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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden
"Spurensuche
nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung "Systemkritik: Deutsche
Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/
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Gast
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Erstellt: 21.04.07, 04:46 Betreff: Re: Dokumentation über die Abläufe und Zusammenhänge im Todesfall Kevin K. |
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8 TEIL 2 AUSWERTUNG DER AKTEN DES AMTES FÜR SOZIALE DIENSTE 1. Abschnitt: Aus der Akte des Amtes für Soziale Dienste Bremen, Abteilung 450-SZ- 04/21-4, Aktenzeichen 450-SZ-04/21 - 4, Kevin K. Die mir in Kopie übergebene Akte des Amtes für Soziale Dienste Bremen, Abteilung 450-SZ- 04/21-4, Aktenzeichen 450-SZ-04/21 - 4, (Sozialzentrum Gröpelingen / Walle) betreffend Kevin K., geboren am 23. Januar 2004, besteht aus zwei Bänden. Band 1 ist teilweise blattiert bis Blatt 168, danach nicht mehr. Insgesamt umfasst der Band 221 Blatt. Band 2 ist nicht blattiert; er umfasst 93 Seiten. Geburt, Aufenthalt im Klinikum Nord Kevin kam am 23. Januar 2004 durch Kaiserschnitt zur Welt. Es handelte sich um eine Frühgeburt nach der 36. Schwangerschaftswoche. Das Kind war in einem bedenklichen allgemeinen Zustand. Es litt unter Entzugserscheinungen. Es musste intensivmedizinisch betreut werden. Lange wurde es künstlich beatmet. Erst nach einem Aufenthalt von 47 Tagen wurde das Kind am 9. März 2004 zu seinen Eltern entlassen. Die Akten enthalten folgende Feststellungen: Die Mutter war seit „etwa 9 Jahren mit einigen Unterbrechungen und Pausen im Rahmen von Substitutionsbegleitung“ Klientin des Vereins Ani Avati, Verein für Suchttherapie e. V.5 Sie war HIV-positiv und litt an Hepatitis C. Der Vater nahm, betreut von einem Arzt für Allgemeinmedizin in Bremen (im folgenden als der Methadon vergebende Arzt bezeichnet), am Methadon-Programm teil. Schon vor der Geburt war eine Familien-Hebamme des Gesundheitsamts Bremen in die Vorbereitungen der Familie auf die Niederkunft eingeschaltet. Nach der Entlassung des Kindes aus der Klinik trat sie nicht mehr in Erscheinung. Hilfsmaßnahmen nach der Geburt Die Akte des Amtes für Soziale Dienste beginnt mit dem 23. Januar 2005. 6 Der Sachbearbeiter vermerkte unter diesem Datum eine Mitteilung einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes im Klinikum Nord. Er notierte u. a. den Namen der Mutter und des Vaters und fügt hinzu, beide seien „drogenabhängig Pola 14 ml“. Er vermerkte ferner den Namen des Methadon vergebenden Arztes. Er hielt die Adresse der Eltern und den Namen der Familien-Hebamme vom Gesundheitsamt Horner Straße fest und die Namen von Mitarbeitern der Organisationen Schritt für Schritt und Ani Avati Verein für Suchttherapie e.V. sowie die Adresse der AOK. Bis zu dieser Mitteilung hat der Sachbearbeiter die Eltern offenbar nicht gekannt.7 Sie sind wohl erst während der Schwangerschaft in den Bezirk gezogen, für den der Sachbearbeiter innerhalb des Sozialzentrums Gröpelingen / Oslebshausen zuständig war.8 Der Sachbearbeiter war vom Sozialdienst des Klinikums Bremen – Nord benachrichtigt worden, da die Mutter aufgrund eines Drogenmissbrauchs im Methadon – Substitutionsprogramm betreut wurde. Gleiches traf auf den Vater zu. 9 5 Schreiben Ani Avati vom 23.02.2004, Bl. 4 6 Bl.1 7 vgl. Schreiben des Sachbearbeiters an den Vater vom 4.5.2005, Bl. 9 8 Bl.4, Bericht von Ani Avati 9 Bl.42 9 Die Besprechung im Klinikum Bremen – Nord am 05. Februar 2004 Am 05. Februar 2004 gab es ein „Treffen im Klinikum - Nord“.10 Anwesend waren die Eltern, ein Oberarzt, eine Krankenschwester, die Mitarbeiterin des Sozialdienstes der Klinik, die Familien- Hebamme, ein Vertreter von Ani Avati Verein für Suchttherapie e. V. und eine Mitarbeiterin vom AK Kommunale Drogenpolitik (im Protokoll von der Hand des Sachbearbeiters wird sie aufgeführt als Mitarbeiterin der Drogenhilfe Tivoli). Der Sachbearbeiter vermerkte in der Akte, das Kind werde nicht mehr künstlich beatmet, es gehe ihm aber nicht gut. Es werde noch einige Wochen in der Klinik bleiben. Die Zukunft sei ungewiss. Zwei Frage stellen sich: Können die Eltern das Kind versorgen und erziehen und notfalls welche ambulanten Hilfen gebe es ? Die Klinik stehe „der momentanen Situation sehr kritisch gegenüber“. Die weitere Besprechung im Klinikum Bremen – Nord am 19. Februar 2004 Eine weitere Besprechung fand am 19. Februar 200411 statt: Der Kreis der Teilnehmer ergibt sich aus der Gesprächsnotiz des Sachbearbeiters nicht. Kevin werde in 14 Tagen entlassen. Die Mutter habe in NRW eine Schwester, die „vielleicht den Säugling „vorübergehend“ nehmen könnte“, das „Kind müsste dann „zwischendurch“ in eine Übergangspflegestelle“. Erwähnt wird eine „Entgiftungskur für die gesamte Familie … eventuell an der Ostsee“. Im weiteren spielte die Variante „Schwester in NRW“ keine Rolle mehr. Dagegen ergibt sich aus einem Vermerk des Sachbearbeiters über eine weitere Besprechung im Klinikum Nord vom 26. Februar 200412, die Eltern könnten „zur Entgiftung in eine Klinik nach Heiligenhafen“. Anwesend waren neben dem Sachbearbeiter die Eltern, die Mitarbeiterin des Sozialdienstes, ein Oberarzt, der Methadon vergebende Arzt des Vaters sowie ein Rechtsanwalt, der als Strafverteidiger bekannt ist und offenbar auch schon den Vater verteidigt hat (in der Hauptverhandlung gegen den Vater vor dem Amtsgericht Bremen am 14. Juni 2005 wird er als Verteidiger auftreten). Der Grund für die Anwesenheit der beiden zuletzt genannten Herren ergibt sich aus der Akte nicht. Die Familien-Hebamme nahm nicht mehr teil. Der Arzt und der Rechtsanwalt unterstützten das Vorhaben, die Eltern in Heiligenhafen „runterzudosieren“. Die Position der Klinik wird von dem Sachbearbeiter so beschrieben: „ Entgiftung in Heiligenhafen wird befürwortet, die momentane Versorgung des Kindes durch Frau K. habe sich verbessert, sie sei aber noch nicht „total gewährleistet“, die Mutter sei schläfrig und „nicht konstant in der Versorgung, eine alleinige Versorgung des Kindes“ durch sie sei „noch nicht möglich.“ Der Vater habe wegen Auseinandersetzungen auf der Station Hausverbot erhalten. Der Vertreter des Vereins Ani Avati konnte an dem Treffen vom 26. Februar 2004 nicht teilnehmen. Er ließ den Anwesenden aber ein – zu den Akten gelangtes 13 - Schreiben zugehen. Auch er plädierte für eine Entgiftung in Heiligenhafen „weil dort auch ein Aufenthalt mit dem Kind möglich ist. Ein gewisses Maß an Unterstützung und Kontrolle wäre da auch im Hinblick auf die Versorgung des Babys gegeben.“ Nach einer Entgiftung „mit entsprechend niedrigerer Dosis Polamidon ist davon auszugehen, dass die Eltern den Aufgaben der Versorgung des Kindes eher gewachsen sind und mit entsprechender Unterstützung dem Kind gerecht werden können.“ Er stelle sich als Unterstützung vor einmal pro Woche Besuch der Familien-Hebamme, zwei Mal pro Woche Kontakt durch Schritt für Schritt oder Mobile, einmal pro Woche Beratungsgespräch bei Ani Avati, einmal pro Woche Gespräch beim substituierenden Arzt.“ Zweimal im Monat sollten in dessen Praxis Urinkontrollen stattfinden, „um die Beigebrauchsfreiheit zu unterstützen und 10 Bl.2 11 Bl.3 12 Bl.6 13 Bl.4/5 10 zu stärken.“ Ferner sollten „in der ersten Zeit quartalsweise Hilfekonferenzen stattfinden mit den Institutionen, zu denen die Eltern Kontakt haben, um weiteren Hilfebedarf rechtzeitig mitzubekommen und Schritte einleiten zu können“. Dieses Bündel von Maßnahmen reiche „zunächst“ aus, „um die Eltern so zu stützen, dass sie der Aufgabe gerecht werden können. Kevin wurde am 9. März 2004 aus der Klinik entlassen. Die Entgiftung in Heiligenhafen Wer den Aufenthalt zur Entgiftung in Heiligenhafen initiiert, organisiert und finanziert hat, ergibt sich aus der Akte nicht. In ihr ist lediglich die Mitteilung der Mitarbeiterin des Sozialdienstes des Klinikums Nord vom 5. März 2004 an den Sachbearbeiter dokumentiert, die Mutter fahre am 9. März 2004 mit dem Kind nach Heiligenhafen; der Vater befinde sich seit einigen Tagen wegen einer sehr ernsten Erkrankung der Bauchspeicheldrüse im Diako.14 Tatsächlich hielt sich die Familie von einem in der Akte nicht dokumentierten Tag an bis zum 10. April 2004 in der Klinik in Heiligenhafen auf. Dies freilich ergibt sich aus der Behördenakte an zeitrichtiger Stelle nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Amt für Soziale Dienste sich auf die Rückkehr der Mutter und des Kindes (und des Vaters) in ihre Wohnung vorbereitet hätte. Vorbereitungen zu Hilfsmaßnahmen – etwa im Sinne der Überlegungen, wie sie in dem Schreiben von Ani Avati vom 23. Februar 2004 an die Teilnehmer der Konferenz vom 26. Februar 2004 niedergelegt sind - sind nicht erkennbar. In der Akte findet sich kein Hinweis auf das Resultat der Entgiftungskur. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass der Vater während des Aufenthalts in Heiligenhafen am 13. April 2004 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Ausweislich seines Strafregisterauszugs ist er deswegen vom Amtsgericht Oldenburg in Holstein am 25. Juli 2005 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Das Amt bietet der Familie Hilfe an, die Familie lehnt ab Eine Aktivität des Sachbearbeiters ist wieder dokumentiert unter dem 03. Mai 2004.15 Der Methadon vergebende Arzt teilte dem Sachbearbeiter telefonisch mit, die Familie brauche „wohl ein wenig Hilfe“. Noch am gleichen Tag bat der Sachbearbeiter die Mitarbeiterin des Sozialdienstes Klinikum Nord telefonisch, sie möge ihm „einen Bericht zuschicken, da (er) keinerlei schriftliche Unterlagen über Familie K./Kk. besitze.“ Unter dem 04. Mai 2004 schrieb er den Eltern, brachte sich ihnen in Erinnerung als „der Sozialpädagoge des Jugendamtes, der u.a. an den Sitzungen im Klinikum Nord teilgenommen hat“, teilte ihnen seine Telefonnummer mit und lud sie ein, sich mit ihren Fragen an ihn zu wenden. Noch vor Erhalt dieses Schreibens rief der Vater bei dem Sachbearbeiter an und ließ ihn – wie dieser vermerkt „in vorwurfsvollem Ton“ - 16 wissen, der Mutter, ihm und Kevin gehe es gut. Wörtlich notierte der Sachbearbeiter: „Sie bräuchten keine17 Hilfe. Wohl sei man bestrebt, schleunigst eine andere Wohnung zu beziehen, da die Nachbarschaft unmöglich sei.“ Unter dem 06. Mai 2004 teilte der Sachbearbeiter dem Methadon vergebenden Arzt den Inhalt des Gesprächs mit.18. Bis zum 28. Mai 2005 war der Bericht der Mitarbeiterin des Sozialdienstes Klinikum Nord, den der Sachbearbeiter am 03. Mai 2004 erbeten hatte, noch nicht eingegangen. Am 28. Mai 2004, (Telefonnotiz des Sachbearbeiters von 9 Uhr 30) erklärte sie ihm, wegen hoher Arbeitsbelastung 14 Bl.7 15 Bl.8 16 Bl.10 17 Hervorhebung im Original 18 Bl.11 11 habe sie einen Bericht für das Amt noch nicht fertigen können, werde dies aber umgehend nachholen. Ansonsten rate sie, bei Familie K./Kk. „eine Familien-Hebamme einzusetzen.“19 Noch am gleichen Tag schrieb der Sachbearbeiter dem Methadon vergebenden Arzt: Wie bekannt, lehnten die Eltern Hilfen gleich welcher Art ab. In den Gesprächen vom Februar im Klinikum Nord sei auch der Einsatz einer Familien-Hebamme diskutiert worden. Vielleicht habe der Arzt als „Person, welche bereits über einen längeren Zeitraum mit der Familie arbeitet, die Möglichkeit, Frau K. und Herrn Kk. nochmals dieses Angebot zu machen.“20 Eine Reaktion des Arztes ist in der Akte nicht dokumentiert. Eine Familien-Hebamme ist im weiteren nicht tätig geworden. Wie in Teil 3 dieses Berichts noch zu zeigen sein wird, haben die Eltern in der Besprechung im Klinikum Bremen – Nord vom 05. Februar 2004 den weiteren Einsatz der Familien-Hebamme des Gesundheitsamts Horner Strasse offenbar ausdrücklich abgelehnt, da sie sich von ihr kontrolliert fühlten. Der Sachbearbeiter hat dem Verzicht auf die Familien- Hebamme damals nicht widersprochen. Tatsächlich war die Familien-Hebamme seitdem nicht mehr tätig gewesen. Der Bericht des Klinikums Bremen-Nord vom 28. Mai 2004 Am gleichen 28. Mai 2004, 10. Uhr 18 sandte die Mitarbeiterin des Sozialdienstes Klinikum Nord dem Sachbearbeiter – offenbar in Reaktion auf dessen Wunsch nach einem Bericht vom 03. Mai 2004 – eine Kopie eines vom gleichen Tag datierten Berichts des Klinikums Bremen Nord – Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – über das Kind Kevin.21 Originärer Adressat des Berichts war eine Arztpraxis in 23774 Heiligenhafen. Dabei handelt es sich um die Anschrift der Klinik, in der die Entgiftung der Familie unternommen worden war. Der Bericht äußert sich naturgemäß zu medizinischen Fragen. Allerdings heißt es unter dem Gliederungspunkt „Soziale und Versorgungssituation“: „Von kinderärztlicher Seite bestehen deutliche Bedenken in der Versorgung des Kindes durch die Mutter. Bei intensiven Versuchen, die Mutter in die Versorgung des Kindes mit einzubeziehen, besserte sich das Verhalten der Versorgung während des stationären Aufenthaltes. Jedoch kam es gerade in der Nacht zu deutlichen Versorgungsproblemen und Überforderung der Mutter, so dass das Kind nach wenigen Stunden bereits wieder zu uns auf die Intensivstation zurückgebracht wurde. Ebenfalls ist sie in der Versorgung des Kindes sehr langsam. Der Kontakt zu dem leiblichen Vater, Herrn Kk. war stark beeinträchtigt. Es kam während des stationären Aufenthaltes zu rezidiverenden 22körperlichen Androhungen, Beschimpfungen. Wir sehen jetzt dies als einmaligen Versuch, den Eltern die Betreuung des Kindes zu überlassen; falls die Probleme weiter auffällig bzw. zunehmend sind, erwägen wir, das Kind von der Betreuung der Eltern zu entfernen.“23 Die ausgewertete Akte ergibt keine Reaktion des Amtes für Soziale Dienste auf diesen Bericht. Vom 28. Mai 2004 bis zum 03. August 2004 ist weiter kein Dokument zur Akte gelangt. Der polizeiliche Notlagenbericht vom 03. August 2004 Von diesem 03. August 2004 datiert eine „Mitteilung über eine im Rahmen des Polizeidienstes bekannt gewordene erhebliche soziale Notlage (§§ 14a, 36 f Abs. 1 BremPolG)“ der Polizeiwa- 19 Bl.12 20 Bl.13 21 Bl.15 ff. 22 Gemeint ist: wiederkehrenden 23 Bl.17 12 che Stephanitor an das Amt. 24 Darin wird über einen Polizeieinsatz wegen „Gefährdung / Vernachlässigung / Misshandlung eines Kindes“ 25 berichtet. Zeugen hatten nach dem Bericht gegen 22 Uhr die Polizei alarmiert, weil die Mutter, offenbar unter Drogen stehend, in der Ritterhuder Strasse ihr Kind misshandele. Sie soll es aus dem Kinderwagen genommen, in die Luft geschleudert und wieder aufgefangen haben. Sie soll das schreiende Kind mit der flachen Hand auf das Auge gehauen haben. Gegenüber den Polizeibeamten habe die Mutter die Vorwürfe bestritten. Im Gesicht konnten die Beamten Verletzungen, Hämatome oder Errötungen der Augen nicht feststellen. Sie nahmen in der Atemluft der Mutter Alkohol wahr und boten ihr einen freiwilligen Pupillenreaktionstest und einen Atemalkohol-Test an. Die Pupillen reagierten normal, der AAK-Test ergab einen Wert von 0,93 mg/l. Die Mutter sei, so schließt der Bericht, „bereits öfters wegen BtM-Konsums auffällig geworden. Es erscheint zweifelhaft, ob die Frau K. in der Lage ist, bei ihrem Kind eine sozialadäquate Erziehung zu gewährleisten, wenn sie Abends gegen 22 Uhr mit ihrem Säugling betrunken durch die Strassen spaziert.“ Reaktion des Amtes auf den Notlagenbericht Der Sachbearbeiter reagierte auf diese Mitteilung. Am 04. August 2004 schickte er die Meldung der Polizei dem Methadon vergebenden Arzt des Vaters unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 28. Mai 2004.26 Zwar lehne die Mutter vom Amt angebotene Hilfen ab. Gleichwohl stimme ihn die Meldung der Polizei nachdenklich. Vielleicht habe der Arzt die Möglichkeit, diesbezüglich mit der Mutter zu sprechen. Am gleichen Tag schrieb der Sachbearbeiter der Mutter27. Der letzte Satz der Meldung der Polizei – der oben zitiert wurde – mache ihn „sehr nachdenklich … Ich biete Ihnen nochmals Hilfe an, falls Sie diese benötigen.“ Eine Reaktion des Methadon vergebenden Arztes ist nicht aktenkundig. Dagegen erschienen die Eltern am 17. August 2004 im Sozialzentrum Gröpelingen und nahmen Stellung zu dem Vorfall vom 03. August 2004. Beide erklärten ausweislich der Notiz des Sachbearbeiters, „dass es ihnen gut ginge und sie keinerlei Hilfe benötigten.“ Mit beiden wurde vereinbart, dass der Sachbearbeiter sie in absehbarer Zeit besuchen werde.28 Der Hausbesuch des Amtes vom 08. Oktober 2004 Einen solchen Besuch hat der Sachbearbeiter erst am 08. Oktober 2004 gemacht.29 Dabei traf er nur den Vater an. Seinem Vermerk von diesem Tag ist zu entnehmen: Der Vater teilte mit, die Mutter und das Kind seien seit dem 27. September 2004 in der Professor – Hess - Kinderklinik. Der Grund sei: „Verdacht auf Frakturen beim Kind Kevin (Bein und Rippen)“.30 Die Beinverletzung führt der Vater „ auf das Kinderbett zurück, wo Kevin angeblich einmal mit dem Bein zwischen den Sprossen hängen geblieben ist. Die Rippenverletzung könnte durch die Nachbarin Frau X entstanden sein, die im angetrunkenen Zustand Kevin auf dem Arm haltend zu sehr gedrückt hat. Kevin habe damals (vor ca. drei Wochen) auch laut geweint.“ Er oder die Mutter „würden ihrem Kind niemals Leid zufügen.“ Bei dem Besuch in der Wohnung der Eltern kann der Sachbearbeiter „sich von einer gut aufgeräumten, nett eingerichteten Wohnung überzeugen. Auch das Kinderzimmer war liebevoll eingerichtet und im Badezimmer befanden sich frisch gewaschene Stofftiere, die dort zum Trocknen auslagen.“ 24 Bl.19 25 Bl.19 26 Bl.21 27 Bl.22 28 Bl.23 29 Bl.24 30 Bl.24 13 Kevin in der Professor – Hess - Kinderklinik Tatsächlich war Kevin am 27. September 2004 auf Betreiben des Kinderarztes der Familie in die Professor – Hess - Kinderklinik mit der Verdachtsdiagnose „Knochenbrüche“ gebracht worden. Er blieb dort bis 14. Oktober 2004. Am 11. Oktober 2004 telefonierte der Sachbearbeiter mit der Stationsärztin der Professor - Hess-Kinderklinik31, die ihm mitteilte, bei Kevin sei eine Schädel- und Rippenfraktur älteren Datums festgestellt worden. Wer die Frakturen verursacht habe, könne sie nicht sagen. Die Mutter habe sich „ihrem Kind und dem Personal gegenüber vorbildlich verhalten“. Sie würden demnächst entlassen. „Eine ambulante Hilfe sei jedoch angezeigt (auch im krankengymnastischen Bereich).“ Der Sachbearbeiter erklärte, er wolle sich um entsprechende Hilfen bemühen. Am gleichen Tag hielt der Sachbearbeiter den Inhalt eines Telefonats mit dem Vater fest: Der Vater „bemüht sich um einen Einsatz der „Frühen Hilfen“. Er, der Sachbearbeiter, habe die aufsuchende Familienberatung informiert, die den Fall beraten und zurückrufen wolle. Der Einsatz einer Familien-Hebamme müsse überlegt werden. Eine In-Obhutnahme des Kindes wurde nicht in Erwägung gezogen. Wie noch dargestellt werden wird, hat der Vater durch Vermittlung der Frühen Hilfen tatsächlich einen Antrag auf die Gewährung solcher Hilfen gestellt. Zum Einsatz einer Familien-Hebamme kam es im weiteren nicht. Die Diagnose der Professor – Hess – Kinderklinik vom 14. Oktober 2004 Unter dem Datum 14. Oktober 2004 erstellte die Klinik einen Bericht über den Aufenthalt von Kevin in der Klinik32. Adressat war der Kinderarzt der Familie. Dieser Bericht ging auch an den Sachbearbeiter33. Der Bericht ergibt, dass das Kind Kevin zunächst bei dem Kinderarzt der Familie vorgestellt worden war, wegen einer Schwellung am rechten Unterschenkel (S.1). Eingangs gibt der Bericht vier Diagnosen. Darunter sind folgende: „Multiple traumatische Frakturen. Kindesmisshandlung. Entwicklungsstörung.“ Der Bericht stellt den Zustand des Kindes dar. Im Zusammenhang mit den diagnostizierten Knochenbrüchen schildert er eine „ungefähr 3 Wochen alte distale Unterschenkelfraktur beidseitig (Tibia und Fibula)“, „Rippenfrakturen (9. und 10. Rippe) älteren Datums“, „komplette distale Unterarmfraktur älteren Datums“, „Kalottenfraktur mit mehreren Frakturen occipital und links parietal sowie parieto-occipital“ (alle S. 3). Der Bericht diskutiert mögliche krankheitsbedingte Ursachen für die Knochenbrüche, kommt aber zu dem Schluss, „insbesondere die Frakturen am Schädelknochen und im Bereich der Rippen sind medizinisch betrachtet traumatisch anzusehen“ (S.5).34 Zu den diagnostizierten Entwicklungsstörungen stellt der Bericht eine „deutliche occipitale Liegeglatze“ fest.35 Der Bericht bescheinigt dem damals ca. acht Monate alten Kind einen „Entwicklungsstand der motorischen Leistungen entsprechend dem 3. bis 4. Lebensmonat, allenfalls Augen- und Handmotorik etwas altersentsprechender.“ (S. 4). 31 Bl.25 32 Bl.30-34 33 Bl.34 a.E. 34 Das bedeutet, sie sind nach Auffassung der Klinik durch stumpfe Gewalteinwirkung entstanden. 35 Darin liegt ein Hinweis darauf, dass das Kind Kevin längere Zeit überwiegend auf dem Rücken gelegen haben muss. 14 Der Bericht erinnert daran, dass Kevin nach der Geburt trotz „Bedenken über die Qualität der Versorgung des Kindes durch die Mutter“ ... “in die Obhut der Eltern gegeben worden“ sei (S.1 / 2). Die Familie werde im Amt für Soziale Dienste bei dem Sachbearbeiter betreut. In der Klinik habe sich die Mutter „sehr zugewandt und vorsichtig liebevoll im Umgang“ gezeigt (S.5). Offenbar hat es in der Klinik Überlegungen gegeben, das Kind nicht mehr zu den Eltern zu geben. Dazu heißt es: „In Absprache mit den beteiligten Institutionen, insbesondere (dem Sachbearbeiter) vom Amt für Soziale Dienste, wird es zunächst keinen Antrag auf Fremdunterbringung geben. Es wird eine Familien-Hebamme bzw. eine aufsuchende Familienberatung eingesetzt und Kevin erhält bei entsprechender statomotorischer Entwicklungsverzögerung zusätzlich Frühförderung (Frühe Hilfen)“. (S.5). Es folgen Empfehlungen für die weitere medizinische Betreuung des Kindes in der Klinik und durch den Hausarzt. Kevin wird am 14. Oktober 2004 entlassen. Die Reaktion des Amtes Wie berichtet, hatte der Sachbearbeiter sich schon am 11. Oktober 2004 – noch vor Eingang des Berichts, aber vermutlich schon in Umsetzung des Gesprächs mit der Stationsärztin vom gleichen Tag - um die Vermittlung von „Frühen Hilfen“, um den Einsatz aufsuchender Familienberatung bemüht und erwogen, eine Familien-Hebamme einzusetzen. 36 Letzteres scheiterte, wie der Sachbearbeiter unter dem 14. Oktober 2004 vermerkte, an fehlenden Kapazitäten.37 Zum Einsatz der „Aufsuchenden Familienberatung“ kam es nicht, da der Vater dem Sachbearbeiter am 19. Oktober 2004 telefonisch mitteilte, davon wolle er „zunächst absehen.“38 Dagegen kam am 28. Oktober 2004 ein Termin mit den Frühen Hilfen - auch durch Einsatz des Sachbearbeiters 39 - zustande. Ausweislich eines Kurzvermerks vom 01. November 200440 notierte er den Inhalt einer Mitteilung des Vaters über den Besuch eines Mitarbeiters der Frühen Hilfen bei der Familie: Der Besucher „war mit der Gesamtsituation zufrieden.“ Der Einsatz beginne in ca. sechs Wochen. Ferner erklärte der Vater, man werde „wöchentlich mit dem Jungen in der Klinik vorstellig … (Blutüberprüfungen / evtl. Nierenschäden)“. Die Ärztin der Klinik werde mit dem Kinderarzt der Familie Kontakt aufnehmen. 23. November 2004: Strafanzeige gegen die Mutter wegen Verletzung der Fürsorgepflicht, Aufnahme Kevins im Hermann-Hildebrand-Haus Am 23. November 2004 erstattete die Polizei Bremen – Polizeirevier Gröpelingen – Strafanzeige41 gegen die Mutter wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. Die Polizei war in das Haus der Eltern gerufen worden, wo sie die Mutter alkoholisiert und unter Drogen stehend schlafend im Hausflur vorfand; das Kind lag neben ihr bäuchlings auf dem Boden und weinte sehr laut. Es habe eine rote Stelle an der Stirn sowie auf der rechten Wange gehabt. Die Mutter habe das Kind vermutlich auf den Boden fallen lassen, als sie einschlief. Die Polizei brachte das Kind zunächst ins Diako. Es sei bei der Einlieferung schmutzig gewesen und habe für die Witterungsbedingungen zu dünne Kleidung angehabt. Danach sei das Kind in das Hermann – Hildebrand – Haus gebracht, die Mutter in Gewahrsam genommen worden. Aufgrund dieser Strafanzeige leitete die Staatsanwaltschaft Bremen unter dem Aktenzeichen 406 Js 1053/05 ein Ermittlungsverfahren gegen die Mutter wegen Verletzung der Fürsorgepflicht 36 Bl.25 37 Bl.25 38 Bl.28 39 Bl.27 40 Bl.29 41 Bl.38 15 und fahrlässiger Körperverletzung ein. 42 Auf dieses Verfahren wird noch zurück zu kommen sein. Die Kosten für die Notaufnahme Kevins im Hildebrand – Haus für die Zeit vom 24. bis 29. November 2004 übernahm das Amt für Soziale Dienste, Sozialzentrum Walle / Findorff, Sozialdienst Wirtschaftliche Hilfen. Der Tagessatz betrug 175,37 Euro43 Die Eltern wollen Kevin zurück haben Die Eltern wandten sich sofort nach dem Vorfall vom 23. November 2004 an den Methadon vergebenden Arzt, der sich seinerseits am 24. November 200444 an das Amt für Soziale Dienste wandte und mitteilte, die Eltern wollen „das Kind zurück holen.“ In der Gesprächsnotiz des Amtes heißt es: „(Der Arzt) sieht keinen Grund, das Kind den Eltern vorzuenthalten (es gibt viele alkoholisierte Mütter).“ In Abwesenheit des Sachbearbeiters trafen andere Mitarbeiter des Jugendamtes mit Mitarbeitern des Hildebrand – Hauses die Absprache, das Kind nicht an die Mutter herauszugeben. Am 25. November 2004 gegen 7 Uhr 15 erschienen die Eltern in Begleitung des Methadon vergebenden Arztes im Sozialzentrum Gröpelingen. Im Zusammenhang mit der Mitwirkung des Arztes fällt auf: In der Akte befindet sich ein – handschriftlich auf den 25. November 2004 datiertes – „Ärztliches Attest“45 von diesem Arzt, das dem Vater von Kevin bescheinigt, er sei „regelmäßig (d. h. 1 – 2 x pro Woche) in unserer ärztlichen Behandlung. Er hat keinen Beigebrauch und ist in der Lage, sich verantwortlich um sein Kind zu kümmern. “ Ausweislich der Fax – Leiste ging dieses Attest, von dem Arzt abgeschickt, am 25. November 2004, 12 Uhr 38 beim Amt für Soziale Dienste ein, wo es in die Akte gelangte. Wozu es diente, wer es eventuell angefordert hat, ergibt sich nicht. Dass es dazu gedient haben könnte, die Herausgabe des bekanntlich im Hildebrand – Haus befindlichen Kevin an seine Eltern zu fördern, erscheint freilich plausibel. Die Mutter weinte und bereute. Sie wurde ausweislich eines Schreibens des Amtes an das Polizeirevier Gröpelingen vom 02. Dezember 200446 „über ihr nicht zu entschuldigendes Fehlverhalten aufgeklärt. Mit entsprechenden Konsequenzen müsse gerechnet werden.“ Der Vater würde „das Fehlverhalten“ der Mutter „natürlich ebenfalls verurteilen“. Nach kollegialer Beratung sei den Eltern mitgeteilt worden, falls sie damit einverstanden wären, würde ein sechswöchiger FiM – Einsatz (Familie im Mittelpunkt, eine ambulante Maßnahme eines freien Trägers, hier: der Hans-Wendt-Stiftung) installiert werden. „In diesem Zusammenhang“ würde dann das Kind am 29. November 2004 aus dem Hildebrand – Haus in die Familie zurückgeführt. Die Eltern erklärten sich mit diesem Vorschlag einverstanden. Weiter heißt es in dem Schreiben an das Polizeirevier, die im FiM – Einsatz tätigen Mitarbeiter hätten die Arbeit am 26. November 2004 begonnen, die Eltern seien sehr kooperativ, die weitere Entwicklung „bleibt abzuwarten.“47 In den Akten befindet sich das Kurzprotokoll – Datum: 30. November 2004 einer Wochenkonferenz des Amtes. Die Teilnehmer sind daraus nicht ersichtlich. Diskutiert wird über Sinn und Notwendigkeit eines FiM –Einsatzes. Ergebnis: die Installation eines FiM – Einsatzes ab 26. November 2004. Dieser soll voraussichtlich sechs Wochen dauern. 48 42 Bl.78 43 Bl.50 44 Bl.35 45 Bl.40 46 Bl.42 47 Bl.43 48 Bl.39
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