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Palästinensische Kinder im israelischen Knast

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bjk

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New PostErstellt: 05.10.11, 14:48  Betreff:  Palästinensische Kinder im israelischen Knast  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

gelesen in: http://www.taz.de/Palaestinensiche-Kinder-im-israelischen-Knast-/!79014/



Palästinensische Kinder im israelischen Knast

Steinewerfer vor Gericht


Jeden Freitag Steine: auf Soldaten, Autos, Panzer. Dann kommt der Knast - für bis zu 700 palästinensische Kinder und Jugendliche. Verurteilt wird nach Militärrecht.

von ANJA REUMSCHÜSSEL


RAMALLAH  taz | Mohammed wirft seinen schmächtigen Körper hin und her, das Gesicht verzogen vor Schmerz und Wut. Der Griff des Soldaten sitzt fest, Mohammed kämpft noch einige Sekunden verbissen weiter, dann hat ihm der Soldat den Arm um die Kehle gelegt - Mohammed gibt auf.

Resigniert lässt sich der 14-jährige Palästinenser mit anderen Verhafteten abtransportieren, während Soldaten Tränengas in die Menge schießen. Mohammed war auf einer der Demonstrationen, die im Westjordanland mindestens jeden Freitag nach dem Mittagsgebet stattfinden.

Demonstrationen gegen die israelische Besatzung, die Beschlagnahmung palästinensischer Grundstücke und Häuser durch die israelische Regierung oder - wie in diesem Fall - Demonstrationen gegen die israelische Mauer, die seit 2003 um das Westjordanland gebaut wird.

Mohammed kommt aus dem Städtchen Beit Ummar nördlich von Hebron. Mit seinen 14 Jahren ist er auf den wöchentlichen Demos nicht einmal der Jüngste. Wie die Großen läuft er mit und ruft Parolen. Vielleicht hat er, wie die anderen Jungen, die israelischen Soldaten auch provoziert, sie angegrinst und ihnen irgendetwas zugerufen.

Steine geworfen habe er aber nicht, beteuert Mohammed. Wegen Steinewerfens saß er aber im Gefängnis. Es ist der häufigste Grund für die Verhaftung minderjähriger Palästinenser durch das israelische Militär. Laut einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation BTselem wurden über 830 Kinder und Jugendliche aus den palästinensischen Gebieten seit 2005 verhaftet und angeklagt, Steine auf Israelis geworfen zu haben.

20 Monate Gefängnis

93 Prozent von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen von bis zu 20 Monaten verurteilt. Laut der Kinderrechtsorganisation Defence for Children International (DCI) werden insgesamt rund 700 palästinensische Minderjährige pro Jahr in israelischen Gefängnissen inhaftiert.

Steine werfende Jugendliche sind auf Bildern und Videos rund um den Nahostkonflikt allgegenwärtig. Sie werfen auf Soldaten, Zivilisten, Autos und Panzer. Für viele von ihnen ist es eine Form des politischen Widerstands. Für manche auch nur ein Ventil, um Frust und Aggressionen abzulassen.

Doch Steinewerfen ist keine arabische Erfindung, gerade in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten werfen auch israelische Jugendliche bisweilen Steine auf Palästinenser oder auf israelische Soldaten und Polizisten. Und hier wird das Dilemma deutlich. Zwar werden auch Israelis zur Rechenschaft gezogen, wenn sie Gewalt anwenden, doch die Rechtsprechung sieht anders aus, je nachdem, welchem Volk der junge Steinewerfer angehört.

Erhebliche Unterschiede

"Israelische Kinder sind unsere Nachbarn in den Siedlungen des Westjordanlandes. Wenn sie Steine auf Soldaten werfen, kommen sie vor das Zivilgericht. Wenn palästinensische Kinder an der gleichen Stelle Steine auf die gleichen Soldaten werfen, kommen sie vor das Militärgericht", bringt Iyad Misk, Anwalt bei DCI in Ramallah, das Problem auf den Punkt. Das israelische Zivilgericht hält sich an die UN-Kinderrechtskonvention, die Israel 1991 wie die meisten anderen Staaten der Welt unterzeichnet hat.

Das israelische Militärgericht hält sich jedoch nicht an diese international anerkannten Kinderrechte. Erhebliche Unterschiede in der Behandlung der Gefangenen gehen damit einher. Ein israelischer Jugendlicher vor dem Zivilgericht gilt beispielsweise erst mit 18 Jahren als erwachsen, ein Palästinenser wird vor einem Militärgericht schon mit 16 als Erwachsener verurteilt.

Das Urteil, das dabei über einen palästinensischen Jugendlichen gefällt wird, richtet sich nach dem Alter zum Zeitpunkt der Verurteilung, nicht danach, in welchem Alter er das Verbrechen begangen hat.

"Das ist gegen jedes legale System der Welt", so Iyad Misk. Ein weiterer Unterschied: Ein Israeli muss innerhalb von 24 Stunden vor einen Richter stehen, ein Palästinenser erst innerhalb von acht Tagen. Das bedeutet häufig eine Woche in Ungewissheit für die Jugendlichen, aber auch für ihre Familien.

Verhaftet wird in der Nacht
 
Kontakt zwischen Eltern und Kindern ist generell selten, auch wenn ein Minderjähriger über mehrere Wochen in Haft ist. Drei Monate lang durfte der 14-jährige Mohammed seine Familie nicht sehen, obwohl nach der UN-Kinderrechtskonvention jedes Kind in Haft ein Recht auf Familienbesuch hat.

Die Verhaftung und das Verhör sind nach Erfahrung von DCI und der Prisoners Society in Bethlehem die gefährlichsten Situationen für die Jugendlichen. Verhaftungen finden häufig mitten in der Nacht statt: In der Regel umstellen mehrere Soldaten ein Haus, stürmen es und verhaften den vermeintlichen Steinewerfer, ohne dass die Eltern den Jugendlichen begleiten dürfen.

"Zehn Tage nachdem ich Steine auf die Soldaten geworfen hatte, kamen sie morgens um fünf Uhr zu uns nach Hause. Sie haben die Tür mit einer Granate aufgesprengt. Sie haben uns geschlagen", berichtet Ahmed Samra aus Ramallah, der drei Jahre in israelischer Haft war. "Normalerweise weckt dich deine Familie, diesmal waren es 20 Soldaten, die unser Haus umstellt hatten", hat auch Sajjad Awad aus Beit Ummar erlebt.

"Blut im Gesicht"


Folter und Gewalt sind nach israelischem Recht ebenso verboten wie in den meisten anderen Ländern. Laut Abu Mohammed von der Prisoners Society in Bethlehem sieht die Realität anders aus: "Wir haben Zeugenaussagen von Anwälten, die ihre Mandanten mit Blut im Gesicht und gebrochenen Händen im Gefängnis vorfanden - in 20 Prozent der Fälle wird Gewalt angewandt."

Laut DCI berichten sogar 90 Prozent der Jugendlichen von Gewalt oder Drohungen, 5 Prozent auch von der Androhung sexueller Gewalt. "Normalerweise gestehen die meisten Kinder nach einer Stunde bei einer solchen Behandlung selbst Vergehen, die sie gar nicht begangen haben", berichtet Iyad Misk. So ging es Ahmad Samra.

"Ich habe ein Geständnis unterzeichnet, dass ich Molotowcocktails geworfen habe. Sie zwingen dich einfach dazu. Ich war in einem winzigen Raum allein und hatte Angst. Da hab ich es unterschrieben", sagt der magere 20-Jährige, der während seiner Haft 25 Kilo abgenommen hat.

Verurteilt ohne Verteidiger

Ein Anwalt ist bei diesen Verhören selten dabei. "Es ist schwer, Besuche im Gefängnis genehmigt zu bekommen. Daher kommt es häufig vor, dass Kinder keinen Verteidiger haben", sagt Iyad Misk resigniert. Auch das sei ein klarer Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Ein weiterer Grund dafür, dass Jugendliche auch Verbrechen gestehen, die sie nicht begangen haben, ist die Dauer der Untersuchungshaft. Nach der Militärrechtsprechung darf sie bis zu sechs Monate dauern - nach israelischem Recht sind es nur dreißig Tage.

"Eine Entlassung auf Kaution wird in 95 Prozent der Fälle verweigert", schätzt Misk. So sind die jungen Angeklagten oft schon während des Prozesses mehrere Wochen in Haft. "Wir sind keine Anwälte, wir sind Händler", sagt Misk hilflos.

Unschuldsvermutung abgeschafft

"Wer Steinewerfen gesteht, bekommt zwei bis drei Monate. Unser Interesse ist das Beste für das Kind. Deswegen sind wir gezwungen, das Kind zum Gestehen zu motivieren, weil es dann kürzer in Haft kommt." So würden die Jugendlichen schon vor der Verurteilung wie Verbrecher behandelt.

"Nach unserer Erfahrung bei DCI ist jeder schuldig, bis die Unschuld bewiesen ist", sagt Iyad Misk. Auch das ist ein Verstoß gegen Artikel 40 der UN-Kinderrechtskonvention, nachdem jeder Angeklagte "bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld als unschuldig zu gelten" hat.
Seelische Schäden

Ob Untersuchungshaft oder nicht, die Zeit im Gefängnis hinterlässt bei den Jugendlichen körperliche und viel häufiger noch seelische Schäden. "Ich wache jetzt jede Nacht um die Zeit auf, als sie mich verhaftet haben", erzählt der 17-jährige Moneer Maaruf und Sajjad berichtet: "Ich hab immer noch Angst. Einmal kamen Soldaten in unser Viertel, da rief ich meine Mutter an, sie soll nach Hause kommen, sie holen mich wieder."

Iyad Misk entschuldigt nicht das Verhalten der Jugendlichen. Steine sind auch Waffen und Steine werfende Jugendliche können gefährlich sein. Was er anprangert, sind die Behandlung der Jugendlichen und die fehlende Alternative zur Haftstrafe. 93 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die seit 2005 wegen Steinewerfens verurteilt worden waren, kamen dafür bis zu 20 Monate ins Gefängnis.

Nach der UN-Kinderrechtskonvention darf Freiheitsstrafe "bei einem Kind im Einklang mit dem Gesetz nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden". Zwar hat Israel die Kinderrechtskonvention unterzeichnet, sie scheint allerdings nur für israelische Jugendliche, nicht aber für junge Palästinenser zu gelten. "Es müsste gleiches Recht für alle geben", fordert Misk, "es gibt keine Alternative zu gleichberechtigtem Zusammenleben."





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New PostErstellt: 05.10.11, 14:54  Betreff: Re: Palästinensische Kinder im israelischen Knast  drucken  weiterempfehlen

Zitat aus einem Leserkommentar zu den derzeitigen Nahost-Verhandlungen:


( ... ) vertritt die einseitige sichtweise, dass es verhältnismässigkeit auf israelisch ausmacht, wenn mit kampfjets und merkava gegen steine werfende kinder vorgegangen wird. kein wort davon, wie israelisches militär während der letzten militärischen ruhmestat im gazastreifen gewütet hat. kein hinweis auf ausgeschlachtete palästinenserleichen, denen jede menge organe fehlen, kein wort davon, dass es sich bei israel um eienn der grössten organexporteure weltweit überhaupt handelt.

die palästinenser verkündeten vor knapp 4 jahren eine einseitige "waffenruhe". einen baustopp bzw. ein ende des völkerrechtswidrigen landraubes durch radikale siedlungsoprojekte hatte das nicht zur folge. warum sollten sie weiter an "waffenruhen", ganz gleich welcher art, festhalten? ( ... )






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New PostErstellt: 05.10.11, 15:04  Betreff:  Kontinuitäten und Merkwürdigkeiten des Israel-Bildes in der BRD  drucken  weiterempfehlen

gelesen in: http://www.jungewelt.de/2011/09-21/004.php



Projektion und Wirklichkeit

Hintergrund. Aus der Ferne und noch mal von vorn: Kontinuitäten und Merkwürdigkeiten des Israel-Bildes in der BRD

Von Christian Neven-du Mont


Seit 1967, also seit 44 Jahren, okkupiert bzw. kontrolliert Israel die sogenannten besetzten Gebiete. Obwohl es auf der Welt immer mehr solcher Territorien gibt, denken wir alle, wenn dieser Begriff irgendwo ohne nähere Bestimmung auftaucht, sofort an Gaza, Golan und die Westbank.

Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Wörter und Begriffe, die, für sich genommen, nichts mit Israel zu tun haben, die aber vorwiegend oder ausschließlich mit diesem Staat assoziiert werden und auch dort selbst gebraucht werden, zum Teil im regierungsamtlichen Sprachgebrauch. Fast alle klingen negativ oder sehr defensiv: Bevölkerungstransfer, Blockade, Delegitimierung, demographische Zeitbombe, Existenzrecht, Gegossenes Blei, gezielte Tötung, Hauszerstörungen, selbsthassende Juden, Siedler, Siedlern vorbehaltene Straße, Trennmauer, Vergeltungsschlag … Auch Begriffe aus anderen Ländern und anderen Zeiten wie Apartheid, Bantustan oder gar Herrenvolk werden heute zunehmend mit Israels Politik assoziiert. Sogar der frühere US-Präsident James Carter veröffentlichte 2006 ein Buch zum Nahostkonflikt mit dem Titel »Peace, not Apartheid«.

Vor 1967 war dagegen das Israel-Bild, besonders in Deutschland, recht idyllisch und spiegelte kaum die dortigen Konflikte wider. Gründung und Aufbau dieses Staats wurden als weitgehend unproblematisch, ja vorbildhaft wahrgenommen. Alle politischen Lager waren sich darin einig. Fast sämtliche alten Nazis wandelten sich problemlos zu Israel-Enthusiasten, sie brauchten dabei ihren Antisemitismus nicht abzulegen, nur aufzuspalten: Die jüdischen Deutschen blieben verachtungswürdig, die Israelis waren jetzt die Guten. Diese Wandlung stieß auf wenig Widerstand von Antifaschisten, denn wer das »Dritte Reich« als Erwachsener miterlebt hatte und kein Nazi gewesen war, hatte erst recht ein schlechtes Gewissen gegenüber Juden.

Niedliche Israelis

Hatte das Bild des Juden (die maskuline Formulierung ist hier angebracht, Frauen spielten eine Nebenrolle) eben noch einer Stürmer-Karikatur geähnelt – schwarze Haare, Rücken und Nase krumm –, so wurde dieser als Israeli über Nacht jung, groß, blond, blauäugig, hatte die Hand am Pflug, das Gewehr auf der Schulter, brachte die Wüste zum Blühen und lebte in einem Kibbuz, den er gelegentlich gegen nicht näher definierte arabische Eindringlinge verteidigen mußte. Wieder eine Karikatur, aber diesmal eine eurozentrisch-kolonialistische. Der arabische Eindringling erhielt seine gerechte Strafe, er wurde erschossen oder gefangengenommen, allerdings nur er, nicht etwa seine Frau oder sein Kind. Feinde Israels waren die (größeren) arabischen Nachbarländer, nicht die Palästinenser, der Schurke im Stück hieß noch nicht Achmed Schukeiry oder Yassir Arafat, sondern Gamal Abtel Nasser.

Zu einem kolonialistischen Pionierbild gehört natürlich auch ein Gegenbild des rückständigen Kolonisierten, in diesem Fall des Arabers, der entweder diese Entwicklung von außen mit Neid und Mißgunst verfolgt, oder, falls noch in Israel ansässig, dankbar sein muß, daß er durch die Wohltaten der Moderne aus seiner Lethargie gerissen wird, und insbesondere, wenn er Beduine ist, das Bild des Landes als Farbtupfer bereichern darf. Dieses Israel-Bild scheint sich weitgehend mit der damaligen Selbstdarstellung des Landes zu decken, die die neuen, wehrhaften Israelis den schwächlichen Diasporajuden gegenüberstellte, welche sich nur selten gegen ihre Mörder gewehrt hatten. Es war aber durchaus ein deutsches Eigengewächs – amtliche Propaganda von seiten Tel Avivs, um die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen, gab es in nennenswertem Umfang erst nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1965.

Zum einen gab es in der alten BRD eine deutliche Tendenz zur Verniedlichung und Infantilisierung Israels und der Juden. Bestseller waren Geschichten von Ephraim Kishon wie die Satirensammlung »Drehn Sie sich um, Frau Lot!« (dt. 1961) und der »Blaumilchkanal« (dt. 1971), wo ein harmloser Spinner einen Kanal durch Tel Aviv gräbt und alle ihn gewähren lassen, weil es schon seine Richtigkeit haben wird, sowie »Der jüdische Witz« (1960) von Salcia Landmann, unbeschwert heitere und geschichtslose Bücher. Der Schweizer Jüdin Landmann wurde wegen dieser Tendenz von dem österreichischen Kritiker Friedrich Torberg sogar Antisemitismus vorgeworfen. Sowohl Kishon als auch Landmann darf man wohl unterstellen, daß sie die Wirkung, die sie erzielten, auch beabsichtigt haben. Ephraim Kishon, dessen Bücher nirgendwo so erfolgreich waren wie in Deutschland, kam aus Ungarn und war selbst ein Opfer des Naziterrors gewesen, er hätte auch anderes berichten können, wollte aber wohl einen Schlußstrich unter die Vergangenheit ziehen. Wo er sich explizit an ein ausländisches Publikum wandte, präsentierte er Israel als normal und ungefährlich: »Wir Israelis lieben Israel, wie die Kanadier Kanada lieben, die Portugiesen Portugal und die Engländer Frankreich.«

Mit einer Gesamtauflage von fast 800000 Exemplaren ebenfalls sehr erfolgreich, aber frei von Verniedlichungstendenzen, war der autobiographische Roman der zwanzigjährigen israelischen Rekrutin Yael Dayan »Ich schlafe mit meinem Gewehr« (dt. 1959). Der militaristische deutsche Titel dürfte symptomatisch sein für die Befindlichkeit zu Israel-Freunden gewendeter Nazis. Die Autorin konnte wohl nichts dafür, auf englisch heißt ihr Buch nüchtern »New Face in the Mirror« (neues Gesicht im Spiegel); Yael Dayan war und ist auch keine Militaristin. Für den deutschen Zeitgeist ist auch der Untertitel des Buches aufschlußreich: In der deutschen Erstausgabe lautete er »Eine ›Soldatin‹ in Israel«; weibliche Soldaten vermochte man sich offenbar nur in Anführungszeichen vorzustellen. Als später Yaels Vater Moshe Dayan als Oberkommandierender des Sechstagekrieges berühmt geworden war, wandelte sich der Untertitel des Buches in »Die Verfasserin ist die Tochter des ›Siegers von Sinai‹« (Anführungszeichen jeweils auf dem Buchdeckel ).

Aus heutiger Sicht fallen am damaligen Israel-Bild weitere Aspekte auf: Es ist das Bild einer relativ egalitären bäuerlichen Gesellschaft und kommt darin dem Idealbild nah, das Theodor Herzl fünfzig Jahre zuvor vom Judenstaat gemalt hatte. Außerdem handelt es sich um ein relativ normales Land, das in auf Dauer angelegten, von allen außer den Arabern anerkannten Grenzen, eine relativ sichere Existenz führt. Überschreiten die Israelis ihre Grenzen, wie mit der Eroberung des Sinai 1956, so sorgen die US-Amerikaner dafür, daß sie wieder nach Hause gehen. Zwischen 1948 und 1956, acht Jahre lang, und zwischen 1956 und 1967, elf Jahre lang, gab es kleinere Übergriffe, aber nichts, was in der Weltöffentlichkeit als Krieg wahrgenommen worden wäre. Selbst der Überfall auf Ägypten von 1956 ging nicht als Krieg, sondern als Suez-Krise in die Geschichte ein. Dieser Aspekt der Wahrnehmung ist wichtig, weil Israel seither nie wieder in diesem Umfang den Eindruck von Normalität und tendenzieller Vereinbarkeit mit seiner Umgebung vermittelt hat.

Zuflucht, Geschäftspartner, Vorbild

Für die Popularität Israels im westlichen Nachkriegsdeutschland spielten noch weitere Faktoren eine Rolle: In den ersten Jahren nach 1945 lebten in den britischen und amerikanischen Besatzungszonen Deutschlands und Österreichs etwa 250000 jüdische Flüchtlinge in erbärmlichen Umständen als »Displaced Persons«. Die deutschen Antisemiten wollten sie möglichst schnell loswerden; wer wegen des Naziregimes ein schlechtes Gewissen hatte, wünschte ihnen eine menschenwürdige Zukunft. Beiden Lagern kam die Aufnahmebereitschaft der jüdischen Gemeinschaft in Palästina, des Yischuw, und später Israels entgegen, die sich positiv von der Herzlosigkeit der Briten abhob, die 4500 der Flüchtlinge nach Deutschland zurückschickten.

Ein weiterer Faktor war die Tatsache, daß sich Israels Rolle im Nahen Osten als Speerspitze des Westens gut in das Freund-Feind-Schema des Kalten Krieges einfügte, das in der BRD das politische Denken bestimmte (hier spielt der Umstand eine Rolle, daß der Konflikt zwischen Israel und den Arabern in erster Linie als einer zwischen Staaten, nicht zwischen Bevölkerungsgruppen, wahrgenommen wurde). Ägypten und Syrien galten, obwohl blockfrei, wegen der massiven sowjetischen Waffenhilfe ab 1956 als Vasallen Moskaus. Die westdeutschen Unternehmer und die Adenauer-Regierung gingen davon aus, daß die »Versöhnung« mit den Juden, besonders in den USA, das wirtschaftliche Wachstum und die Annäherung an den Westen fördern könne. Man leistete »Wiedergutmachung« an Israel, als ob Auschwitz »wieder gut« gemacht werden könnte, und bekam dafür von Israels Ministerpräsident David Ben Gurion bescheinigt, das Deutschland des Jahres 1952 sei ein »anderes Deutschland«. Eine Hand wusch die andere, hier zeigen sich Parallelen in der Lage beider Staaten, die sich als Neugründungen um internationale Anerkennung bemühen mußten.

Zugleich war Israel damals der einzige Frontstaat des Kalten Krieges, dessen maßgebende Politiker den Anspruch erhoben, nichtreligiöse Sozialisten zu sein. So erklärte die Außenministerin und spätere Ministerpräsidentin Golda Meir der erstaunten Hannah Arendt: »Sie werden ja verstehen, daß ich als Sozialistin nicht an Gott glaube, ich glaube an das jüdische Volk.« (zit. n. Hannah Arendt/Gershom Scholem, Der Briefwechsel 1939–1964, Frankfurt 2010, Brief an Scholem vom 20.7.1963) Das entsprach zwar nicht dem realen Israel, wo religiöse Elemente bei der Auswahl der Staatsbürger und im Zivilrecht durchaus eine Rolle spielten (und spielen) und es nicht einmal die Zivilehe gab (und gibt), aber Israel war weit weg und bot deshalb Identifikationsmöglichkeiten für viele, die mit der Restauration des Kapitalismus und der Bigotterie der Adenauer-Zeit haderten.

Idealvorstellungen vom Judenstaat

Gegenüber dem Selbstbild des offiziellen Israel wirkte das deutsche Israel-Bild seltsam unzeitgemäß. Wegen des Antisemitismus und der außenpolitischen Isolation des »Dritten Reiches« hatte fast niemand zur Kenntnis genommen, daß sich während des Zweiten Weltkriegs, und in Palästina noch früher, das Kräfteverhältnis in der zionistischen Bewegung verschoben hatte. Bis dahin hatte diese das Bild eines Judenstaats gepflegt, der nicht in Widerspruch zu der in ihm oder um ihn herum lebenden nichtjüdischen Bevölkerung stehen sollte. Nicht ohne Grund hatte Theodor Herzl sein Wunschbild »Judenstaat« genannt, nicht »jüdischer Staat«. Der Judenstaat sollte wohl durch Sprache und Kultur der Juden geprägt sein wie Deutschland deutsch ist und Frankreich französisch, aber er sollte nicht andere zwingen, in einem jüdischen Staat zu leben oder unter jüdischer Vorherrschaft zu stehen. Die Balfour-Erklärung der Briten von 1917 hatte ausdrücklich festgehalten, daß durch die Errichtung einer »jüdischen Heimstätte« in Palästina die Rechte der einheimischen arabischen Bevölkerung nicht beeinträchtigt werden dürften. Das Völkerbundmandat für Palästina und der UN-Teilungsplan von 1947, die beide auf der Balfour-Erklärung basierten, definierten den Staat, der nun »jüdisch« heißen sollte, als einen mit (knapper) jüdischer Mehrheit. Eine Privilegierung der jüdischen Bevölkerung war nicht vorgesehen. In der zionistischen Bewegung setzte sich die »revisionistische« Strömung durch, die einen möglichst rein jüdischen Staat anstrebt, in dem die jüdische Mehrheit privilegiert ist und durch Gesetze und Zwangsmaßnahmen sicherstellt, daß sie auch Mehrheit bleibt. Diese aggressivere Definition des Zionismus drang aber in Deutschland kaum ins öffentliche Bewußtsein. Es hielt sich die Vorstellung, die bis 1947/1948 auch im Yischuw propagiert worden war, daß von der Modernisierung Palästinas letztlich auch die Araber profitierten.

Einzelne Realisten

Nicht von ungefähr waren nahezu die einzigen, die gegen Massaker an Palästinensern im Zuge ihrer Vertreibung 1948 protestierten, Deutsche, die man ins Exil getrieben hatte, wie Hannah Arendt und Albert Einstein. Mit 25 weiteren Unterzeichnern wandten sie sich in einer Anzeige in der New York Times am 2. Dezember 1948 gegen einen Besuch des israelischen Oppositionsführers Menachem Begin in den USA: » (…) Eines der bedenklichsten politischen Phänomene unserer Zeit ist im neuen Staat Israel (…) die ›Freiheitspartei‹, die in Organisation, Methoden, politischer Philosophie und sozialer Ausrichtung den Nazi- und faschistischen Parteien entspricht. In ihr ist die Mitglied- und Anhängerschaft der früheren Irgun Zvai Leumi aufgegangen, einer terroristischen, rechtschauvi­nistischen Organisation in Palästina (…) Ein erschreckendes Beispiel waren ihre Handlungen in dem arabischen Dorf Deir Yassin. Dieses Dorf liegt abseits der großen Straßen, hatte sich nicht am Krieg beteiligt und hatte sogar arabische Banden vertrieben, die sich dort festsetzen wollten. Am 9. April griffen terroristische Banden dieses friedliche Dorf an, (…) töteten die meisten Einwohner, 240 Männer, Frauen und Kinder und ließen ein paar von ihnen für eine Gefangenenparade in Jerusalem am Leben. Die Mehrheit der jüdischen Gemeinschaft war entsetzt (…), die Terroristen aber waren stolz auf ihr Massaker, warben überall damit und luden alle ausländischen Korrespondenten im Land ein, sich die Leichenhaufen (…) in Deir Yassin anzusehen. (…) Die Unterzeichneten ergreifen dieses Mittel, um einige (…) Tatsachen über Begin und seine Partei zu publizieren und appellieren an alle, diese jüngste Manifestation des Faschismus nicht zu unterstützen. (zit. n. www.marxists.org, Übersetzung d.A.)

Wohl gab es auch in Westdeutschland einzelne, die die Realität Palästinas besser kannten, als ihnen lieb war. Der spätere Journalist und Gewerkschafter Jakob Moneta war 19jährig 1933 dorthin ausgewandert und in einen Kibbuz eingetreten, aus dem er 1939 ausgeschlossen wurde, nachdem er mit einer Gruppe Gleichgesinnter verlangt hatte, daß auch Araber in den Kibbuz aufgenommen werden sollten. Wenig später wurde er von den Briten verhaftet, die, wie er 1978 in seinen Memoiren schrieb, »jüdische Nichtzionisten als Gefahr ansahen«, und wurde ohne Urteil über zwei Jahre eingesperrt. »1933 war ich als Jude in das arabische Palästina gekommen, als ich 1948 das Land verließ, waren die Araber zu Juden geworden, ich kehrte als überzeugter Internationalist nach Deutschland zurück.« Einflußreiche jüdische Intellektuelle wie ihn, die wieder nach Deutschland gekommen waren, um sich dem Erbe des Faschismus zu stellen, gab es in der BRD noch etliche, unter anderen den Philosophen Theodor W. Adorno, den Staatsanwalt Fritz Bauer, den Publizisten Robert Neumann und die Schriftstellerin Grete Weil. Sie alle hatten, wie Arendt und Einstein, ein differenziertes Israel-Bild, selbst Moneta war ein Anhänger der Kibbuz-Idee geblieben, niemand von ihnen machte sich mit den neuen Israel-Freunden vom Schlag des Bild-Verlegers Axel Springer gemein.

Militarismus

Als mit der Gründung der PLO 1964 die arabische Bevölkerung Palästinas die politische Bühne betrat und Israel 1967 den Sechstagekrieg gewann, änderte sich am idealisierten Israel-Bild der Mehrheit zunächst wenig – allerdings wurde spürbar, daß der israelische Sieg, verklärt als »David gegen Goliath«, dazu mißbraucht wurde, ganz allgemein den Militarismus salonfähig zu machen. Ich selbst war damals Abiturient. Pazifistisch erzogen und von den begeisterten Berichten meines Vaters beeinflußt, der als Journalist seit 1956 mehrmals in Israel gewesen war und die Aufbauleistung dort bewunderte, wurde ich das erste Mal nachdenklich, als alte Nazis und junge Wiederbewaffner die »Sieger von Sinai« enthusiastisch feierten. Die sechs Tage des Krieges (5.–11. Juni 1967) fielen in der BRD in eine bewegte Zeit: Wir Jugendlichen strömten zu Zehntausenden auf die Straßen, um gegen die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch den Polizisten Karl-Heinz Kurras am 2. Juni, gegen den Staatsbesuch des Schahs von Persien und seine Schlägertrupps von »Jubelpersern« zu protestieren. Manche von uns hatten schon seit 1965 gegen den Vietnamkrieg demonstriert. Israel blieb von »Raus aus …!« und »Go home«-Forderungen verschont, wir waren durchaus bereit, die offizielle Darstellung zu glauben, das Land habe sich aus dem Würgegriff seiner Nachbarn durch einen Präventivschlag befreien müssen. Uns störte, daß der israelische Sieg in unserem Land von Militaristen und kalten Kriegern instrumentalisiert wurde.

Prestigeverlust

Aus heutiger Sicht scheint es wahrscheinlich, daß der schnelle Sieg Israels und die anschließende Besetzung der Golanhöhen, der Westbank und des Gazastreifens der Beginn einer schweren politischen Niederlage war. Die ersten warnenden Stimmen kamen von zwei alten Herren, denen niemand vorwerfen konnte, linke Nörgler zu sein, dem 80jährigen Staatsgründer David Ben Gurion und dem 76jährigen französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle. Ben Gurion antwortete im Mai 1967, drei Wochen vor dem Krieg, der Zeitung Maariv (»Abendgebet«) auf die Frage: »Was würden Sie ihrem Enkelsohn antworten, wenn er Sie nach den Grenzen der Heimat fragen würde?«: »Das sind die heutigen Grenzen Israels«. Auf die zweite Frage: »Würden Sie ein israelisches Kind ermuntern, ein Lied der Sehnsucht nach einem vereinten Jerusalem zu schreiben?«, antwortete er: »Wenn es schreiben will, soll es schreiben, ich würde keins schreiben.« (zit. n. Spiegel online, 31.5.2007)

De Gaulle erklärte auf einer Pressekonferenz am 27. November 1967: »Israel ist im Begriff, in den eroberten Gebieten ein Besatzungsregime zu errichten, das ohne Unterdrückung, Vertreibung und Zwangsmaßnahmen nicht auskommen kann; dort entwickelt sich ein Widerstand, den Israel als Terrorismus begreift.« (zit. n. Le Monde diplomatique, 3/2003, S. 29) De Gaulle ließ seinen Worten auch Taten folgen und beendete die militärische Zusammenarbeit Frankreichs mit Israel.

Das neue Israel

Betrachtet man die folgenden 44 Jahre, in denen sich an der von de Gaulle beschriebenen Szenerie nichts Wesentliches geändert hat, so springt als erstes ein Gegensatz ins Auge: Israels wirtschaftliche und militärische Macht hat sich vervielfacht, es gehört heute zu den reichsten Industriestaaten, gleichzeitig nimmt sein politisches Prestige dramatisch ab, und aus Pionieren, die die Wüste zum Blühen bringen, wurden in den Augen weiter Teile der internationalen Öffentlichkeit Vandalen, die anderer Leute Häuser plattwalzen und deren Ölbäume ausreißen.

Eigentlich hätte der noch junge jüdische Staat ein Interesse daran haben müssen, möglichst normal und harmlos zu erscheinen, zwar wehrhaft genug, um Invasoren abzuschrecken, aber keine Quelle ständiger Krisen zu sein oder gar eine Gefahr für den Weltfrieden. In dieser Hinsicht war die israelische Selbstdarstellung vor 1967 sehr viel glaubwürdiger und erfolgreicher als danach.

Auch der Anspruch, ein »jüdischer Staat« zu sein, läßt sich am leichtesten aufrechterhalten, wenn möglichst wenig gefragt wird, was das denn genau sei und wenn der Umgang dieses Staates mit Nichtjuden möglichst wenig Aufmerksamkeit erregt. Die Besetzung und Besiedlung der Westbank und des Golan und die Verwandlung des Gaza­streifens in ein Freiluftgefängnis für Gute und Böse bewirken das Gegenteil. Auch die Steigerung des alttestamentarischen Vergeltungsprinzips »Auge um Auge, Zahn um Zahn« – für jedes Auge müssen die Gegner gleich mehrere opfern – wirkt abstoßend.

Wenn auch das deutsche Israel-Bild der 50er und 60er Jahre naiv und lächerlich erscheinen mag, so wirken dessen wesentliche Elemente noch heute nach. Nach dem Sieg der Rechten und des Neoliberalismus in Israel, noch vor dem Zusammenbruch des Ostblocks, zog der Staat, jetzt eher Goliath als David, im Namen des Abendlands gegen Islamisten zu Felde (die Israel nur ein Jahrzehnt zuvor noch gefördert hatte, um die laizistische PLO zu schwächen). Dieses neue Israel bot seinen Freunden allerdings weniger Identifikationsmöglichkeiten als das alte: Mit Gleichheit und Sozialismus war es vorbei, die Massen von Israelis, die heute auf die Straße gehen müssen, um elementare Rechte einzufordern, bezahlbare Wohnungen und Lebensmittel, zeigen es deutlich. Es wagt auch kein Politiker mehr, laut an Gott zu zweifeln. Man hätte auch für Deutsche keinen Dokumentarfilm mit dem Titel »Israel – Staat der Hoffnung« mehr drehen können, wie es 1955 noch möglich gewesen war. Zuflucht für Juden aus dem sich auflösenden Ostblock boten auch andere Länder, und im neuen Jahrtausend verblaßte Israels Glanz als Zufluchtsort noch mehr: Die religiösen Hürden für Einwanderer wurden höher, seit 2007 verlassen mehr Juden das Land als dorthin einwandern.

Wie die meisten alten Nazis mit dem alten Israel gut zurechtgekommen waren, lieben die modernisierten Nazis von Gianfranco Fini bis Geert Wilders das neue. Der belgische Vlaams Belang geht gar unter den Juden Antwerpens erfolgreich auf Stimmenfang.

Die Regierungen Israels haben seit einigen Jahren nichts mehr unternommen, um ihr Image zu verbessern. Nach vier Jahrzehnten Besatzung und fünf Jahren Abriegelung des Gazastreifens hoffen sie darauf, daß sich die Weltöffentlichkeit daran gewöhnt hat und vertrauen auf die normative Kraft der Fakten, die Stärke der Armee und die einschüchternde Wirkung des Antisemitismusvorwurfs. In dieser Lage mutet es absurd an, daß in Deutschland darüber gestritten wird, ob Kritik laut sein darf oder nur leise. Daß Arendt, Einstein und andere Menachem Begin einen faschistischen Mörder genannt haben, hat seinen Aufstieg zum Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträger bekanntlich nicht verhindert. Heute dürften sie sich aussuchen, ob sie lieber »selbsthassend« oder antisemitisch genannt werden wollten. Es wird so getan, als könne Kritik Israel in seinen Grundfesten erschüttern, und man versucht, sie zu unterbinden.

Ganz Israel-Palästina – die Mauern, die gezogen werden, ändern nichts daran – ist heute ein einheitlicher Wirtschaftsraum, in dem die israelische Regierung die Lebensverhältnisse aller Menschen bestimmt. Überall, sogar für den Gazastreifen, führt sie das Standesamtsregister und legt fest, wer in welche Kategorie gehört. Es ist also ein De-facto-Staat, der schon länger besteht, als die DDR bestanden hat. Man muß deutlich sagen, daß diejenigen lügen, die, von Merkel bis Gysi, die Zweistaatenlösung zum Dogma machen, aber nicht bereit sind, sie durchsetzen zu helfen. Aus der Ferne bleibt nur übrig, die Forderung nach Demokratie und gleichen Rechten für alle im De-facto-Staat Israel-Palästina zu erheben.


Christian Neven-du Mont ist Mitarbeiter beim Archiv des iz3w – informationszentrum dritte welt – in Freiburg (http://www.archiv3.org)




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New PostErstellt: 05.10.11, 15:52  Betreff:  War Elliott Abrams Hitlers Chefberater?  drucken  weiterempfehlen

gelesen in: http://www.antikrieg.com/aktuell/2011_09_16_warelliott.htm



War Elliott Abrams Hitlers Chefberater?


Ran HaCohen


Wahrscheinlich nicht. Abrams kam zweieinhalb Jahre nach dem Tod Hitlers auf die Welt. Aber wer weiß. Es ist jedenfalls verlockend, die beiden in eine Zeile zu bringen, in eine Überschrift: wenn man jetzt „Abrams und Hitler“ googelt, bekommt man Ergebnisse. So viele Treffer, wie oft dieser Kommentar ins Internet gestellt oder zitiert wird. Das ist die Macht der Assoziation: alles, was man tun muss, ist zwei Dinge einander nahe zu bringen. Nicht viele Leute würden sich darum kümmern, die Frage nach dem Warum zu stellen oder deine Argumente zu überprüfen. Abrams und Hitler? Es muss einen Grund geben, dass sie beide so nebeneinander stehen. Sie müssen etwas gemeinsam haben.

Abrams selber weiß das sehr gut. Der jüdisch-amerikanische Anwalt und Politikanalyst, der in außenpolitischen Positionen unter Reagan und George W. Bush gedient hat und derzeit ein leitender Wissenschaftler für Studien des Mittleren Ostens beim Rat für außenpolitische Beziehungen ist, kann weder Unschuld noch Unwissenheit für sich in Anspruch nehmen. Er kennt den Mittleren Osten besser als viele andere. Wenn Abrams also sagt, der Palästinenserstaat „würde der erste sein, der offiziell Juden oder andere Religionen verbietet seit Nazi-Deutschland, der ein judenreines Land haben wolle oder eines, das von Juden gesäubert ist“ - weiß er, was er tut. Und das, was er tut, ist viel schmutziger als die manipulative Überschrift, die ich diesem Kommentar gab.  

Abrams bösartige Demagogie stützt sich auf die Aussage des palästinensischen Botschafters in den Vereinigten Staaten von Amerika Maen Erekat, der mit dem Ausspruch zitiert wird: „Nach den Erfahrungen der letzten 44 Jahre militärischer Okkupation mit all den Konflikten und Spannungen denke ich, dass es im besten Interesse beider Völker gelegen wäre, wenn sie getrennt wären.“ Das hat Erekat gesagt; er sagte nicht, dass keine Juden nach Palästina kommen dürften; er sagte nicht, dass alle Juden umgebracht und ihre Leichen zerschnitten und zerhackt würden; er sagte nicht, alle Juden würden vernichtet oder vergast. Er sagte nur, es wäre im Interesse der beiden Völker, wenn sie getrennt wären.

Das ist natürlich eine verabscheuungswürdige Vorstellung. Trennung zwischen den beiden Völkern? Ist das nicht eine Form von rassistischer Diskriminierung, von ethnischer Säuberung, von Apartheid? Vielleicht. Aber auch der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak verkündete genau diese Parole: „Trennung - wir sind hier, sie sind dort.“ Das ist auch in der Hauptströmung des Zionismus der Fall, wo gesagt wird, dass es im Interesse der Juden sei, getrennt von Nichtjuden zu leben. Juden,die gegen diese Aufteilung sind, werden heutzutage als Antizionisten und Verräter gebrandmarkt. Aber verwirren wir Abrams nicht mit Tatsachen, Wahrheit oder Redlichkeit: Abrams ist ein Demagoge.

Abrams weiß ganz genau, was Erekat meinte. Erekat meinte, dass nach 44 Jahren grausamer, rücksichtsloser militärischer Okkupation („grausam, rücksichtslos“ sind meine Worte, Erekat hat das nicht gesagt), in denen jeder palästinensische Mann, Frau und Kind täglich Juden als Siedler trifft, welche fordern, die „Araber“ (kein Siedler benutzt den Begriff „Palästinenser“) gehörten deportiert; oder als freundliche und angenehme Siedler, welche Sympathie fühlen für die „Araber,“ während sie ihr Land stehlen und ihr Wasser trinken; oder als grausame aggressive Soldaten, die mitten in der Nacht an ihre Tür schlagen und alles kaputt machen (im Militärjargon „Durchsuchen“ genannt); oder als nette und höfliche Soldaten, die an den Kontrollstationen stehen, sanftmütig mit einem Maschinengewehr auf die Palästinenser zielen und ihnen sagen, dass sie nicht in das nächste Dorf gehen können, oder in die Schule, oder nach Jerusalem, um dort in ihrer Moschee zu beten – nach 44 Jahren einer derartigen grausamen, rücksichtslosen Okkupation meinte Erekat sagen zu müssen, dass es keinen Sinn macht, Siedler im palästinensischen Staat zu belassen. Das ist alles, was er sagen wollte und alles, was er gesagt hat. Und wissen Sie was? Er hat recht. Würden Sie die Siedler kennen, oder einige von diesen, oder die Okkupationssoldaten, alle von denen, hätten Sie ihn verstanden. In der Tat, so sagen einige meiner jüdisch-israelischen Freunde, besteht der Alptraum bei der Auflösung der Siedlungen darin, dass die Siedler zu uns kommen würden, um mit uns zu leben, in Israel. Wer möchte diese Fanatiker wieder zurück haben? (Vielleicht ist es das, worüber Erekat sich Sorgen macht: dass Israel seine Kolonialisten auf palästinensischen Boden abschieben will.)

Abrams jedoch hat eine andere Interpretation. Für Abrams sind Erekats Worte Ausdruck einer „verabscheuungswürdigen Form des Antisemitismus.“ Und „das erste Land seit Nazideutschland,“ das Juden verbietet. Wenn das keine Herabwürdigung des Holocaust ist möchte ich wissen, was das sein soll: hat etwa die jüdische Minderheit Deutschland 44 Jahre lang besetzt und Millionen Deutsche terrorisiert, wie es die Israelis in den palästinensischen Territorien betrieben haben?

„Kein zivilisiertes Land würde so handeln,“ fügte Abrams hinzu. Na klar. Tatsächlich gibt es ein Land, das so handelt, zivilisiert oder wie auch immer. Abrams kennt es sehr gut. Ich meine nicht „Trennung, die den Interessen beider Völker dient,“ wie Erekat vorschlug: es gibt ein Land, das wirklich judenrein ist, wie Nazideutschland es sein wollte. Jeder Mittelost-Experte weiß das, und Abrams ist nicht nur ein Experte: er präsentiert sich selbst als „Leitender Wissenschaftler für Studien des Mittleren Ostens.“ Vielleicht sollte dieser „Leitende Wissenschaftler“ von Zeit zu Zeit Wikipedia konsultieren. Folgendes findet man auf der englischen Wikipedia:

In Saudiarabien gibt es zu Beginn des 21. Jahrhunderts keine jüdischen Aktivitäten. Jüdische (auch christliche und andere nichtmuslimische) religiöse Veranstaltungen sind in Saudiarabien verboten. Als amerikanisches Militärpersonal während des Golfkriegs in Saudiarabien stationiert war [...] durften jüdische Gottesdienste nur auf amerikanischen Kriegsschiffen stattfinden. Die Volkszählungsdaten weisen keinerlei Juden auf, die auf dem Staatsgebiet von Saudiarabien wohnen. Personen, die offen jüdisch sind, dürfen generell nicht in das Königreich einreisen.

Noch einmal: das ist nicht, was Erekat vorgeschlagen hat. Er schlug nicht vor, jüdische Gottesdienste zu verbieten oder „offen jüdischen“ Personen die Einreise nach Palästina zu verbieten. Alles, was er sagte, war, dass es besser sei für beide Völker, getrennt zu leben. Wenn das Palästina zum neuen Nazideutschland macht, was ist dann Saudiarabien? Die Mutter aller Nazideutschländer? Die Inkarnation des Teufels? Vielleicht ist es das – wer bin ich, dass ich das sagen könnte? Ich bin nicht einmal dort gewesen (ich durfte nicht, leider). Aber vielleicht weiß es Abrams? Immerhin ist Abrams laut Berichten einige Male mit Prinz Bandar bin Sultan zusammengetroffen, dem ehemaligen Botschafter Saudiarabiens in Washington.

Jetzt werden Sie sich wundern: wie kann das wahr sein? Wie kann Abrams, der einen gemäßigten Aufruf nach Trennung zwischen Palästinensern und Israelis für ein verabscheungswürdiges antisemitisches Manifest hält, das es in dieser Art seit Nazideutschland nicht mehr gegeben hat, wie kann diese idealistische Person einige Male einen offiziellen Repräsentanten eines Staates treffen, der offiziell Juden die Einreise verbietet, in dem sogar jüdisch-amerikanische Soldaten (die dort stationiert sind, um die rückständige - aber amerikafreundliche – Diktatur zu verteidigen) ihre Identität verbergen und gefälschte „Protestanten-Ausweise“ für den Fall, dass ... bei sich tragen müssen?

Da müssen Sie Abrams selber fragen. Wenn Sie ihn treffen, werfen Sie einen Blick auf seine eindrucksvolle Uhr – eine Concord Mariner im Wert von $1.435, ein Freundschaftsgeschenk, das Abrams von Abdullah, dem König von Saudiarabien, bekommen hat.

Und wenn Sie schon dabei sind, fragen Sie ihn bitte, ob er nicht doch Hitlers Chefberater war. Man kann sowas nie wissen.
        
   

erschienen am 16. September 2011 auf http://www.antiwar.com    
             
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palestina libera

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New PostErstellt: 05.10.11, 22:06  Betreff: de.indymedia hat diesen News zensiert !!  drucken  weiterempfehlen

Ich weiss nicht warum und ich habe kein bock inhnen zu fragen , ich bin seit ungefährt 10 Jahren mit de.indymedia über Palästina in Kampf . Ich habe viel mal ins Bett geärgert gegangen weil ihnen mich News die ich zwei Stünden gebraucht hatte , lost gemacht . Für mich die indymods ( für pasiv und aktiv ) sind schüldig von diesen Zensur gegen mir .Als meine Vertraut durch deutschen linke lange Zeit verlorene ist ( nicht nur für Palästina ) versuchen dieser News wieder zu Posten .


Das News dem ich geschrieben habe

Polizisten gennanten als settlers Angreifar

Letzte Freitag wurden friedens Aktivisten der linken israelischen und palästinesen Organisationen Sheikh Jarrah Solidarity und Ta´ayush, von "settlers" angegriefen geworden . Die "settlers" die von Besatzungs-Enklave Anatot kommen und der Nähe des palästinensischen Dorfes Anata steht , wo Einwohner ihnen beschuldigt die taglische Gewalt und landraub . Die Medien haben gennant als "Siedler und Siedlungsgegner bekämpfen sich bei Jerusalem" http://www.n24.de/news/newsitem_7302601.html
Aber die wahrheit ist das Anatot Einwohner http://en.wikipedia.org/wiki/Almon,_Mateh_Binyamin ist keiner Siedlung der von Fundamentalisten Religiösen settlers gehört sondern 70% seiner Einwohner police and intelligence officers sind http://www.richardsilverstein.com/tikun_olam/2011/10/02/senior-israeli-police-officer-brutally-assaulted-activists-in-anatot-pogrom/

Das Bild zeigt wie der polizist investigator Yossi Ben Arush grabs Sheikh Jarrah Solidarity leader, Assaf Sharon, by the shirt .


Die Angrieffen gegen linken israelischen Organisationen Sheikh Jarrah Solidarity und Ta´ayush, die sich für einen Ausgleich zwischen Palästinensern und Israelis und ein Ende der seit 1967 andauernden israelischen Besatzung Palästinas einsetzen .Die angriffen wurden schon am Morgens ins Palästinenser Land angefang und Abends gegenüber Anatot siedlung weiter gegangen, wie dieser Video zeigt .

http://www.youtube.com/watch?v=EKzNrNhTu5w&feature=player_embedded

Anatot Pogrom Victims Suffered Sexual Abuse

http://www.richardsilverstein.com/tikun_olam/tag/israeli-settlers/



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palestina libera

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New PostErstellt: 06.10.11, 22:11  Betreff: Französische fundamentalisten zionisten nach Palästina  drucken  weiterempfehlen

The Jewish Defence League has dispatched French "militants" for a "show of solidarity" in illegal West Bank settlements.

Two weeks ago, an announcement appeared on a French website, calling for "militants with military experience" to participate in a solidarity trip to Israel between September 19 and 25. "The aim of this expedition is to lend a hand to our brothers facing aggression from the Palestinian occupiers, and to enhance the security of Jewish towns in Judea and Samaria," it explained. The dates of the trip coincide with the Palestinian statehood bid at the United Nations.

http://english.aljazeera.net/indepth/features/2011/09/201192343750232386.html

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New PostErstellt: 07.10.11, 07:37  Betreff: Sind Palästinenser die echten "Kinder Israels"?  drucken  weiterempfehlen

gelesen in: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28975/1.html



Sind Palästinenser die echten "Kinder Israels"?


Hermann Ploppa 27.10.2008


Das hält der israelische Geschichtsprofessor Shlomo Sand für wahrscheinlich. Sand fordert deshalb eine Verfassungsänderung

Kaum ein anderer Staat auf dieser Welt kann auf eine derart umfassende Schöpfungsgeschichte verweisen wie das gerade erst sechzig Jahre alte Land Israel. Ob in Verfassung und Unabhängigkeitserklärung, ob im Kanon für den Geschichtsunterricht, ob an den speziell eingerichteten Universitätsfachbereichen für jüdische Geschichte: überall wird die Erzählung gepflegt von dem homogenen jüdischen Volk, das nach dem Auszug aus Ägypten die phantastischen Königreiche von David und Salomo erschaffen hat; das auch die Verbannung nach Babylon überstanden hat. Und das nach den Aufständen im Jahre 70 nach Christus von den Römern in alle Welt verstreut wurde, und in der Diaspora zusammengehalten hat, um eines Tages in das Gelobte Land nach Palästina zurückkehren zu können. Nach dem Holocaust hätte sich das homogene jüdische Volk endlich wieder in seiner legitimen Heimat versammeln können zu einem Nationalstaat. So formuliert die israelische Unabhängigkeitserklärung von 1948: "Nachdem das Volk (Israel) unfreiwillig aus seinem Land ins Exil getrieben worden ist, blieb es im festen Glauben, auch nach seiner Zerstreuung, und hörte nie auf zu beten und zu hoffen auf seine Rückkehr und auf eine Wiederherstellung seiner politischen Freiheit."

Nun sorgt allerdings der Historiker Shlomo Sand von der Universität Tel Aviv mit seinem neuesten Buch[1] für lebhafte Diskussionen. Denn das Werk mit dem Titel "Wie das jüdische Volk erfunden wurde" steht auf den Bestsellerlisten in Israel. Sand zerpflückt alle oben genannten nationalen Schöpfungsgeschichten Israels und verweist sie in das Reich der Mythologie.

Die Reaktionen in der israelischen Öffentlichkeit bestehen nicht immer in wohlwollender Aufgeschlossenheit. Rollkommandos versuchen Sands Vorlesungsveranstaltungen zu sprengen. Drohbriefe und Beschimpfungen gehören zum täglichen Brot des unerschrockenen Geschichtsforschers. Sand ist 1946 im österreichischen Linz als Sohn polnischer Holocaust-Überlebender geboren worden, und hat sich bereits in den Sechziger Jahren Organisationen der Neuen Linken in Israel angeschlossen, die dem Zionismus kritisch gegenüberstehen. Als Professor in Tel Aviv und Paris ist Sand eigentlich Experte für moderne europäische Geschichte, mit Schwerpunkt Frankreich. Seinen Ausflug in die israelische Geschichte hat er sich aufgespart, bis er unkündbarer Ordinarius geworden ist. Denn, so Sand: "Man muss einen Preis zahlen im akademischen Leben Israels, wenn man solche Meinungen vertritt."

Je tiefer der Historiker aus Tel Aviv sich in die altertümlichen Quellen hineinarbeitete, um so mehr erstaunte ihn, wie wenig Schöpfungsgeschichten Israels durch Dokumente zu belegen sind. Das fängt an mit der biblischen Geschichte vom Auszug der versklavten Israeliten unter Moses aus Ägypten ins Gelobte Land. Dieser im 13. Jahrhundert vor Christus angesiedelte Exodus ist durch keinerlei ägyptische Chroniken belegt, und das Gelobte Land gehörte damals zum Verwaltungsgebiet Ägyptens. Auch für die Existenz der goldenen Königreiche Davids und Salomos finden sich keine archäologischen Belege.

Im Jahre 70 nach Christus fanden Aufstände fundamentalistischer jüdischer Sekten gegen die römische Besatzungsmacht statt. Die angebliche nachfolgende Vertreibung und Verstreuung der Juden in alle Himmelsrichtungen sind ebenfalls freie Erfindung, urteilt Sand. Denn um ein ganzes Volk zu vertreiben, fehlten schlicht die Mittel:

Die Römer haben keine Völker ins Exil getrieben, und sie konnten es auch gar nicht. Sie verfügten nicht über Eisenbahnen und Lastwagen, um ganze Bevölkerungen zu deportieren.

Sind die Palästinenser die Nachkommen der Israeliten?


 Bis auf die Rädelsführer sei niemand außer Landes geschafft worden. Die meisten Juden waren bodenständige Bauern, die unter fremder Oberherrschaft im Lande blieben. Später hätten sie den islamischen Glauben angenommen und sich mit anderen Völkern vermischt. Die Nachkommen der bodenständigen Juden wären somit heutzutage die Bewohner, die von den israelischen Neusiedlern an den Rand gedrängt worden sind – also die Palästinenser in Israel, im Gazastreifen oder im Westjordanland!

Die Neusiedler, die die Staatsbevölkerung des modernen Israel ausmachen, haben mit den antiken Israeliten nichts zu tun, sagt Sand. Diese Leute sind die Nachfahren jüdisch missionierter Völker. Denn zwischen dem ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und dem vierten Jahrhundert nach Christus schwärmten jüdische Missionare in alle Regionen des Mittelmeerraumes aus. Neben unzähligen jüdischen Minderheitsgemeinschaften wurden ganze Königreiche zum Judentum bekehrt. Zu nennen sind hier z.B. das Reich Himya im Gebiet des heutigen Jemen. Ein anderes Königtum befand sich auf dem Gebiet des heutigen Kurdistan.

Im sechsten nachchristlichen Jahrhundert entstand im Maghreb ein jüdisch bekehrtes Berberreich, dessen Überreste in den folgenden Jahrhunderten die iberischen Khalifate wesentlich beeinflusst haben. Ungefähr zur selben Zeit übernahm das halbnomadische Turkvolk der Khasaren den mosaischen Glauben. Das Khasarenreich erstreckte sich über das Gebiet der heutigen Ukraine. Als die Mongolen das Reich der Khasaren auslöschten, vermischten sich die Khasaren mit ebenfalls jüdisch missionierten Slawen und deutsch-jüdischen Flüchtlingen der Pogrome von Mainz und Worms. Die ostjüdischen "Schtetl"-Bewohner sind also ebenso wenig Nachkommen einer jüdischen Diaspora aus Palästina wie die iberischen Sepharden oder die mosaischen Jemeniten, befindet Sand.

Diese Sachverhalte waren früheren Generationen von Judaisten durchaus bekannt. Sogar führende Zionisten verschwiegen nicht, dass die Palästinenser die Nachkommen der Israeliten seien. Yitzhak Ben-Zvi, später zweiter Präsident der Republik Israel, äußerte 1929: "... die überwältigende Mehrheit der Kleinbauern haben ihren Ursprung nicht bei den arabischen Eroberern, sondern eher, vor diesen, in den jüdischen Bauern, die reich an Zahl waren und die Mehrheit beim Aufbau des Landes stellten." Ähnliches hörte man damals von David Ben Gurion.

Nationalstaatsgedanke führte auch im zionistischen Denken zu einer Neuorientierung

 Und dass die Khasaren im ethnischen Sinne keine Juden waren, gehörte im Neunzehnten Jahrhundert zum Allgemeinwissen. Als in Deutschland noch jüdische Gelehrte wie Isaak Markus Jost (1793-1860) oder Leopold Zunz (1794-1886) Einfluss ausübten, galt das Judentum noch als ein rein religiöses Phänomen. Als jedoch in Deutschland der Nationalismus an Boden gewann, begann sich auch in der jüdischen Gemeinschaft die Akzentuierung zu verschieben. In Deutschland formierte sich der Nationalstaatsgedanke, der untrennbar mit einer führenden, homogenen Herrenrasse verbunden sein sollte. Das war die Zeit des Germanenkults. In den USA formierte sich entsprechend die Auffassung, die nationale Herrenrasse in Nordamerika sei die Nordic Race, bestehend aus blonden, blauäugigen Nachkommen der Engländer, Deutschen und Skandinavier. Diese von Madison Grant formulierte Auffassung floss ein in die Einwanderungs-, Sterilisierungs- und Heiratsverbotsgesetze der USA.

Jene Radikalisierung des Nationalstaatsgedankens, die so in Frankreich nicht vollzogen wurde, führte auch in der zionistischen Gemeinschaft zu einer Neuorientierung. Der jüdische Historiker Heinrich Graetz (1817-1891) deutete in Abgrenzung zum preußischen Historiker Heinrich von Treitschke das Judentum nicht mehr als ein rein religiöses Netzwerk, sondern zunehmend als nationalistische Bewegung.

Shlomo Sand ( http://www.haaretz.com/hasen/spages/966952.html ) unterstellt den zionistischen Siedlern in Israel zunächst einmal, dass sie imperialistische Motive der Landnahme mit dem Konstrukt eines vertriebenen, nun heimkehrendes Volkes verbrämen würden:

Die Enthüllung, dass die Juden nicht aus Judäa stammen, würde offensichtlich die Rechtmäßigkeit unseres Hierseins unter unseren Füßen wegziehen. Seit Beginn der Dekolonisierung konnten Siedler nicht einfach bloß sagen: Wir kamen, wir gewannen, und jetzt sind wir hier, in der Weise, wie die Amerikaner, die Weißen in Südafrika und die Australier verkündeten.
Shlomo Sand

Besorgt konstatiert Sand einen seit den sechziger Jahren stärker werdenden Biologismus in der israelischen Debatte über ein angebliches jüdisches Nationalvolk: "Die ‚Herkunft der Völker' ist inzwischen ein akzeptiertes und beliebtes Forschungsfeld der Molekularbiologie ..." Die offiziell festgeschriebene Definition der israelischen Demokratie als "jüdisch" hindert jedoch mindestens ein Fünftel der Staatsbürger daran, sich mit Israel zu identifizieren. Hier wird eine Spannung vorprogrammiert, und es ist fraglich, ob der kleine Staat diese Spannungen dauerhaft aushalten kann. Folglich fordert Sand eine Umformulierung der israelischen Verfassung:

Im israelischen Diskurs über die Wurzeln liegt ein gewisses Maß an Perversion. Es handelt sich um einen ethnozentrischen, biologischen und genetischen Diskurs. Aber Israel verfügt über keine Existenz als jüdischer Staat: wenn Israel nicht eine offene, multikulturelle Gesellschaft wird, dann erleben wir ein Kosovo in Galiläa. Das Bewusstsein vom Anrecht auf diesen Platz muss flexibler und variantenreicher sein, und wenn ich mit meinem Buch zu der Aussicht beigetragen habe, dass ich und meine Kinder in der Lage sein werden, mit den anderen Gruppen hier im Lande in einer gleichberechtigteren Situation zusammen zu leben, dann habe ich mein Scherflein dazu beigetragen.
Shlomo Sand





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New PostErstellt: 12.10.11, 15:57  Betreff: Defence for Children International - Palestine Section  drucken  weiterempfehlen

On 27 September 2011, General Avi Mizrahi, the Israeli military commander in the occupied West Bank, issued Military Order 1676 raising the age of majority in the military courts from 16 to 18 years. The new military order also makes provision for the notification of a child’s parents that the child has been arrested and informing the child that he/she has the right to consult with a lawyer, but without stating precisely when this consultation should occur. Contrary to international law, the new order has only been circulated in the Hebrew language.

http://www.dci-palestine.org/

A report on the situation facing Palestinian children detained in
occupied East Jerusalem

Reporting period:
1 January to 30 June 2011
Submitted:
22 September 2011

1) UN Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or
punishment;
2) UN Special Rapporteur on the independence of judges and lawyers;
3) UN Working Group on Arbitrary Detention; and
4) UN Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian territories occupied since 1967.
This report is submitted on behalf of Defence for Children International–Palestine Section (DCI-Palestine), a national section of the international non-governmental child rights organisation and movement, Defence for Children International, established in 1979, with consultative status with ECOSOC.

http://www.dci-palestine.org/sites/default/files/un_sp_-_east_jerusalem_-_sep_2011_2.pdf

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New PostErstellt: 20.10.11, 18:26  Betreff: UNICEF appeals for release of Palestinian child detainees  drucken  weiterempfehlen

UNICEF appealed today to the Israeli Government to release all Palestinian children currently in Israeli military detention, following the announcement that they will release Palestinian prisoners as part of a prisoner swap deal.

http://www.dci-palestine.org/documents/unicef-appeals-release-palestinian-child-detainees

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New PostErstellt: 08.01.12, 17:12  Betreff: 383 Palestinian children arrested in 2011, 15 in the last week alone  drucken  weiterempfehlen

Occupation arrested 3200 Palestinians, including 383 children in 2011
A human rights organisation said that occupation authorities intensified arrest campaigns against Palestinian activists in 2011, especially after the release of prisoners in a prisoner exchange deal.

http://mondoweiss.net/2012/01/383-palestinian-children-arrested-in-2011-15-in-the-last-week-alone.html

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New PostErstellt: 29.01.12, 12:42  Betreff: The Palestinian children – alone and bewildered – in Israel's Al Jalame jail  drucken  weiterempfehlen

Israel's military justice system is accused of mistreating Palestinian children arrested for throwing stones

http://www.guardian.co.uk/world/2012/jan/22/palestinian-children-detained-jail-israel

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