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OLG Stuttgart: Vereinbarung der Eltern über Zahlung von reduziertem Barkindesunterhalt NJW-RR 2007 Heft 3 151
Vereinbarung der Eltern über Zahlung von reduziertem Barkindesunterhalt BGB §§ 1601, 1629 III, 242
Die Mutter als gesetzliche Prozessstandschafterin kann auch dann den vollen Kindesunterhalt für die bei ihr lebenden Kinder einklagen, wenn sie sich mit dem Vater auf einen Teilbetrag (hier: 75 Euro monatlich je Kind) geeinigt und ihn im Innenverhältnis freigestellt hatte. (Leitsatz der Redaktion)
OLG Stuttgart, Beschluß vom 8. 2. 2006 - 18 WF 257/05 Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, die beiden 1998 und 2000 geborenen Töchter leben bei der Ast. in der vormaligen Ehewohnung, die den Parteien gemeinsam gehört. Die Ast. ist Krankenschwester und ist teilschichtig bei einem monatlichen Nettogehalt von ca. 1100 Euro berufstätig. Sie zahlt auf die gemeinsamen Verbindlichkeiten für die Ehewohnung monatlich 375 Euro an den Ag. Die laufenden Unkosten der Wohnung trägt sie alleine. Der Ag. ist selbstständiger Sportlehrer und verdient monatlich ca. 1500 Euro. Er bezahlt auf die Verbindlichkeiten zur Wohnungsfinanzierung monatlich 732,86 Euro. Während der Arbeitszeiten der Ast. betreut der Ag. die gemeinsamen Kinder. Die Parteien haben am 19. 8. 2005 eine privatschriftliche Vereinbarung getroffen, nach welcher der Ag. für die Zeitdauer, in welcher die Ast. die gemeinsame Wohnung bewohnt, Kindesunterhalt lediglich in Höhe von 75 Euro je Kind bezahlt. Hinsichtlich eines weiteren Bedarfs der Kinder stellt die Ast. den Ag. im Innenverhältnis frei. Des Weiteren wurde die Zahlung der Ast. auf die Finanzierungslast der Wohnung vereinbart. Im Verlaufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ließ der Ag. den Kindesunterhalt in Höhe von je 75 Euro pro Kind beim Jugendamt titulieren.
Das FamG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Kindesunterhalt ab September 2005 wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt; im Hinblick auf die Vereinbarung vom 19. 8. 2005 mangle es diesem Teil der beabsichtigten Klage an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Die Beschwerde der Ast. war überwiegend erfolgreich.
Aus den Gründen:
II. Die zwischen den Parteien bestehende Abrede über die Freistellung des Ag. von den Betrag von 75 Euro übersteigenden monatlichen Unterhaltsansprüchen der Kinder gegen den Ag. hindert ein Rechtsschutzbedürfnis der Kinder für eine Klage auf den vollen Regelbetrag nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Freistellungsvereinbarung nichtig ist oder Bestand hat.
Eine zwischen den Eltern getroffene Freistellungsvereinbarung vermag das Rechtsschutzbedürfnis der Kinder an der Verurteilung des freigestellten Elternteils nicht zu hindern, denn von einer solchen Vereinbarung bleibt der Unterhaltsanspruch der Kinder unberührt (BGH, NJW 1986, 1171 = FamRZ 1986, 444). Die Kinder haben ohne Weiteres ein schützenswertes Interesse daran, den ihnen zustehenden Unterhalt tituliert zu bekommen. Sie können diesen Titulierungsanspruch gegen die Mutter nicht geltend machen, denn die Freistellungsvereinbarung der Eltern wirkt nur zwischen diesen. Sollten die Kinder darauf angewiesen werden, ihren Unterhaltsanspruch zu vollstrecken, so benötigen sie einen Titel gegen den Vater. Ihnen kann daher die Klagebefugnis
gegen den Vater nicht mit dem Argument verwehrt werden, die sie gem. § 1629 III BGB in gesetzlicher Prozessstandschaft vertretende Mutter verhalte sich mutwillig, weil sie auf Grund der Freistellungsvereinbarung selbst den Kindern zu Unterhalt verpflichtet sei. Dies gilt um so mehr, als die Ast. zum einen die Wirksamkeit der Freistellungsvereinbarung bestreitet und zum anderen, als fraglich ist, ob die Ast. den restlichen, vom Ag. geschuldeten Kindesunterhalt überhaupt wird leisten können.
Allerdings wird die Leistungsfähigkeit des Kl. nur in Höhe von 100% des Regelbetrags vermutet. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Vater durch eigene Leistungen den Wohnbedarf der Kinder zum Teil deckt, wofür der Senat im Wege der Schätzung jeweils 20 Euro ansetzt. Die Einwendung des Ag., er sei nicht über die vereinbarten 75 Euro pro Kind hinaus leistungsfähig, ist hier nicht vorab im Prozesskostenhilfeverfahren zu prüfen und wird vom FamG auch schon in dem von der dort bewilligten Prozesskostenhilfe gedeckten Verfahren ohnehin geprüft werden.
Anm. d. Schriftltg.:
Zur Prozesskostenhilfe für Kindesunterhalt im Mangelfall s. OLG Frankfurt a.M., NJOZ 2005, 4705. Vgl. zur Barunterhaltspflicht beim Wechselmodell OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, 1155.