Beitrag 592 von 830 (71%) | Anfang zurück weiter Ende |
|
Hallo Sylvia!
Du bist am Anfang schon ziemlich hart rübergekommen. Nach diesem Posting finde ich Deine Einstellung schon viel sympathischer.
Ratschläge kann ich keine geben, dazu kenn ich Eure Situation viel zu wenig. Aber ich kann aus meiner eigenen Situation plaudern und vielleicht entdeckst Du Ähnlichkeiten und kannst daraus etwas mitnehmen.
Meine Stieftochter ist auch 6 Jahre alt, mein Stiefsohn ist 13. Der Vater wurde von der Mutter vor 6 Jahren verlassen, da war meine Stieftochter ein paar Monate alt. Ich kenne die Kinder seit drei Jahren. Am Anfang meiner Beziehung zu meinem jetztigen Mann war ich eigentlich nur eine Zuschauerin, wenn die Kinder da waren. Ich hab mich immer komplett aus allem herausgehalten. Irgentwann wurde ich unzufrieden mit der Situation und es gab auch viel Streit zwischen meinem Mann und mir. Es hat eine Weile gedauert, bis ich meine "Rolle" gefunden habe. Ich habe mich nach und nach mehr eingemischt. Nach und nach ist auch die Bindung zu den Kindern gewachsen, so daß ich mir quasi eine "natürliche Authorität" erarbeitet habe. Trotzdem bin ich vorsichtig geblieben. Eigentlich mische ich mich nur in die Erziehung ein, wenn mich die Dinge selbst betreffen. Wenn die Kinder zu laut sind, und ich mich gestört fühle, dann sage ich schonmal, sie sollen leiser sein. Regeln aufstellen und durchsetzen (wie zum Beispiel wie lange Fernsehn geschaut wird), das ist Part von meinem Mann. Das Schlafzimmer ist gleichzeitig mein Arbeits- und Rückzugszimmer. Wenn es mir zuviel wird ziehe ich mich dahin zurück und es gilt auch die Regel, daß ich darin nicht unbedingt gestört werden möchte. Das wird weitestgehend akzeptiert. Ich "übergebe" auch manchmal an meinen Mann. "Deine väterliche Authorität ist gefragt" ist halb scherzhaft, halb ernst gemeint, wenn zum Beispiel im Kinderzimmer mal wieder Chaos ausgebrochen ist und niemand meint dieses Chaos beseitigen zu wollen.
Ich verbringe gern Zeit mit den Kindern gemeinsam, manchmal mache ich auch etwas mit der Kleinen alleine. Am Sonntag machen wir eigentlich immer etwas alle gemeinsam und seis nur ein kleiner Spaziergang zum Eisladen oder auf den Spielplatz. Aber ich erwarte von meinem Mann, daß er auch Zeit mit seinen Kindern alleine verbringt. Dann treff ich mich mit Freundinnen oder er geht mit den kids ins Kino. Die Kinder haben ihren Papa für sich und ich habe etwas Ruhe.
Die Kleine jammert auch manchmal, daß sie ihre Mama vermißt. Am Anfang hat mir das einen Stich ins Herz gegeben, da ich leider mit der Mutter überhaupt kein gutes Verhältnis habe. Sie deswegen zu schimpfen wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Ich denke vielmehr, daß es ein Ausdruck ist, daß sie traurig ist, einsam, oder müde. Vielleicht braucht sie mehr Aufmerksamkeit oder versucht tatsächlich sich gegen mich zu wehren, weil sie mit irgentwas nicht einverstanden ist. Ich versuche dann herauszufinden, was mit ihr ist und entsprechend zu reagieren. Sie zu trösten wenn sie traurig ist, ihr etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken oder, wenn es ihr wirklich darum geht mit mir zu stänkern, dann laß ich sie in Ruhe. Machtspiele sind nicht meine Sache. Meist gnaddelt sie dann eine Zeit lang herum und kommt irgentwann wieder zu mir und es ist wieder gut.
Wir lassen beide Kinder telefonieren wann sie wollen. Mit der Mutter können sie jedoch oft nicht telefonieren, da diese Schichtdienst hat und wir nicht wissen ob sie vielleicht gerade schläft oder auf Arbeit ist. Eine gute Lösung fand ich, dann ein Bild zu malen und einen Brief zu schreiben. Wir wohnen zwar nicht weit auseinander, aber ich finde die Erfahrung durch einen Brief einem anderen eine Freunde machen zu können eine wichtige Erfahrung für ein Kind.
Die Erziehungsprinzipien von meinem Mann und seiner Ex unterscheiden sich auch manchmal. Manchmal steckt er zurück, in anderen Fällen versuchen wir, vorallem in dem wir selbst andere Werte vorleben, den Kindern einen Gegenpol zu bieten. Bei ihrer Mutter gibt es keine gemeinsamen Mahlzeiten, bei uns schon. Ich habe den Eindruck, daß meine Stiefkinder mit den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten gut klarkommen. Allerdings unterscheiden sich diese nicht so gravierend voneinander und die Kinder sind sehr viel bei uns (zu einem Drittel). Sicherlich wird manchmal "getestet" wie weit man gehn kann. "Bei Mama darf ich aber.... usw". Aber welches Kind macht das nicht? Auch in "intakten" Familien kommt das vor.
Ich bin kein Fan von authoritärer Erziehung. Vermutlich würdest Du mich viel zu lasch finden. Auf der anderen Seite hab ich recht wenig Zoff mit meinen Stiefkindern. Ich empfinde sie auch nicht als ungezogen. Das Wort "ausnahmsweise" benutze ich sehr gerne. Eine 6jährige versteht den Sinn von ausnahmsweise sehr gut, auch wenn jeden zweiten Tag ein ausnahmsweise vorkommt.
Was das Schlafengehn angeht: Meine Stiefkinder gehn erst um halb neun ins Bett. Einschlafen tun sie oft noch später. Sie stehn trotzdem zwischen sechs und sieben wieder auf und sind quietschfidel. Zubettbringen ist auch Sache meines Mannes. Das übernehm ich nur ausnamsweise, wenn er mal abends nicht da ist.
Soweit, Liebe Grüße, Anne