeige erneut,
wie wenig das Unternehmen für den Betrieb eines Atomkraftwerks geeignet
sei.
Die Landtagsfraktionen von CDU und FDP nahmen die Atomaufsicht des
Justizministeriums gegen Kritik aus der Opposition in Schutz. Diese habe
„umsichtig und unverzüglich gehandelt und transparent informiert“,
erklärten die Energiepolitiker Oliver Kumbartzky (FDP) und Jens-Christian
Magnussen (CDU). Der Ausbau von Schacht Konrad als Lager für schwach-
und mittelradioaktive Stoffe müsse vorangetrieben und die Suche nach
einem Endlager für hochradioaktive Abfälle dringend beschleunigt werden.
„Jedem Imbissbudenbesitzer, der sein Frittieröl nicht ordnungsgemäß
lagert, droht der Entzug der Betriebsgenehmigung“, kritisierte Lars
Harms vom SSW. „Wenn ein AKW-Betreiber seine
Atommüllfässer vergammeln lässt, dann muss er aufräumen und darf dann
weiter machen wie bisher.“ Der Ausstieg aus der Atomenergie müsse zügig
und restlos geschehen, forderte Linke-Fraktionschefin Antje Jansen.
Vattenfall erklärte, „die verspätete Information an die
Aufsichtsbehörde ist nicht akzeptabel und wird unternehmensintern
analysiert und aufgearbeitet.“ Die Sicherheit für Mitarbeiter und Umwelt
sei jederzeit gewährleistet gewesen. Der Vorgang sei dem
Justizministerium in Kiel als zuständiger Aufsichtsbehörde am 11. Januar
mitgeteilt worden.
Nach Angaben des Justizministeriums hatte der TÜV Nord das verrostete
Fass am 10. Januar bei einer Kontrolle von Dokumenten entdeckt und
daraufhin das Ministerium informiert.
Robin Wood warf Vattenfall gefährliche Schlamperei im Umgang mit
Atommüll vor. Es zeige sich, dass selbst grundlegende technische
Probleme bei der Lagerung von Atommüll nicht beherrscht werden könnten.
Zudem bleibe der Konzern seiner Linie der Geheimhaltung und Vertuschung
treu.