Vater drückt Zweijährigen gegen Tür
Als der Vater seinen zweijährigen Sohn hoch nahm und ihn gegen die geschlossene Balkontür drückte, fürchtete die Mutter wohl nach Angaben der Polizei, dass ihr Mann die Kinder verletzen könnte. Die 41-Jährige sei aus Angst um ihre Kinder in den Keller gegangen und habe eine Pistole aus dem Waffenschrank geholt, in dem mehrere Gewehre und Pistolen lagen. Im Wohnzimmer schoss sie mit einer Sportpistole des Kalibers neun Millimeter mehrmals auf den 47-Jährigen. Wie viele Schüsse abgegeben wurden und wo sie den Mann trafen, wollte die Polizei gestern nicht sagen.
Schaal betont: Die Waffen lagen ordnungsgemäß in einem verschlossenen Waffenschrank. Ob die Pistole, wie vorgeschrieben, ungeladen war und deshalb erst mit Patronen geladen werden musste, war der Polizei gestern nicht bekannt. Das Ehepaar war Mitglied in einem Schützenverein, beide waren legal im Besitz von Schusswaffen. Anschließend fuhr die Mutter mit ihren fünf Kindern zu ihren Eltern im benachbarten Stadtteil Stumpenhof. Von dort aus verständigte die Großmutter der Kinder um 11.18 Uhr über Notruf das DRK. Aus der Notrufzentrale ging die Information sofort an die Polizei weiter. Auf dem Boden des Wohnzimmers fanden die Rettungskräfte und die Polizei den Mann tot liegend. Die 41-Jährige wurde dann bei ihren Eltern festgenommen.
Über den Streit, der der Tat voraus ging, schweigt Polizeisprecher Schaal ebenfalls noch. „Das ist noch nicht spruchreif.“ Die aggressiv aufgeladene Situation vom Sonntagvormittag habe jedoch eine längere Vorgeschichte. „Da steht ziemlich viel persönliches Leid im Raum.“ Gestern wurde die Vernehmung vertieft. Die Staatsanwältin beantragte dann Haftbefehl gegen die Frau.
Die fünf Kinder, die den Tod ihres Vaters mit ansehen mussten, sind bei Verwandten untergekommen. Sie werden nach diesen traumatischen Erlebnissen von der Notfallnachsorge betreut. Für die Stadt Plochingen erklärte gestern Bürgermeister Frank Buß: „Unser Mitgefühl haben die fünf Kinder, die das entsetzliche Geschehen miterleben mussten, und die Angehörigen.“ Er prüfe, wie man den Kindern helfen könne.
KOMMENTAR
Unter Verschluss
Von Hans-Joachim Hirrlinger
Der Tod eines 47-Jährigen in Plochingen zeigt, dass Waffenbesitz zuhause solche Taten begünstigt. Die Schwelle von der Absicht bis zum Schuss ist einfach zu kurz, wenn man nur zum Waffenschrank gehen, die Waffe laden und dann schießen kann. Wäre das nicht so und läge die Pistole in der Waffenkammer des Schützenvereins, hätten Schüsse im Affekt keine Chance. Ein ähnlicher Fall hat sich vor etwa zehn Jahren in Denkendorf ereignet. Nun wiederholte sich zumindest der Gang zum Waffenschrank im Keller. Die juristische Bewertung der näheren Umstände obliegt ohnehin dem Staatsanwalt und einem Gericht.Das Bundesinnenministerium hat 2009, als im Nachgang zum Amoklauf von Winnenden und Wendlingen das Waffenrecht verschärft wurde, erklärt: „Die Verpflichtung, Waffen gesichert gegen fremden Zugriff aufzubewahren, wird immer wieder verletzt.“ Wenn das schon für „fremden Zugriff“ wie den des Jugendlichen im Fall Winnenden gilt, um wieviel mehr betrifft es den Griff eines Berechtigten in emotionalen Zwangslagen? Nach Zahlen des Landratsamtes verfügen im Landkreis Esslingen 3500 Menschen zuhause über 18 000 Waffen. Das sind im Durchschnitt mehr als fünf Waffen pro Eigentümer. Berechtigt mit Waffenbesitzkarte sind in der Regel Sportschützen, Jäger und Waffensammler. Das 2009 verschärfte Waffenrecht räumt den Behörden das Recht ein, auch ohne konkreten Verdacht die korrekte Aufbewahrung zuhause zu kontrollieren. Bei bisher über 500 Kontrollen im Landkreis wurden fast drei Viertel beanstandet.Das ist zwar sinnvoll gegen den Missbrauch durch Dritte, geht aber nicht weit genug, wie auch der aktuelle Fall zeigt. Zumindest Faustfeuerwaffen gehören im Verein unter Verschluss. Sie dürfen nicht erreichbar sein, sonst fällt es zu leicht, Konflikte mit der Waffe zu beseitigen.