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Mein Gefängnis - Erich Mühsam

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Baba Yaga


New PostErstellt: 06.10.03, 00:49  Betreff: Mein Gefängnis - Erich Mühsam  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Mein Gefängnis

Auf dem Meer tanzt die Welle
nach der Freiheit Windmusik.
Raum zum Tanz hat meine Zelle
siebzehn Meter im Kubik.
Aus dem blauen Himmel zittert
Sehnsucht, die die Herzen stillt.
Meine Luke ist vergittert
und ihr dickes Glas gerillt.
Liebe tupft mit bleichen, leisen
Fingern an mein Bett ihr Mal.
Meine Pforte ist aus Eisen,
meine Pritsche hart und schmal.
Tausend Rätsel, tausend Fragen
machen manchen Menschen dumm.
Ich hab eine nur zu tragen:
Warum sitz ich hier? Warum?
Hinterm Auge wohnt die Träne,
und sie weint zu ihrer Zeit.
Eingesperrt sind meine Pläne
namens der Gerechtigkeit.


Erich Mühsam

(1878 - 1934), deutscher Schriftsteller, Anarchist und Pazifist, 1918/19 Herausgeber der Zeitschrift »Kain«,
er wurde von den Nazis am 10. Juli 1934 auf der Gefängnistoilette erhängt

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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 09.10.03, 23:32  Betreff: An die Gleichgeschalteten  drucken  weiterempfehlen

Während sie noch einhergehen in den Ämtern und Redaktionen
In den Laboratorien und auf den Fabrikhöfen als Leute
Aus deren Mund keine Unwahrheit kommt
Beginnt schon ihre Schädlichkeit. Wer mit keiner Wimper zuckt
Beim Anblick blutiger Verbrechen, verleiht ihnen nämlich
Den Anschein des Natürlichen. Er bezeichnet
Die furchtbare Untat als etwas so Unauffälliges wie Regen
Auch so unhinderbar wie Regen.
So unterstützt er schon durch sein Schweigen
Die Verbrecher, aber bald
Wird er bemerken, daß er, um sein Brot nicht zu verlieren
Nicht nur die Wahrheit verschweigen, sondern
Die Lüge sagen muß (...)
So
Werden die Kenner der Wahrheit die wildesten Lügner.
Und das alles geht nur
Bis einer daherkommt und sie doch überführt
Früherer Ehrlichkeit, einstigen Anstands, und dann
Verlieren sie ihr Brot.


(Bert Brecht, An die Gleichgeschalteten)


[editiert: 09.10.03, 23:32 von bjk]
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Baba Yaga


New PostErstellt: 26.12.03, 18:00  Betreff: Re: Mein Gefängnis - Erich Mühsam  drucken  weiterempfehlen

Hallo, BJK!

Auszug aus Deinem Brecht-Zitat:

"Er bezeichnet
Die furchtbare Untat als etwas so Unauffälliges wie Regen
Auch so unhinderbar wie Regen.
So unterstützt er schon durch sein Schweigen
Die Verbrecher, aber bald
Wird er bemerken, daß er, um sein Brot nicht zu verlieren
Nicht nur die Wahrheit verschweigen, sondern
Die Lüge sagen muß (...)
So
Werden die Kenner der Wahrheit die wildesten Lügner.
Und das alles geht nur
Bis einer daherkommt und sie doch überführt
Früherer Ehrlichkeit, einstigen Anstands, und dann
Verlieren sie ihr Brot."


Es gibt schlimmere Verbrechen als wegzusehen, oder passiv anwesend zu sein.

In der sozialdemokratischen Schrift "Konzentrationslager" von 1934 (Verlagsanstalt "Graphia", Karlsbad CSR), die ich hier in im Forum Innenpolitik abzuschreiben begonnen habe, wird auch über die Folter und Ermordung des Dichters, Philosophen, Kommunisten und Anarchisten Mühsam berichtet.

Es gibt vielerlei Mordmotive und folglich verschiedene Mördertypen,
...so der eiskalte Mörder aus niedrigen Motiven, wie Eifersucht, Mißgunst, Habgier und Neid, er kennt weder Gefühl, Hemmung noch Skrupel!

Theodor Eicke, erst gescheiterte Existenz, dann Spitzel und Polizei-Emporkömmling, Günstling Himmlers, Lagerkommandant in Dachau und später in Oranienburg, war eine solche, vorher beschriebene Bestie,
...er hat Erich Mühsam ermordet!

Hier der Bericht zu Mühsams Schuthhaft und Mord:

"Zunächst den Fall des kommunistischen Abgeordneten Dressel. Dressel wurde im Bunker (fensterlos) gefangen gehalten und dort wüst geschlagen. Eines Morgens, als ein Kamerad ihm den Kaffee brachte, fiel Dressel bewußtlos mit geöffneten Pulsadern aus der Zellentür. Es gelang den Kameraden, besonders dem gefangenen Arzt Doktor Katz, Dressel ins Bewußtsein zurückzurufen und zu retten. Der Gerettete schilderte darauf Katz den Mordversuch, den man an ihm begangen. Dieser erfolgte, nachdem Dressel sich geweigert hatte, einen ihm ins Verließ gehängten Strick zum Selbstmord zu benutzen. Als Dressel` s Rettung den SS - Leuten bekannt wurde, schaffte man ihn wieder in das Verließ zurück. Am nächsten Tage fand man den Abgeordneten, mit geöffneten Pulsadern, tot auf. In den Zeitungen stand, Dressel habe Selbstmord begangen.

Ob Kommandant Eicke in diesem Falle Anstifter, Mittäter, Mitwisser, Begünstiger war, bleibt sich gleich. In den beiden anderen Fällen hat er sich selbst zu der Tat bekannt.

Am 22. Oktober 1933 ließ Eicke die nahezu zweitausendfünfhundert Gefangenen antreten. Er wetterte vor diesen Gefangenen, die täglich grauenvolle Schandtaten erdulden und ansehen mußten, gegen die "Schurken", die im Auslande "Greuelnachrichten" über das Lager Dachau verbreiteten. Die Schutzhäftlinge Altmann, Doktor Katz, Doktor Rosenfelder und Willi Franz hätten versucht, Aufzeichnungen über Vorkommnisse im Lager, in eine Mütze eingenäht, hinauszuschmuggeln. "Zwei der verhafteten Verräter", fuhr Eicke fort, "sind bereits ins Jenseits befördert: Der Jude Doktor Katz und sein Helfer Willi Franz. Wir haben noch genug deutsche Eichen, um jeden daran aufzuhängen, der sich uns entgegenstellt. Es gibt keine Greuel, und es gibt keinen Tschekakeller in Dachau. Wer Prügel bekommt, erhält die zu Recht!" Eicke gab den Mord also zu. Freilich erst mit Verspätung. Denn als Katz` Leiche, mit einer Wolldecke zugedeckt, aus dem Bunker getragen worden war, hieß es, daß er "sich im Arrest erhängt" habe.

Montag nun, am 9. Juli 1934, wurde in Oranienburg Erich Mühsam zunächst einem ganz hohen Besucher des Lagers, dem Obergruppenführer Dietrich, kurz vorgeführt, welcher nach einem Blick lachend abwinkte. Bald darauf wurde er zu dem neuen Lagerkommandanten, eben jenem Herrn Eicke, gerufen. Zitternd kehrte er in den Tagesraum zu den Kameraden zurück; Eicke hatte ihm in aller Ruhe befohlen, sich binnen achtundvierzig Stunden zu erhängen; widrigenfalls passiere etwas . Ein Teil der Kameraden versuchte, ihn zu beruhigen, deutete den Befehl als einen der üblichen rohen Scherze. Andere nahmen ihn ernst, weil Mühsam, an Zynismus gewöhnt, ihn selber ernstnahm. Einer riet ihm, brüllend durch den Raum zu rennen: "Man will mich ermorden! Man will mich ermorden!" Hörten das hundert Menschen, meinte die ratgebende Person, dann würde man ihn zwar wohl aufs grausamste Peinigen, aber den Mord nicht wagen. Mühsam entschloß sich leider nicht, diesem Rat zu folgen. Einige Stunden später eröffnete ihm Eicke (nach andere Version: dessen Adlatus Sturmführer Eckhardt), man wolle nicht länger warten: die Sache müsse bereits heute abend geschehen. Mühsam erhielt den Auftrag, abends nach zehn, das heißt zu einer Zeit, wo die andern Schutzhäftlinge schon schlafen mußten, mit der Litewka Eicke`s , der er zu Säuberung erhielt, und mit einem Strick im Zimmer des Kommandanten zu erscheinen. Mühsam säuberte die Jacke, bei dieser Tätigkeit sahen ihn gegen zehn auf dem Hofe die letzten aus dem "M - Zug" ins Schlafgebäude heimkehrenden Kameraden und grüßten ihn; mit der Jacke und einem Stück Wäscheleine, das er sich abgeschnitten hatte (befehlsgemäß!), muß er sich dann in das neben dem Schlafhaus liegende Verwaltungsgebäude begeben haben. Er kehrte nicht wieder zurück; am nächsten Morgen (Dienstag, 10.Juli) war sein Strohsack leer. Kurz nach Mühsam` s Fortgang, Montag abend, hatte Himmelstoß, wie üblich, die Kompagnie inspiziert; auf seine Frage, ob Alle zur Stelle, hatte er die Antwort erhalten: "Alle, außer Mühsam!", worauf er geäußert hatte: "Das weiß ich, der hat jetzt Dienst." Am Morgen, beim Wecken, fragte Himmelstoß auffälligerweise nach Mühsam. Als man ihm mitteilte, der sei nicht wiedergekommen, rief er: "Dann wollen wir ihn suchen!" Nahm sich ein paar Gefangene und ging mit ihnen spornstreichs über den Hof zum Klosetthaus. Dort, im vorletzten Abteil, hing Erich Mühsam, tot, gelb, den Hals an einen Balken geknüpft, der Körper längs einer der Holzwände, die Abteil von Abteil trennten. Himmelstoß tat überrascht. Nicht viel später wurde allen Gefangenen der Zutritt zu den hinteren Abteilungen des Klosetthauses verboten. In der Zwischenzeit hatte aber eine Gruppe von Kameraden, die durch ihren Beruf (Seeleute, Hafenarbeiter) ein fachmännisches Urteil über das Knüpfen von Schlingen besaßen, einmütig festgestellt, daß der Strick mit einer Kunst geknüpft war, wie sie dem manuell sprichwörtlich ungeschickten Mühsam niemand nur von ferne zutrauen konnte. Der Knoten mußte das Werk eines Spezialisten sein. Auch war der Abstand zwischen Balken und Schlinge so gering, daß kein lebendiger Mensch da hätte seine Kopf hindurchzwängen können. Zum Überfluß erwies sich der Staub de Holzwand, an der die Leiche hing, als ungeschrammt. Die Zunge hing nicht heraus; die Fäuste waren geballt. Übrigens hatten Kameraden der sechsten Kompagnie, die in ihrer Besorgnis um Mühsam keine Schlaf hatten finden können, beobachtet, daß in der Nacht das Licht auf dem Hof zweimal aus- und wieder angegangen war.

Den Gefangenen, ohne jede Ausnahme, war klar, daß man Erich Mühsam im Kommandantenzimmer ermordet und die Leiche, um einen Selbstmord vorzutäuschen, im Klosetthaus aufgehängt hatte. Auch bei den abgesetzten, noch übergangsweise amtierenden SA - Herren bestand hierüber nicht der geringste Zweifel. Aus ihren Äußerungen ging das hervor. Herr Stahlkopf, der in der Mordsache selbst ein halbwegs reines Gewissen haben durfte, wurde von dem umso schlechteren, das er im allgemeinen Mühsam gegenüber hatte, getrieben, zur eigenen Entlastung Erklärungen abzugeben, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Himmelstoß war vermutlich weder Anstifter noch Mitwisser, hatte den Leichnam auf seinem Rundgang in der Frühe entdeckt und wünschte sich durch das "Suchen" ein Alibi zu schaffen, daß freilich recht plump war. Das ausgedrehte Licht auf dem Hof bezeichnete die Minuten, während deren der Ermordete über den Hof getragen wurde, und den Rückweg der Mörder. Über die Methode der Ermordung sind einstweilen nur Vermutungen möglich. Im Lager herrschte die Auffassung vor, daß Mühsam beim Eintritt in das Kommandantenzimmer, das man übrigens durch ein um diese Stunde unbenutztes Vorzimmer betreten mußte, von mindestens zwei Männern sofort gepackt und von einem dritten erdrosselt worden ist. Erdrosselt, da Würgemale und Zeichen von Schlag- oder Schußverletzungen fehlten. Womit erdrosselt, blieb ungewiß; das kurze Stück Wäscheleine hatte offenbar zum Aufhängen der Leiche gedient.


Baba Yaga

PS.:
Ich habe einen Verleger gefunden, mit welchem ich das Büchlein "Konzentrationslager" neu auflegen werde, damit diese Schrift nicht verloren geht, oder in Vergessenheit gerät.
Besondere Bedeutung hat diese Chronologie über die bereits 1933/34 eingerichteten Konzentrationslagern für meine Wohnregion. Von hier kamen viele Schutzhäftlinge, Gefolterte und Ermordete, aber auch eine große Anzahl jener Verbrecher, die sich an den Opfern schuldig machten!
Sie sind mit Namen und Wohnorten genau beschrieben!


[editiert: 26.12.03, 18:03 von Baba Yaga]
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Baba Yaga


New PostErstellt: 26.12.03, 18:17  Betreff: Re: Mein Gefängnis - Erich Mühsam-Fundsache Eicke!  drucken  weiterempfehlen



Theodor Eicke

Hier eine Beschreibung seines Lebenslaufes von Michael Schröders:



"Ein gescheitertes Leben:
Ein Kind des Krieges zunächst: mit 17 Jahren abgebrochene Realschule und Eintritt in das 23. bayerische Infanterieregiment, wurde Eicke Zahlmeister beim 3. und ab 1916 beim 22. bayerischen Infanterieregiment. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges als "Berufssoldat" vor dem beruflichen Nichts stehend, versuchte er sich am Wohnort seiner Frau in Ilmenau mit einem - auch angesichts der von seinem Schwiegervater entzogenen Unterstützung - gescheiterten Studium, um sodann, 1920, die Polizeilaufbahn zunächst als Spitzel und dann im regulären Polizeidienst einschlagen zu wollen. Immer wieder aber scheiterte er - an seiner fehlenden Schulausbildung, vor allem aber an seinem Hass auf die Weimarer Republik und an der Teilnahme an - für Polizeibeamte verbotenen - politischen Demonstrationen mit gewalttätiger Neigung. Schließlich fand er 1923 eine Anstellung beim IG-Farben-Konzern in Ludwigshafen - als Mitarbeiter und dann Leiter des internen Werk-Spionagedienstes. Immer noch blieb er aber politisch aktiv, was ihn schließlich am 1. Dezember 1928 mit der Mitgliedsnummer 114901 in die NSDAP führte - und in Röhms Saal- und Straßenschlachttruppe SA, die er im August 1930 zugunsten der SS um der verbesserten Aufstiegsmöglichkeiten willen verließ. Unter schneller Beförderung angesichts seiner Anwerbung neuer Mitglieder und der Organisation der SS in der bayerischen Pfalz bis Ende 1931 von Heinrich Himmler zum SS-Standartenführer (Oberst) befördert, blieben jedoch seinem Arbeitgeber seine politischen gewalttätigen Aktivitäten nicht verborgen - Anfang 1932 wurde er zunächst von der IG Farben entlassen, um zugleich in Bayern Bombenanschläge auf politische Gegner vorzubereiten, was ihm im Juli 1932 die Verurteilung zu zwei Jahren Gefängnis einbrachte. Protektion durch den späteren Reichsjustizminister Franz Gürtner verhinderten die Verbüßung dieser Haftstrafe, Eicke floh auf Befehl Himmlers nach Italien, um dort ein Lager für geflohene SS-Männer zu übernehmen. Und damit beginnt Theodor Eickes eigentliche, die politisch-gewalttätige Karriere:



Der KZ-Wächter - und Mörder
Nach der Rückkehr im März 1933 zunächst in politische Auseinandersetzungen mit dem Gauleiter Joseph Bürckel verwickelt, die Eicke einen mehrmonatigen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in Würzburg und die zeitweise Streichung aus den Personalverzeichnissen der SS einbrachte, erinnerte sich Himmler seines Schützlings erst wieder im Juni 1933. Der Anlass waren Beschwerden und Strafverfahren gegen den ersten Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau, Hilmar Wäckerle, wegen der Ermordung mehrerer Häftlinge. Eicke übernahm am 28. Juni 1933 die Kommandantur in Dachau und reformierte dieses Lager mit Hilfe neuer Wachvorschriften, einer verschärften Disziplinar- und Strafordnung für die Häftlinge und nicht zuletzt eines auf blinden Befehls- und Gehorsamsprinzipien aufbauenden Drills der Wachmannschaften zu jenem Musterlager aller KZ im Dritten Reich: insbesondere Eickes Strafvorschriften wurden in den Folgejahren auf alle KZ ausgedehnt. Radikaler Antisemitismus und Antibolschewismus, unbedingter Gehorsam gegenüber ihm als Kommandanten wie auch gegenüber der SS-Führung und Hitler sowie die reformierte Lagerverwaltung beeindruckten Himmler so sehr, dass er Eicke am 30. Januar 1934 zum SS-Brigadeführer (Generalmajor) beförderte und ihm im Mai 1934 die Leitung der unter dem Reichsführer SS und Chef der preußischen Gestapo zentralisierten KZ in der "Inspektion der Konzentrationslager" zusagte, die Eicke ab dem 4. Juli 1934 begann - in formaler Hinsicht dem SS-Hauptamt unterstellt, tatsächlich jedoch nur Heinrich Himmler verantwortlich.

Zuvor allerdings legte Eicke, auf Befehl Hitlers und Himmlers, eine Probe seines Gehorsams gegenüber der Staats- und Parteiführung ab: er ermordete gemeinsam mit seinem Adjutanten Michael Lippert am 1. Juli 1934 abends den im Stadelheimer Gefängnis inhaftierten SA-Chef Ernst Röhm - ein Vertrauensbeweis gegenüber Hitler und Himmler, der ihm die Beförderung zum SS-Gruppenführer (Generalmajor) einbrachte, nachdem er mit ausgesuchten Untergebenen der Dachauer Wachmannschaften bereits am 30. Juni Sepp Dietrichs Einheiten der "SS-Leibstandarte Adolf Hitler" bei der Inhaftierung der wichtigsten SA-Führer behilflich war. Eickes Skrupellosigkeit in der Befolgung rechtswidriger Befehle zeigte sich hier zum ersten Mal in ausgeprägter Form.

Die Reorganisation der KZ, die Eicke bis 1939 übernahm, bestand in der Auflösung der weit verstreuten, provisorischen Lager, so dass bis zum August 1937 nur noch vier große Lager bestanden: Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald und das Lager Ravensbrück bei Lichtenburg; Neubauten in Österreich 1938 (Mauthausen) und die Reorganisation der Lagerverwaltungen nach dem Dachauer Modell ließen die Inspektion der Konzentrationslager ebenso wie die Einführung von Zwangsarbeit als wirtschaftliche Unternehmungen zu einem mächtigen innenpolitischen Instrument der SS werden, das Eicke auch die Feindschaft z.B. Reinhard Heydrichs einbrachte, der bereits als Chef der Bayerischen Politischen Polizei erfolglos versucht hatte, Dachau unter seine Kontrolle zubringen. Eicke setzte sich, mit Hilfe Himmlers, durch, so dass die KZ bis 1945 nicht nur die von ihm eingeführte Verwaltungsstruktur einschließlich des in Dachau eingeführten Disziplinarkatalogs für die Häftlinge behielten, sondern nach Überführung der IKL in das Amt D des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes unter Oswald Pohl 1940 nicht der Gestapo bzw. dem SD unterstellt wurden. Dies brachte Eicke auch innerhalb der SS einen furchteinflößenden Ruf ein: "er galt als brutaler und bösartiger Charakter. Immer misstrauisch, eifersüchtig, grausam, humorlos und von einem krebsartig wuchernden Ehrgeiz geplagt, war Eicke ein echt fanatischer Nationalsozialist" (Sydnor, Soldaten des Bösen S. 21) - und voll Hass gegen jeden, der nicht dieser Ideologie folgte.

Eickes Einstellung wirkte sich zunehmend auch aus auf die Wachmannschaften; gehörte es in der Frühzeit der Lager zur alltäglichen Praxis, dass jeder Wachmann nach eigenem Gutdünken Häftlinge grausam und sadistisch behandeln konnte, so sorgten nicht nur Eickes Straf- und Disziplinarvorschriften für eine disziplinierte Atmosphäre der Grausamkeit: "Eickes Absicht war, seine SS-Männer durch seine dauernden Belehrungen und entsprechende Befehle über die verbrecherische Gefährlichkeit der Häftlinge von Grund auf gegen die Häftlinge einzustellen, sie auf die Häftlinge `scharf zu machen´, jegliche Mitleidsregung zu unterdrücken. Er erzeugte damit, durch seine Dauereinwirkung in dieser Richtung, gerade bei den primitiveren Naturen, einen Haß, eine Antipathie gegen die Häftlinge, die für Außenstehende unvorstellbar ist. Diese Einstellung hat sich in allen KL auf alle dort diensttuenden SS-Männer und -Führer weiterverbreitet, weitervererbt, noch viele Jahre nach Eickes Abgang als Inspekteur" (Rudolf Höß: Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen. Herausgegeben von Martin Broszat. - 14., durchgesehene Auflage München 1994, S. 97f.). Neben Höß gehörten im übrigen auch viele weitere KZ-Kommandanten wie Franz Ziereis (Mauthausen), Karl Koch (Buchenwald) und sein ehemaliger Adjutant Max Kögel (Majdanek) zu Eickes "Schülern" in Sachen systematischer Terror und Mord.

Höß spricht Eickes Befähigung als Ausbilder an, die bereits in Dachau, vielmehr aber noch ab dem Frühjahr 1936 seine Interessen bestimmte mit der Vergrößerung, der Ausbildung und Organisation der Wachverbände des KZ-Systems, der SS-Totenkopfverbände. Der Einteilung in sechs regionale Sturmbanne (Bataillone) 1934 folgte die Anerkennung Hitlers als Verbände der Partei und deren Finanzierung über den Reichshaushalt im September 1935; bis zum März 1936 wurden die Verbände dann auf 5.500 Mann vergrößert, bis März 1938 bestanden - einschließlich einer neu aufgestellten Einheit in Oberösterreich - vier SS-Totenkopfstandarten (Regimenter) zu je 3 Bataillonen. Bis zum Kriegsbeginn betrug mit ausdrücklicher Billigung und Unterstützung Hitlers nach einem Geheim-Erlaß vom 17. August 1938 schließlich infolge der Bestrebungen Himmlers, eine verstärkte Polizeireserve "zur Lösung von Sonderaufgaben polizeilicher Natur" zu schaffen, die Stärke der Totenkopf-Verbände 22.033 Mann, die als motorisierte Infanterieregimenter ausgerüstet waren, bis zum Kriegsbeginn gar 24.000 Mann. Diese wurden zum Stammpersonal jener "3. SS-Division Totenkopf", die als Teil der Waffen-SS im Krieg zu einer der militärisch erfolgreichsten, vor allem aber angesichts ihrer Kriegsverbrechen gefürchtetsten Einheiten der Waffen-SS wurde. Ihre Ausbildung als KZ-Wächter wie als fanatische, weil politisch und ideologisch motivierte Soldaten war Eickes zentrale Aufgabe zwischen 1936 und 1939, aber auch in den Folgejahren als Kommandeur dieser Division.



Der Soldat - und Mörder ?
In Polen bestanden die "Sonderaufgaben" der Totenkopfregimenter "Oberbayern", "Brandenburg" und "Thüringen" unter der Befehlsgewalt Eickes im wesentlichen darin, im rückwärtigen Gebiet der 10. deutschen Armee bzw. der 8. Armee jene "Befriedungsaktionen" auszuführen, die zur Vernichtung jedes vermeintlichen oder tatsächlichen Widerstandes gerade der Zivilbevölkerung führen sollten - sprich: Festnahme und Tötung vermeintlicher Gegner wie Juden, Funktionären, Partisanen und "Aufrührern" durch die unter Eickes Befehl stehenden Totenkopfstandarten. Allerdings führte dieser erste, vermeintlich militärische Einsatz der Totenkopfverbände dazu, dass Himmler noch im Oktober 1939 von Hitler die Zustimmung zur Aufstellung von drei SS-Divisionen erhielt - darunter der 3. SS-Division "Totenkopf", deren Befehl Theodor Eicke übernahm. In Frankreich und im Vernichtungskrieg gegen die UdSSR zeichnete sich diese Truppe aus durch unerbittliche Härte gegen sich selbst und gegen ihre militärischen Gegner, aber auch durch zahlreiche Kriegsverbrechen, darunter die Ermordung britischer Kriegsgefangener 1940 in Le Paradis, die Ermordung russischer Kommissare oder das Ausplündern und Niederbrennen russischer Dörfer. Die "Totenkopfdivision" machte unter Eickes Befehl wie auch unter seinen Nachfolgern ihrem Namen alle Ehre, wobei auch eigene hohe Verluste angesichts von Eickes fehlender militärischer Ausbildung und seines unbedingten Offensivdranges in Kauf genommen wurden. Ob während des Vormarsches 1941, während der Sommeroffensiven 1942 bis zur Eroberung von Charkow, im Kessel von Demjansk oder bei der Verteidigung Warschaus und Budapests 1944/45: Eickes Division zeichnete sich stets aus durch eine fanatische Hartnäckigkeit bis hin zur Selbstaufgabe, durch sehr hohe Verlustzahlen und eine äußerst grausame Kriegführung. Insofern war die Totenkopfdivision, als Geschöpf Eickes, die logische Fortsetzung seiner gewalttätigen Politik in den Konzentrationslagern, eine gewalttätige Soldateska, die auch vor Mord ebenso wenig zurückschreckte wie ihr Kommandant, der das Kriegsende selbst nicht erlebte: Theodor Eicke fiel, 1942 noch zum Obergruppenführer befördert, am 26. Februar 1943 auf der Suche nach einer Einheit, als sein Flugzeug von russischer Infanterie abgeschossen wurde. Dieser "Heldentod", wie er von der zeitgenössischen Propaganda genannt wurde, ersparte ihm wahrscheinlich eine Verurteilung als Kriegsverbrecher. Als Schöpfer und Organisator der Konzentrationslager und ihres von ihm systematisierten Terrors, als Truppenführer, Ausbilder und militärischer Befehlshaber war Eicke derjenige Vertreter des NS-Regimes, der nächst Hitler das Halten der Stellung bis zum letzten Gefecht auch in aussichtslosen Abwehrkämpfen praktizierte - auch auf Kosten der eigenen Soldaten, die ihn gleichwohl als "Papa Eicke" ebenso verehrten wie fürchteten. Ein Vollstrecker revolutionär-gewalttätiger Politik - und ein Mörder, der die in Nürnberg 1946 als verbrecherisch beurteilte Organisation "SS" wesentlich prägte.

Autor: Michael Schröders
aus:http://www.shoa.de/p_theodor_eicke.html+Eicke&hl=de&lr=lang_de&ie=UTF-8


[editiert: 26.12.03, 18:23 von Baba Yaga]
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