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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen

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Gast
New PostErstellt: 09.12.07, 18:31  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Lea-Sophie
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Verhungert am 20. November

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© Patrick Lux/AP
Schweriner haben vor das Haus Kieler Straße 15 Kerzen und Plüschtiere gestellt


Von Bernd Volland

Sie erträumten sich ein Zuhause und sperrten die Welt aus. Doch ihre Tochter Lea-Sophie machte in der Idylle nicht mit. Nicole G. und Stefan T. gaben die Fünfjährige auf - und ließen sie sterben.

Am Ende mussten sie doch noch Eindringlinge in ihr Reich lassen. Oben im vierten Stock, Kieler Straße 15, Schwerin, dort, wo auf dem Balkon die Geranien ordentlich in den Blumentopf gebettet sind. Dort, wo gleich zwei Fußabstreifer den Weg zur Wohnungstür weisen und dafür sorgen, dass ja nichts hineingetragen werden kann in die kleine Welt. Mein Heim ist meine Burg.

Das kleine Mädchen sieht man fast nie
Es waren der Notarzt und die Sanitäter, die kamen. Als an jenem Dienstag vergangener Woche Stefan T. und Nicole G. mit ihren beiden Hunden und dem Brüderchen Justin in die Wohnung zurückkehrten, hing Lea-Sophie ohnmächtig in ihrem Stühlchen, fünf Jahre alt, 7,4 Kilogramm leicht, dürr, zusammengesackt. Das Gesicht war blau angelaufen, sie war schon so gut wie tot - verhungert und verdurstet. Nicole nahm das Kind in den Arm, Stefan rief den Arzt. Es war das Ende.
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Monster seien die Eltern, sagen die Menschen, die Kerzen vor dem Haus abstellen - dabei hatte Nicole, die Mutter, noch am Morgen des Tages Fußabdrücke von ihrem zwei Monate alten Sohn und sich in Gips gedrückt, um sie zu rahmen, als liebevolles Abbild einer heilen Welt. Asoziale Verwahrloste müssten das sein - aber Polizeibeamte sagen, sie hätten noch nie eine solch saubere Wohnung gesehen. Im Frühjahr 2004 ziehen Nicole G. und Stefan T. in den fünfstöckigen Plattenbau. Es gibt tristere Gegenden, das Haus ist frisch renoviert, Grünflächen vor jedem Block, Spielplätze, viel Luft und viel Licht. Die Mitbewohner haben schnell das Gefühl, dass das neue Paar wenig mit dem Rest der Welt zu tun haben will, zumindest nicht mit ihnen; es trägt beim Einzug den Schneematsch hinein und schert sich nicht drum, putzt auch nicht, als es darauf angesprochen wird. Ein Kind hat es nicht dabei, nur zwei Hunde. Irgendwann kommt ein kleines Mädchen nach, aber man sieht es fast nie, und die Rentner, die hier wohnen, haben durchaus Zeit zu beobachten, was im Haus vor sich geht. Manche wissen bis zuletzt nicht, dass es dieses Mädchen gibt. Die Wohnung war eine Festung, in die das Paar niemanden eindringen lassen wollte.
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© Olaf Ballnus
Die Wohnungstür ist von der Polizei versiegelt; die Eule ein letztes Relikt der heilen Welt

Die beiden lernen sich nicht in einer Disco kennen, sondern auf einem Laubenfest in der Kleingartenkolonie, wo ihre Eltern Nachbarn sind. Nicole, 17, und Stefan, 20, sind keine Partykinder. Sie ein etwas schüchternes, hübsches Mädchen, er drahtig und "umgänglich", wie Nicoles Vater heute sagt. Nicole macht ihren Hauptschulabschluss und beginnt eine Lehre als Bürokauffrau bei der IHK. Stefan, mit mittlerer Reife, macht eine Lehre zum Kfz-Lackierer. Dann, nach ein paar Monaten, wird Nicole schwanger. Und was bei anderen sehr jungen Paaren leicht zu Problemen führt - hier führt es zu einer Katastrophe, deren Ursachen womöglich weit zurückliegen. "Die Elternschaft beginnt sogar schon in der eigenen Kindheit", sagt Prof. Peter Riedesser, Kinderpsychiater am Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE), "die Beziehungserfahrungen, die ein Mensch selbst als Kind macht, bleiben bewusst oder unbewusst in ihm als Beziehungsmodelle festgeschrieben." Und sie können sich wiederholen, weitergegeben werden, oft über Generationen hinweg.

"Traumatisierte Kinder wollen oft eine heile Familie gründen"
Stefan T. ist ein Scheidungskind, sechs Jahre alt, als seine Eltern sich trennen. Zum Vater, einem Fernfahrer, hat er wenig Kontakt, die Mutter findet einen neuen Mann, mit dem er sich nicht gut versteht. Das erzählt Stefan T. einmal einem Bekannten. Und auch, dass er mit seinem Stiefvater um die Liebe seiner Mutter kämpfen musste und verloren habe. Das ist seine Geschichte. Aber auch seine Freundin hat ihre Geschichte. Nicole G. ist ein Adoptionskind. Als Baby kam sie zu den Eltern, die sie heute Vater und Mutter nennt. In Wahrheit sind der Bruder und die Schwägerin ihres Adoptivvaters ihre leiblichen Eltern. Ein schwieriges Paar, insgesamt fünf Kinder, eines Tages wird der Vater, schwer traumatisiert von seiner Haft im Stasi-Gefängnis, ertrunken in einem See gefunden, Todesursache ungeklärt. Nicole erfährt erst als Jugendliche, dass der schwierige Onkel und diese Tante, die nach dem Tod des Mannes auch ihre restlichen Kinder zur Adoption freigibt, ihre leiblichen Eltern sind.

"Traumatisierte Kinder haben oft einen besonders großen Wunsch, eine heile Familie zu gründen. Kommt es dann zu einer Schwangerschaft", erklärt Riedesser, "entwickeln sie oft eine Menge von inneren Bildern, Fantasien, wie ein Kind in ihrer heilen Familie sein sollte. Ein Fantasiekind." 18 Jahre ist Nicole G. alt, als Lea-Sophie zur Welt kommt. Nicole G. bricht ihre Lehre ab, will sie auch nicht mehr aufnehmen. Anfangs lebt sie mit Lea-Sophie bei ihren Eltern. Stefan T. ist nicht bei Freundin und Baby, er leistet seinen Wehrdienst, will sich für vier Jahre verpflichten, Unteroffizier werden. Er wird als ein Mensch beschrieben, der Wert auf Zucht und Ordnung legt, keiner, der rumkaspert, vielleicht ist er beim Bund gut aufgehoben.

Lea-Sophie ist ein Frühchen, geboren nach sieben Monaten Schwangerschaft, sie ist klein und schwächlich, sie ist unruhig und will nicht so recht essen. Die Mutter fühlt sich überfordert, die Großmutter kümmert sich. Doch das Bemuttern vonseiten der Familie sei nervtötend gewesen, sagt Stefan T. rückblickend. Seine Armeekarriere endet, noch ehe sie beginnt. Als Panzergrenadier ist er zu weit von zu Hause stationiert, kann nicht täglich pendeln. Die Familie aber braucht ihn, so schildert er es heute. Er kehrt nach Schwerin zurück. Das Paar sucht sich schließlich eine Wohnung. Das neue Heim soll ein Paradies werden, die Großeltern richten das Kinderzimmer ein, sie unterstützen das Paar. Ein rosa Bettchen für Lea-Sophie, Gardinen mit Walt-Disney- Cinderellas, Kuscheltierarmeen. Hier soll für Stefan und Nicole das Leben auf eigenen Beinen beginnen, die eigene Familie, die nicht mehr die Familie ihrer Eltern ist.


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stern-Artikel aus Heft 49/2007
http://www.stern.de/politik/panorama/604474.html

Lea-Sophie
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Verhungert am 20. November

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© Olaf Ballnus
Sanierter Plattenbau in Schwerin-Lankow. Hier im obersten Stock des Hauses Kieler Straße 15 schufen sich Stefan und Nicole ihr Reich - Geranien auf dem Balkon inklusive


Doch von Anfang an, erzählt Stefan dem Bekannten, habe seine Freundin entsetzliche Verlustängste gehabt, sie sei ständig in Sorge gewesen, dass ihr das Kind weggenommen würde. Daher die Scheu vor dem Jugendamt, vor Kita- Erzieherinnen und Kinderärzten. Vor ihnen wird das Paar fliehen, mit großer List, wobei es nicht schwer ist, das Amt zu überlisten.
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Es wird ein komplizierter Fall
Wie ein schüchternes Mädchen habe seine Mandantin auf ihn gewirkt, als er sie jetzt zum ersten Mal sah, sagt Ullrich Knye, der Anwalt von Nicole G. Er blickt müde. Es wird ein komplizierter Fall. Vor Jahren bereits vertrat er eine 19- Jährige, die ihr Kind verhungern ließ und es im Müll entsorgte. Sie war drogenabhängig. Sie bekam viereinhalb Jahre Jugendhaft, viele haben das für viel zu milde erachtet. Seine jetzige Mandantin nimmt keine Drogen, beide Eltern rauchen nicht, sie trinken nicht, ja, sie essen auch selbst wenig, zwei ausgemergelte Gestalten.
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© Olaf Ballnus
Anwalt Ulrich Knye vertritt Nicole G. Er sagt, seine Mandantin sei überfordert gewesen

"Meine Mandantin war überfordert", sagt der Anwalt. "Das Kind war nicht einfach, und sie selbst wurde im Stich gelassen. Stefan T. hat zu seiner Tochter nie eine Bindung aufbauen können, er fand nicht statt als Vater." Stefan T. sei sehr dominant gewesen, sagt Nicoles Vater Norbert G., sie habe sich von ihm unterbuttern lassen. "Er war nicht der ideale Mann, nicht gerade fleißig, sie hätte sich wohl ganz anders entwickelt, hätte sie einen anderen kennengelernt." Nie habe Stefan T. Arbeit gesucht, auch Nicole nicht dazu motiviert, nie im Haushalt geholfen, sie sei ganz auf sich selbst gestellt gewesen. Selten habe er sein Kind auf den Schoß genommen, erzählen Verwandte, und Nicole sei immer schweigsamer, immer schüchterner geworden, er habe sie regelrecht kontrolliert. Oft wenn er sah, dass sie mit jemandem vor dem Haus sprach, sei er runtergekommen, habe sich dazugestellt, am Schluss waren beide nur noch selten draußen zu sehen. Stefan T. hingegen sagt, er habe sich dafür geschämt, arbeitslos zu sein, deswegen habe er sich nicht aus dem Haus gewagt. Und bei Haushalt und Erziehung habe seine Freundin das Sagen gehabt, er hätte manches anders gemacht, nur weil er sich nicht durchsetzen konnte, habe er sich zurückgezogen. Aber das Kind habe er geliebt.

Er bleibt ein arbeitsloser Lackierer mit arbeitsloser Frau
Stefan T. nennt seine Tochter "meine Prinzessin", doch das macht ihn selbst noch nicht zum König. Es gelingt Nicole und Stefan nicht, eine wirkliche Beziehung aufzubauen, geschweige denn eine Familie, wie sie sich eine erträumten. Er bleibt ein arbeitsloser Lackierer mit arbeitsloser Frau. Immerhin errichtet er eine Festung mit ihr, ihr Heim wird ihre Burg. Und die Mauern werden weit hochgezogen. Niemand im Haus kann sich erinnern, dass je Freunde zu Besuch kamen. Selten, dass das Paar die Wohnung verließ, wenn, dann erst nachmittags. Vater fährt das Auto vor, Mutter und Hunde kommen die Treppe runter, steigen ein, und weg fährt der Wagen, als sei es eine konspirative Aktion. Und die Tochter? Man sieht sie nicht, die Nachbarn glauben, sie sei bei Verwandten.

Ein Leben in der Festung. Man sieht fern, der Vater flieht in andere Welten, die ihm sein Computer liefert, die Mutter spielt Hausfrau, putzt und putzt die Wohnung, dreimal am Tag, sagt Stefan T. Sie kümmert sich um die Hunde Jerry und Leo, die beiden Katzen, die sie auf der Straße aufgelesen hat, und die Meerschweinchen. Sie selbst laufen in einem Hamsterrad der Leere und Sinnlosigkeit. Und die "Prinzessin" ist schwierig. Sie will oft nicht essen. Stefan ist streng mit der Kleinen, so schildern es die Großeltern. "Er hat zu viel von dem Kind gefordert. Es sollte schon mit drei Jahren still sitzen, Guten Tag sagen, sich die Schuhe selbst binden", sagt Norbert G. Es ist ein Kind, das nicht so ist, wie man es sich wünschte, in einem Leben, das auch nicht so ist, wie man es sich wünschte. "Das reale Kind hat viele Bedürfnisse", sagt der Psychiater Riedesser, "es ist vielleicht ein Schreikind, weckt einen mehrfach nachts auf, ganz anders, als die Eltern es sich beim Fantasiekind ausgemalt haben. Und je stärker die Enttäuschung verfestigt ist, desto stärker kann bei Eltern das Gefühl eintreten, sie würden gequält. Das Kind sei ein kleiner Teufel, der die heile Familienwelt, in der ein pflegeleichtes Kind als Sonnenschein lebt, zerstören will."

Trennungsversuche ersticken im Streit
Das Leben in der Burg wird nicht besser. Die jungen Eltern streiten sich häufig, eine Mieterin unter ihnen zieht deshalb sogar aus. Mindestens einmal sei Stefan T. seiner Freundin gegenüber handgreiflich geworden, sagt Nicole G.s Anwalt. Sie habe mehrmals versucht, sich von ihm zu trennen. Doch diese Anflüge werden im Streit erstickt, Spiegel und Geschirr zerbrechen, Füße treten in Türen. Längst wird von allen Seiten an der Fassade gekratzt. Im Haus klagen die anderen Bewohner darüber, dass Stefan T. seinen Wagen auf den Behindertenparkplatz stellt, und über die Hundehaare im Treppenhaus. Sie beschweren sich bei der Hausverwaltung, die den beiden die Tierhaltung verbietet, doch die Tiere bleiben. Und das Kind isst wenig, das Kind ist schwierig. Die Großeltern sagen ihnen, dass sie sich Sorgen machen, aber Stefan T. will sich nicht dreinreden lassen, es ist sein Kind.

Am 2. November 2006 wendet sich Norbert G. erstmals an das Jugendamt. Die Großeltern haben das Gefühl, sie dringen nicht mehr durch, sie sorgen sich um die Enkelin, die dünn und unruhig wirkt. "Ich habe gesagt, sie sollen sich das Kind anschauen, ein Brief reiche nicht aus", sagt er. Und er warnt das Amt. "Ich habe gesagt, sie sollen sich nicht von einer sauberen Wohnung und ordentlicher Kleidung blenden lassen." Das Amt bietet den Eltern eine Beratung an, per Brief. Die haben kein Interesse. Drei Tage nach Lea-Sophies Tod sitzen im Rathaus von Schwerin zwei Herren mit Krawatten vor der Presse und sprechen sich frei. "Wir erkennen nicht, dass der Mitarbeiter zwingend hätte anders handeln müssen", sagt Sozialdezernent Hermann Junghans. "Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können", sagt Schwerins Oberbürgermeister Norbert Claussen. Und: "Der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt."

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stern-Artikel aus Heft 49/2007
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Lea-Sophie
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Verhungert am 20. November

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© Jens Büttner/DPA
Oberbürgermeister Norbert Claussen und Sozialdezernent Hermann Junghans müssen sich rechtfertigen

Schwerin ist in der Tat kein Einzelfall. In Hamburg verhungerte 2005 die sieben Jahre alte Jessica. Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt sieben Kinder wie sie. All das hat keineswegs nur mit Pech zu tun. Neue Stellen beim Jugendamt werden nicht wieder besetzt, klagte dessen Leiterin bereits im Vorjahr, die Mitarbeiter seien frustriert und überlastet, aber nichts änderte sich. Sie warnte vor dem Jugendausschuss: Auch in Schwerin könnten Kinder wie Jessica sterben. Am 26. Juni 2007 wendet sich der Großvater noch einmal an die Behörde. Er wird gefragt, ob das Wohl des Kindes in Gefahr sei, dann würde man die Polizei schicken. Es klingt fast wie eine Drohung. Norbert G. hat Sorge, dass den Eltern das Kind genommen wird, er verlässt das Stadthaus ohne eine weitere Auskunft des Amtes. "Beratungsgespräch erfolgt", wird in den Akten notiert. Ein Beratungsgespräch mit dem Großvater.
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Die Mauern werden immer höher gezogen
Nicole G. hatte zu dieser Zeit bereits vom ersten Besuch ihres Vaters beim Jugendamt erfahren, es dürfte das Verhältnis nicht verbessert haben. Auch haben die Eltern sie und Stefan T. ins Gebet genommen, sie sollten sich Arbeit suchen. Nun schließt sich die Tür endgültig. Vielleicht ist es die Angst, sich die eigene Überforderung eingestehen zu müssen, und die Unzulänglichkeit der eigenen Traumwelt. Vielleicht ist es, wie Stefan T. sagt, die Verlustangst der Mutter, die sie Hilfe ablehnen lässt. Vielleicht ist es aber auch die Unfähigkeit, sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Je mehr Signale von außen kommen, dass etwas schiefläuft, desto weiter werden die Mauern hochgezogen. Zu den Eltern von Stefan T. besteht schon länger kein geregelter Kontakt. Im Juni bekommen auch die Großeltern G. Lea-Sophie zum letzten Mal zu sehen. Ein- bis zweimal pro Woche hatte der Opa bisher Essen vorbeigebracht, Erbsen, Karotten, Kartoffelpüree, manchmal auch eine rosa Himbeer-Sahne-Torte. Nun steht er vor verschlossenen Türen.

Das Paar zieht sich immer mehr zurück. Selbst ihre Klingel klemmen sie ab. Sie sind nicht mehr zu erreichen. Die Kinder, die Eltern sein wollen, hören nun keine Ratschläge mehr, die sie als Vorwürfe empfinden könnten. Sie sind nun endgültig für sich. In einer Welt, die sie selbst geschaffen haben. Vielleicht vom Mann erzwungen und von der verschüchterten Frau erduldet, wie es Nicole G.s Vater sagt. Vielleicht von beiden. Es ist keine glückliche Welt, nur einmal glücklich erdacht. Aber womöglich ist ausgerechnet die kleine Lea-Sophie das letzte Wesen, das mit seiner unglücklichen Art diese Diskrepanz entlarvt. Doch das Paar, trotz Arbeitslosigkeit, trotz allen Streits, aller Kämpfe und aller Schwierigkeiten, träumt weiter. Träumt von einem zweiten Kind. Als Norbert G. im Juni erneut beim Jugendamt vorspricht, ist seine Tochter bereits wieder schwanger, ein Wunschkind. Und Lea-Sophie ist eifersüchtig auf ihr zukünftiges Geschwisterchen, auch wenn im Regal bereits ein Buch steht: "Ich bin jetzt eine große Schwester". Es gelingt den Eltern nicht, ihre Tochter auf die so herbeigesehnte Harmonie einzustimmen. Die Kleine schmeißt mit Sachen, sagt, ihr Brüderchen dürfe nicht in ihr Zimmer. Sie beginnt wieder einzunässen. Und, sagen die Eltern heute, sie weigert sich zu essen. Sie habe die Eltern erpressen wollen. Um was auch immer. Um Liebe?
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"Mit der zweiten Schwangerschaft begann das Verhängnis"
In der Kanzlei zieht der Anwalt ein Foto aus der Mappe, es zeigt Mutter und Tochter Ostern 2007, ein etwas gequält lächelndes Kind und eine schmale junge Frau, die angestrengt mit einem Kettchen spielt. Das Kind ist schmächtig, aber nicht klapperdürr. Die Großeltern hatten es im Sommer auf die Waage gestellt, 13 Kilo wog es, zu wenig, 16 bis 20 sind normal in diesem Alter, aber Frühchen bleiben oft etwas dünner. "Das eigentliche Verhängnis begann erst mit fortschreitender Schwangerschaft und mit der Geburt des Brüderchens", sagt Anwalt Knye. Am 12. November geht ein anonymer Anruf beim Jugendamt ein. Ein Nachbar sagt, er mache sich Sorgen um den Säugling, er sei kaum draußen zu sehen, die Mutter gehe nur abends mit ihm und den beiden Hunden an die frische Luft, der Kinderwagen stehe unbewegt im Keller. Und das größere Kind scheine nicht mehr im Haushalt zu leben. Zwei Mitarbeiter fahren in die Kieler Straße, die Familie ist nicht da oder öffnet nicht, man hinterlässt einen Brief. Am nächsten Tag erscheinen Nicole G. und Stefan T. mit Justin im Amt, der Säugling scheint gut versorgt. Seine Schwester sei bei Bekannten, sagen die Eltern.

In Wahrheit sitzt Lea-Sophie allein zu Hause und hungert. Die Kleine habe sich nicht zum Essen zwingen lassen, sagen die Eltern. Dabei hätte Nicole es immer wieder versucht, mit Früchten, zerdrückten Bananen, Erbsen, eigentlich Babynahrung. Lea-Sophie aber wird weniger und weniger, sie verfällt vor den Augen der Eltern. Die Mutter sagt, sie habe allein vor dem Problem gestanden, im Stich gelassen von ihrem Freund. Ihr Anwalt sagt, sie sei irgendwann lethargisch geworden, habe aufgegeben. "Natürlich muss es einen gewissen Realitätsverlust gegeben haben", sagt er. "Zumindest, dass sie keinen Arzt gerufen hat. Meine Mandantin kann es immer noch nicht begreifen, sie ist überzeugt, das Kind sei erstickt. Es könne nicht verhungert sein." Der Vater sagt, seine Tochter habe sich selbst zu Tode gehungert, dass so etwas tatsächlich möglich sei, habe man doch nicht ahnen können, und seine Freundin, das Adoptivkind mit Verlustängsten, habe auch zu große Furcht vor den Ämtern gehabt. Das ist schwer zu glauben.

Es ist auch schwer zu glauben, dass die Stadtoberen tatsächlich überzeugt sind, im Todesfall Lea-Sophie sei alles korrekt gelaufen, obwohl trotz dreier Warnungen keine Alarmglocken schellten. Aber vielleicht ist die Wahrheit noch schwerer zu glauben. Ein Kind mit 7,4 Kilogramm, mitten in Deutschland, verhungert und verdurstet, seit Wochen nicht mehr gepflegt, wie die Ärzte sagen, ein Kind, das am Gesäß einen Dekubitus hatte, eine wunde Stelle, wie man sie von bettlägerigen Senioren kennt. Und ein Vater, der, als er abgeführt wird, die Beamten anweist, sich um seine Hunde zu kümmern. Die Hunde sind jetzt im Tierheim. Sie leiden an Übergewicht.

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stern-Artikel aus Heft 49/2007
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New PostErstellt: 11.12.07, 11:16  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Tod von Lea-Sophie
Schwerin will Untersuchung

SCHWERIN -

Schwerin will in einem Untersuchungsausschuss klären, ob die Behörden im Fall der verhungerten Lea-Sophie Fehler gemacht haben. In dem Ausschuss sollen neun Mitglieder den Fall aufarbeiten und Verbesserungen im System der Kinder- und Jugendhilfe aufzeigen. Das Schweriner Jugendamt war in die Kritik geraten, weil es über die Probleme in der Familie informiert war.
dpa

erschienen am 11. Dezember 2007
http://www.abendblatt.de/daten/2007/12/11/826058.html
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Gast
New PostErstellt: 20.12.07, 23:28  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

SCHWERIN

Lea-Sophie: Politik will Fakten

20. Dezember 2007 | von Mathias Gröckel
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In Erklärungsnot: Jugendamtsleiterin Heike Seifert und Sozialdezernent Hermann Junghans Klawitter
Die Prüfung möglicher Fehler des Jugendamtes im Fall der vor fünf Wochen qualvoll verhungerten Lea-Sophie kommt nach Ansicht einiger Stadtvertreter viel zu schleppend voran. Die Verwaltung ignoriere die angesichts der Tragik des Falles gebotene Eile und habe bislang keine neuen Fakten über die Umstände des Todes vorgelegt, hieß es vor der heutigen zweiten Sitzung des Gremiums.

SCHWERIN - Die erste Sitzung des Ausschusses der Stadtvertreter, der die Umstände des Todes der vor fünf Wochen einen qualvollen Hungertod gestorbenen Lea-Sophie aufklären soll, sei "sehr unbefriedigend" verlaufen, sagt Silvio Horn von der Fraktion Unabhängige Bürger. Der für das Jugendamt zuständige Sozialdezernent Hermann Junghans habe lediglich eine zuvor bereits mehrfach vorgetragene Chronologie des Falles wiederholt und erneut beteuert, dass die Verwaltung keinen Fehler gemacht habe. "Etliche Ausschussmitglieder waren entsetzt, dass der Dezernent noch keine neuen Erkenntnisse vorlegen konnte", so Horn.

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Im Gegenteil: Vielmehr habe die Verwaltung am vergangenen Donnerstag erklärt, dass sie einige Mitarbeiter des Jugendamtes, die mit der Familie von Lea-Sophie in Kontakt gestanden hätten, noch nicht habe befragen können, weil sich die Verwaltungsangestellten derzeit im Urlaub oder im Mutterschutz befänden. "Diese Zwischenbilanz ist einfach nicht hinnehmbar", so Horn. Es könne nicht sein, dass sich die Verwaltung angesichts der Tragik des Falles so viel Zeit lasse. Denn: "Wir müssen einfach davon ausgehen, dass von der Behörde Fehler gemacht wurden, sonst hätten wir kein totes Kind zu beklagen", so Horn.

"Wir können uns keinen Stillstand leisten"Hintergrund: Lea-Sophie war wie berichtet am 20. November nur wenige Stunden nach ihrer Einlieferung in die Helios-Kliniken gestorben. Eine Obduktion ergab, dass das Kind nach monatelangem Martyrium in der elterlichen Wohnung in Lankow verhungert und verdurstet war. Die 23-jährige Mutter und der 26-jährige Vater sitzen in Untersuchungshaft. Das Jugendamt, das Sozialdezernent Hermann Junghans (CDU) untersteht, hatte trotz Hinweisen, dass es in der Familie Probleme gab, nicht darauf bestanden, das Mädchen zu sehen, was bundesweit auf Kritik stieß.

Auch die SPD ist unzufrieden mit dem bisherigen Aufklärungstempo: "Nach dem, was vorgefallen ist, können wir uns keinen Stillstand leisten", sagt die Fraktionsvorsitzende Manuela Schwesig. "Die Verlautbarungen der Verwaltung genügen unseren hohen Erwartungen an Fakten keinesfalls."

Auch die bündnisgrüne Fraktion meldet Kritik an. "Während in Bremen und im Saarland als Reaktion auf Kindesvernachlässigungen relativ schnell gehandelt wurde und Pflichtuntersuchungen für Kinder eingeführt worden sind, stelle ich in Schwerin gähnende Leere fest", so Fraktionsvorsitzender Manfred Strauß. Sein Fraktionskollege Edmund Haferbeck kritisiert, dass die CDU nicht auf den Vorsitz des Ausschusses zum Fall Lea-Sophie verzichtet habe, obwohl mit Dezernent Hermann Junghans und OB Norbert Claussen zwei Christdemokraten in die Kritik geraten seien. Mit dem parteilosen CDU-Fraktionsmitglied Prof. Johannes Klammt als Ausschussvorsitzendem sei eine unabhängige Aufklärung nur bedingt gewährleistet, so Haferbeck: "Wer meint, einen derart brisanten Ausschuss unter solchen Konstellationen arbeiten lassen zu können, muss sich fragen, ob er in der Politik, die dem Allgemeinwohl zu dienen hat, noch zu Hause ist." Sollte Klammt sich als befangen erweisen, würden die Bündnisgrünen den Ausschuss "platzen" lassen, so Haferbeck.

Heute tagt der Ausschuss zum Fall Lea-Sophie erneut. Die Stadtverwaltung kündigte gestern an, dass sie den Kommunalpolitikern in dieser Sitzung berichten werde, "welche Sofortmaßnahmen ergriffen worden sind und welche weiteren möglichen Schritte zur Zeit interkommunal und mit externen Sachverständigen geprüft werden". Darüber hinaus sollen nach SVZ-Informationen im nicht öffentlichen Teil der Sitzung auch Zeugen befragt werden, die die elterliche Wohnung kurz vor Lea-Sophies Tod gesehen haben. Bislang habe die Verwaltung ausgesagt,.
Weiterführende Links

MEHR AUF SVZ.DE
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Vorsorge soll Pflicht werden
Frühwarn-Netzwerk knüpfen


das Kinderzimmer sei liebevoll eingerichtet und im Haushalt genügend Essen vorhanden gewesen, sagt Silvio Horn von den Unabhängigen Bürgern und fügt hinzu: "Wir haben andere Hinweise."

Laut Informationen unserer Zeitung soll die Tapete rund um Lea-Sophies Bett abgerissen gewesen sein. Ein Indiz dafür, dass das kleine Mädchen in ihrer schlimmsten Hungersnot die Tapete gegessen hat?

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CHRISTINE EGGERT
20.12.2007 12:19
Profilierungsversuche von Lokal-Matadoren

Auch wenn die von Dezernent Junghans gelistete Chronologie des Todes von Lea-Sophie nicht eventuelle Probleme der Organisation des Umganges mit Problemfamilien betrifft, bieten (nicht die eigene Person betreffende Forderungen) von öffentlichkeits-vernarrten Darstellern der kleinpolitischen Bühne des Landeshauptdorfes immer wieder die Möglichkeit, engagiert zu erscheinen - und in der Presse zu stehen.
Dient diese Selbstdarstellungspolitik der dafür bekannten Herren noch tatsächlich dem Anliegen des Ausschusses? Nur miteinander können Probleme in der Struktur erkannt und geändert werden, um weitere Kinder zu retten. Nicht durch parteipolitische Propaganda und Eitelkeiten.
SILKE TIELKING
20.12.2007 13:42
Augen zu und durch!

Man könnte den Eindruck gewinnen die Verwaltung will hier auf Zeit spielen, in der Hoffnung irgendwann sind andere Themen aktuell und keiner spricht mehr über das Pech Lea-Sophie. Warum auch irgendetwas ändern, die Verwaltung und ihre Mitarbeiter haben doch alles nach "konkreten Vorschriften abgearbeiten" und da gibt es eben nichts zu ändern. Das ein Kind gestorben ist, ist nach Aussage des OB ja ohnehin Pech gewesen. Hätte auch andere Städte treffen können - hat es aber nicht und warum es nun unglücklicherweise Schwerin getroffen hat, muss jetzt schnell und ohne weitere Verzögerungen geklärt werden. Vielleicht können dann wenigstens andere Kinder vor diesem traurigen Schicksal zu bewahrt werden.
ERNST RODENBECK
20.12.2007 18:14
30 Tage danach

Wir haben heute den 20. Dezember, also auf den Tag genau 30 (i.W. dreißig) Tage nach dem Tod der Lea. Und was hat die Verwaltung, die nach den gewöhnungsbedürftigen Worten ihres Chefs, "Pech" gehabt hat, seither geschafft? Nichts! Sie legt die alte Platte wieder auf. Sam, spiels noch einmal...
Was ist denn so schwierig? Der Fall Lea besteht nun wirklich nicht aus Bergen von Akten, die erst penibel gesichtet werden müssen. Der Fall war ja angeblich kaum bekannt - also muss die Aktenlage doch wohl sehr übersichtlich sein. Das Bild, was der Herr sozialdezernent und seine Amtsleiterin abgeben, wird von Tag zu Tag peinlicher.
SILVIA MEYER
20.12.2007 21:40
Lea.Sophie Politik will Fakten

Vielleicht der richtige Zeitpunkt für Herrn Junghans und Frau Seifert die Lage zu überdenken und von ihren Posten zurück zu treten,um fähigere Leute ran zu lassen.Dieses Spiel auf Zeit ist einfach nur wiiederlich.
http://www.svz.de/lokales/schwerin/artikeldetails/article/379/lea-sophie-politik-will-fakten.html?no_cache=1
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New PostErstellt: 24.12.07, 13:22  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

SCHWERIN

"Jugendamt hat versagt"

22. Dezember 2007 | von groe


In der Kritik: Sozialdezernent Hermann Junghans

SCHWERIN - Der Schweriner Sozialdezernent Hermann Junghans gerät im Fall der verhungerten Lea-Sophie immer stärker in Erklärungsnot: "Bereits im November 2006 hat es ernstzunehmende Hinweise auf Kindeswohlgefährdung gegeben, damals ist der Fall nicht richtig abgearbeitet worden, auch nach den neuerlichen Hinweisen ab Mitte diesen Jahres nicht", sagt Dr. Edmund Haferbeck von der bündnisgrünen Stadtfraktion. "Wir gehen davon aus, dass der unvorstellbare Leidensweg dieses Mädchens mehr als ein Jahr gedauert hat", so Haferbeck.

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Nach erster Sichtung der Verwaltungsakte zum Fall müsse die bislang von der Stadt vorgelegte Chronik zur Vorgeschichte als falsch bewertet werden, so Haferbeck weiter. "Tatsächlich ist zwischenzeitlich ein Berufsanfänger mit dem Fall betraut gewesen, insgesamt in einem Zeitraum von etwa einem Jahr waren es drei verschiedene Sachbearbeiter." Entgegen den Beteuerungen des Sozialdezernenten über eine korrekte Bearbeitung des Falles beweise die Aktenlage eindeutig, "dass grundlegendes Verwaltungshandeln schon nach den ersten Hinweisen 2006 nicht stattgefunden hat", sagt der Bündnisgrüne.

Mit großem Unverständnis reagierte der Vorsitzende der CDU-Fraktion und Liberale der Stadtvertretung, Gert Rudolf, auf die jüngsten Äußerungen der Bündnisgrünen zur Arbeit im Sonderausschuss zum Tode von Lea-Sophie. "Alle Fraktionen haben sich am 10. Dezember zusammen für einen Sonderausschuss ausgesprochen. Dieser soll rasch alle Abläufe im Zusammenhang mit dem tragischen Tod von Lea-Sophie klären. Der Ausschuss soll weiterhin helfen, nach Erkenntnissen zu suchen, wie in unserer Stadt einer Wiederholung maximal entgegengewirkt werden kann."

"Nicht hinnehmbar, durchsichtig und einfach widerlich ist es aber, dass noch bevor die Arbeit dieses Ausschusses in vollem Gange ist, einige Kräfte mit Vorverurteilungen und Verunglimpfungen arbeiten", so Rudolf. Kritik an dem Vorsitzenden des Gremiums, dem parteilosen CDU-Mitglied Prof. Johannes Klammt sei unangebrracht.

Peter Brill, jugendhilfepolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, plädiert für eine gründliche Aufarbeitung des Falles, warnt aber vor einer Vorverurteilung der Stadtverwaltung.

http://www.svz.de/lokales/schwerin/artikeldetails/article/379/jugendamt-hat-versagt.html?no_cache=1
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New PostErstellt: 28.12.07, 10:03  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Von Lea-Marie bis Lea-Sophie - gequälte Kinder im Focus der Justiz
28.12.2007: Schwerin/MVregio Name Lea ist 2007 in Mecklenburg- Vorpommern fast zu einem Synonym für erschütternde Kinderschicksale geworden.
Foto: Archiv


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Anfang des Jahres hatte das Landgericht Rostock über die Mutter von Lea-Marie zu befinden, die ihrer Tochter über Jahre hinweg gewaltsam ätzende Flüssigkeiten einflößte. Die Fünfjährige überlebte - mit tiefen Wunden an Körper und Seele. Anders Lea-Sophie in Schwerin, deren Martyrium zum Ende des Jahres die Schlagzeilen beherrschte. Das Kind war qualvoll verhungert und verdurstet. Und auch in einer Reihe anderer Prozesse mussten sich Ermittler und Justiz mit Kindern und Halbwüchsigen befassen, meist als Opfern, aber - wie im Fall des Doppelmordes von Tessin - auch als Tätern.

Die Mutter von Lea-Marie hatte nach Überzeugung der Richter säurehaltigen Kalkreiniger in den Tee gemischt und dem Kind gewaltsam eingeflößt. Immer wieder, seit das Mädchen ein halbes Jahr alt war. Einmal - die Kleine konnte noch nicht laufen - übergoss sie ihre Tochter mit kochendem Wasser, um 900 Euro von der Unfall-Versicherung zu kassieren. Am 12. Januar 2007 wurde die 27-Jährige in Rostock zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Das Kind, so stellten Gutachter fest, wird ein Leben lang unter den Folgen der Misshandlungen leiden.

Schon damals flammte Kritik an Behörden und Einrichtungen auf. Vor allem Mitarbeiter des Jugendamtes, des Kindergartens und Ärzte mussten sich Vorwürfe gefallen lassen. Eine Frage beschäftigte die Öffentlichkeit in erster Linie: Hätte der Leidensweg des Kindes abgekürzt werden können, wenn die Verantwortlichen ihren Pflichten nachgekommen wären?

Die Empörung war schon wieder abgeebbt, als im Frühjahr 2007 im Schweriner Landgericht eine Mutter auf der Anklagebank saß, die ihr Kind ebenfalls misshandelt hatte. Die Frau hatte den zweijährigen Sebastian geschlagen und die Treppe hinauf geschleift. Die derbe Behandlung führte einem Gutachten zufolge, verstärkt durch eine unentdeckte Lungenentzündung, zum Tod des Kleinen. Hilfsangebote von Nachbarn und Behörden zur Erziehung hatte die Mutter ausgeschlagen. Wie auch schon bei einer Schwester von Sebastian, die als Baby den plötzlichen Kindstod starb. Zwei Geschwister gab das Jugendamt in fremde Obhut. Die 34-jährige Mutter, der eine Persönlichkeitsstörung attestiert wurde, erhielt eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe.

Sie waren keine Kinder mehr, aber auch noch nicht erwachsen. Und in diesem Fall waren sie nicht Opfer, sondern Täter. Die beiden 17- Jährigen, die im Sommer vor dem Schweriner in Landgericht standen, hatten mit einer brutalen Bluttat in ganz Deutschland für Entsetzen gesorgt. In Tessin hatten sie im Januar ein Ehepaar mit unzähligen Messerstichen niedergemetzelt und damit einem Altersgefährten die Eltern genommen. Das Gericht sprach sie des Doppelmordes schuldig und verhängte als Strafe neuneinhalb Jahre Haft. Zehn Jahre sind die Maximalstrafe im Jugendstrafrecht. So klar sich der Ablauf des Geschehens nachzeichnen ließ, das Motiv blieb am Ende unklar. Oder besser: unbegreiflich. Und auch hier quälte die Öffentlichkeit die Frage: Hätten Familien, Schule, Bekannte merken müssen, dass etwas schief läuft bei den "großen Kindern"? Hätte die Jungen gestoppt werden können in ihrem Tötungsdrang?

Ein Baby wurde kurz nach der heimlichen Geburt von der Mutter getötet, ein anderes Neugeborenes von seinem unachtsamen Vater zu Tode geschüttelt. Die junge Mutter wurde im März in Schwerin zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Der Vater kam im Oktober mit einer Strafe auf Bewährung davon, weil das Gericht von einem "momentanen Ausrasten" ausging, das nur wenige Sekunden dauerte.

Kinder, denen die eigenen Eltern die Chance auf ihr Leben nahmen. Wie es auch bei der kleinen Lea-Sophie in Schwerin der Fall war. Ihr Hungertod, der ganz Deutschland erschütterte, ließ die Diskussion um die Verantwortung der Behörden erneut aufflammen. Mehrfach sollen sie auf die Probleme in der Familie aufmerksam gemacht haben. Um Aufklärung sind nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft bemüht. Die Stadtvertretung setzte einen Ausschuss ein, der mögliche Versäumnisse ergründen soll. Für Lea-Sophie kommen etwaige Korrekturen zu spät.

MVregio Landesdienst mv/sn

http://www.mvregio.de/show/82212.html
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New PostErstellt: 01.01.08, 17:37  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/580/150211/


Fall Lea-Sophie
Protokoll eines vermeidbaren Todes

Rund einen Monat nach dem qualvollen Hungertod der fünfjährigen
Lea-Sophie kommen erschreckende Details ans Licht: Offenbar gingen beim
Jugendamt mehrere Hinweise ein, dass das Mädchen vernachlässigt wird.
Von Arne Boecker

Im Zusammenhang mit dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie aus
Schwerin sieht sich das Jugendamt schweren Vorwürfen ausgesetzt.

Die Behörde habe Gesprächsvermerke verändert, um ihr Handeln in einem
besseren Licht erscheinen zu lassen, behaupten Daniel Meslien (SPD),
Edmund Haferbeck (Grüne) und Silvio Horn (Unabhängige Bürger) gegenüber
der Süddeutschen Zeitung.

Grüne und Unabhängige Bürger fordern Sozialdezernent Hermann Junghans
(CDU) zum Rücktritt auf. Die SPD will in der nächsten Fraktionssitzung
entscheiden, ob sie sich anschließt. Vieles spricht dafür.

Lea-Sophie war in der Nacht zum 21. November in einem Schweriner
Krankenhaus gestorben. Das Kind ist verhungert und verdurstet. Die
Eltern sitzen in Untersuchungshaft; ihnen wird "gemeinschaftlicher
Totschlag durch Unterlassung" zur Last gelegt.

Zwischenbericht liegt vor

Weil der Verdacht aufkam, das Jugendamt könnte im Fall Lea-Sophie nicht
genau hingesehen haben, setzte die Schweriner Stadtvertretung einen
Sonderausschuss ein. Diesem Gremium leitete die Verwaltung jetzt einen
Zwischenbericht zu, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Seit März 2005 hatte Lea-Sophies Familie eine Plattenbauwohnung in
Schwerin-Lankow bewohnt. Vater und Mutter wurden arbeitslos. Am 2.
November 2006 meldete sich der Vater der Kindsmutter im Jugendamt.
Lea-Sophie sei "sehr zierlich" für ihr Alter, gehe nicht in die Kita und
werde auch nicht dem Kinderarzt vorgestellt.

Das Amt bot Hilfe und Beratung an. Am 14. November kontaktierte
Lea-Sophies Großvater erneut das Amt: Die Mutter des Kindes lehne Hilfe
ab. Er halte Lea-Sophies Entwicklung für "gestört", das Kind sei "sehr
mager".

Am selben Tag lädt das Jugendamt Lea-Sophies Eltern zu einem Besuch ein;
es erhält keine Antwort. Auch ein Brief vom 27. November bleibt ohne
Reaktion. Im Zwischenbericht heißt es: "Weitere Veranlassungen durch das
Jugendamt wurden nicht durchgeführt."

Anonymer Anrufer beim Jugendamt weist auf Vernachlässigung hin

Ein Jahr später, am 12. November 2007, meldet sich ein anonymer Anrufer
im Jugendamt. Er macht sich Sorgen um den etwa einmonatigen Sohn des
Paares. Die Mutter habe wohl noch ein älteres Kind, glaubt der Anrufer.
Gemeint ist Lea-Sophie.

Am gleichen Tag geht ein Mitarbeiter des Amtes zur Wohnung der Familie,
trifft dort niemanden an und hinterlässt eine Benachrichtigung. Am Tag
danach tauchen die Eltern auf und erklären ihre Situation. Den Säugling
haben die beiden dabei, Lea-Sophie nicht, die sei "bei Bekannten". Warum
Lea-Sophie seit November 2004 nicht in die Kita gehe? Sie hätten dafür
kein Geld, sagen die Eltern. 21. November 2007: Um 7.45 Uhr meldet die
Kripo dem Jugendamt, dass Lea-Sophie tot ist.

Mit scharfen Worten kritisieren SPD, Grüne und Unabhängige Bürger die
Art, wie das Jugendamt den Todesfall aufarbeitet. Im Mittelpunkt steht
der Vermerk vom 14. November 2006, der den zweiten Besuch des Großvaters
im Jugendamt beschreibt. In dem Vermerk findet sich die Frage, ob der
Großvater etwa eine "Kindeswohlgefährung" melden wolle. Dieser Passus
ist den Akten jedoch erst am 27. November, also nach Lea-Sophies Tod,
beigefügt worden.

"Auf der Grundlage eines Gedächtnisprotokolls", wie es im
Zwischenbericht heißt. Für die Beurteilung des städtischen Handelns ist
der Begriff "Kindeswohlgefährdung" sehr wichtig.

Stadtspitze beteuert, keine Fehler gemacht zu haben

Sofort nach Bekanntwerden des Falls Lea-Sophie hatte die Stadtspitze
beteuert, keine Fehler gemacht zu haben: Die Gefährdung des Kindeswohls
sei zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen. Die Opposition in Schwerin
vermutet, dass hier "eine saubere Aktenlage" geschaffen werden solle.

Auf großes Unverständnis stößt im Sonderausschuss die Aktenführung des
Schweriner Jugendamts. Von "halb abgerissenen Zetteln ohne Unterschrift"
spricht Daniel Meslien (SPD), von einer "Lose-Blatt-Sammlung" Silvio
Horn (Unabhängige Bürger). Auch Edmund Haferbeck (Grüne) erkennt
"eklatante Mängeln in ganz gewöhnlicher Verwaltungsarbeit". CDU und
Linkspartei haben sich noch nicht zu dem Zwischenbericht geäußert.
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New PostErstellt: 01.01.08, 17:38  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Was wurde aus...?

... den Vorwürfen ans Jugendamt nach dem Hunger-Tod von Lea-Sophie

Der Tod der kleinen Lea-Sophie († 5) aus Schwerin am 21. November erschüttert Deutschland. Das Mädchen verhungert und verdurstet, weil sich ihre Eltern nicht um sie gekümmert haben. Gegen Nicole G. (23) und Stefan T. (26) wird Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Totschlags erlassen.

In BILD am SONNTAG sprechen die Eltern von Nicole G. über den schmerzlichen Verlust ihres Enkelkindes, ihre Bemühungen Lea-Sophie zu helfen und wie sie sich deshalb mit dem Jugendamt der Stadt in Verbindung setzten.

Weil die Behörde bereits vor dem Tod des Mädchens über die Probleme in der Familie informiert war, gerät das Jugendamt in die Kritik. Derzeit untersuchen zwei Ausschüsse von Stadtverwaltung und von Stadtvertretersitzung den Fall. Erste Ergebnisse wird es nicht vor Januar geben.

Dennoch droht schon jetzt den Mitarbeitern des Jugendamtes ein juristisches Nachspiel: Die Familienanwältin Ruth Neumann (45) aus Bruckmühl (Bayern) hat Strafanzeige gegen die Jugendamtsmitarbeiter gestellt. Wegen Beihilfe zum Mord und unterlassener Hilfeleistung.

Sie ist offenbar nicht die Einzige: „Es sind eine Vielzahl von Strafanzeigen gegen die Mitarbeiter des Jugendamtes eingegangen, die teilweise noch namentlich zu ermitteln sind“, bestätigt der Schweriner Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick (63). „Wir gehen den Vorwürfen nach.“ (wok)

29.12.2007

http://www.bild.t-online.de/BILD/news/2007/12/29/jahresrueckblick/11-november/hg-rueckblick-november,geo=3330840.html
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New PostErstellt: 01.01.08, 17:40  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

SCHWERIN

"Eklatante Mängel und Widersprüche"

29. Dezember 2007 | von Mathias Gröckel

Hermann Junghans: Sind seine Tage als Dezernent gezählt?

Die Verwaltung veröffentlichte gestern einen ersten Zwischenbericht zum Fall der vor sechs Wochen verhungerten fünfjährigen Lea-Sophie. Eine Entlastung des Jugendamtes und des Sozialdezernenten sehen Kommunalpolitker darin nicht. "Der Bericht offenbart eklatante Mängel der Verwaltungsarbeit, nachträgliche Verharmlosungsversuche und Widersprüche", so die Grünen. Hat dies auch die Stadtspitze erkannt? Offenbar steht die Abberufung von Junghans kurz bevor.

SCHWERIN - Der gestern von der Verwaltung vorgelegte vorläufige Zwischenbericht zum Fall Lea-Sophie sei unvollständig, "da drei der mit dem Fall betrauten Mitarbeiter bis heute nicht befragt wurden", sagt Silvio Horn von den Unabhängigen Bürgern.

Mit dem Zwischenbericht werde der Sachverhalt wesentlich so wiedergegeben, wie er von einigen Mitgliedern des Sonderausschusses bereits skizziert worden sei. Horn: "Damit gesteht die Verwaltung nunmehr ein, dass es bereits im November 2006 zwei Vorladungen an die Familie gegeben hat. Die Darstellung von Sozialdezernent Junghans für die Medien, die Stadtvertretung und zuletzt am 20. Dezember im Sonderausschuss war insoweit unvollständig und wissentlich falsch."

Noch nach dem Tod die Akte verändert

Bereits jetzt lägen mehrere Anzeichen dafür vor, dass unter Verstoß gegen interne Arbeitsanweisungen vom Jugendamt die Akten leichtfertig geschlossen wurden, so Silvio Horn. " Es erfolgten schon 2006 offenbar weder die bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vorgeschriebenen Hausbesuche, noch wurden Vorgesetzte schriftlich informiert." Erschwerend komme hinzu, dass Grundlagen einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung im Jugendamt anscheinend nicht beherrscht würden. Horn: "Vielmehr sind desaströse Verhältnisse in der Aktenführung vorzufinden. Vielfach sind nur handschriftliche Notizen vorhanden, Sachverhaltsvermerke wurden in zwei Fällen nachträglich - erst nach dem Tod des Mädchens - angefertigt."

Erste Hinweise auf Gefährdung schon 2004

Der Zwischenbericht der Verwaltung offenbart laut Dr. Edmund Haferbeck von den Bündnisgrünen "eklatante Mängel der ordinären Verwaltungsarbeit, nachträgliche Verharmlosungsversuche und Widersprüchlichkeiten". Zum Fall Lea-Sophie liege keine eigene Sachakte vor. Vielmehr seien wesentliche Feststellungen "aus der Erinnerung heraus" nachträglich rekonstruiert worden, bestätigt auch Haferbeck. "Und dies bei einem Fall eindeutiger Gefährdungshinweise nicht erst seit 2007 oder, wie ebenfalls erst zögerlich von der Verwaltung eingestanden, seit 2006, sondern bereits seit 2004."

Im vergangenen Jahr hätte das Jugendamt selbst vermerkt, dass Lea-Sophie mehrfach nicht zu Untersuchungen beim Kinderarzt erschienen sei, das Kind keine Kita besuche, die Entwicklung des Mädchens "gestört" sei, Lea-Sophie sehr mager sei und "Angst/Respekt" vor dem Vater habe. Haferbeck: "Wenn nach den Auffälligkeiten bereits 2004 und den wiederholten Kontakten Ende 2006 keine Hinweise auf Kindeswohlgefährdung vorgelegen haben, worauf die Verwaltung immer noch beharrt, dann weiß ich nicht mehr, was noch vorliegen muss, um zu handeln."

"Lückenhaft", so bezeichnet Daniel Meslien den bislang von der Verwaltung präsentierten chronologischen Ablauf zum Fall Lea-Sophie. "Aufgrund der am 2. November 2006 eingegangenen Meldung beim Jugendamt, dass man sich um Lea-Sophie sorge, hat das Amt die Eltern zweimal schriftlich eingeladen", so Meslien. "Dass die Eltern nicht erschienen sind, ist ohne Folgen geblieben. Dies ist nicht akzeptabel", so Meslien.

Im Jugendamt sei sehr wohl bekannt gewesen, dass Lea-Sophies Wohl gefährdet gewesen sein könnte. "Aus den Einladungen des Amtes geht hervor, das man sich auch dort Sorgen gemacht hat", sagt der SPD-Stadtvertreter. "Auffällig ist, dass niemals die Mitarbeiter selbst eine Kindeswohlgefährdung gesehen haben. Stattdessen ist ersichtlich, dass immer nur Hilferufende dazu befragt wurden."

Das Protokoll zum Anruf aus der Nachbarschaft im November dieses Jahres beweise, dass es dem Anrufer nicht nur um den Bruder von Lea-Sophie, sondern auch um das Mädchen selbst gegangen sei. "Bisher hat die Verwaltung dargelegt, es wäre eigentlich nur um den Jungen gegangen", sagt Meslien.

Die vielen noch offenen Fragen beschäftigen offenbar auch die Stadtspitze. Nach SVZ-Informationen prüft OB Norbert Claussen, der wegen seiner Äußerungen zum Fall selbst in der Kritik steht und mit seinem Sozialdezernenten bislang den Schulterschluss geübt hatte, die Folgen einer möglichen Abberufung von Junghans. Die Idee: Nur zwei statt bislang drei Dezernenten führen die Ämter.

http://www.svz.de/lokales/schwerin/artikeldetails/article/379/eklatante-maengel-und-widersprueche.html?no_cache=1
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New PostErstellt: 01.01.08, 17:41  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Lea-Sophie Zwischenbericht
Jugendamt blieb trotz Hinweisen untätig
Die nach extremer Vernachlässigung Mitte November gestorbene fünfjährige Lea-Sophie aus Schwerin ist schon 2004 auffällig geworden.

SCHWERIN -

Sie habe damals tage- und wochenlang im Kindergarten gefehlt, heißt es in einem Zwischenbericht der Stadtverwaltung zu dem Fall. Die Kita habe dies in einem Bericht festgehalten, der jedoch nicht ans Jugendamt gegangen sei. Als Lea-Sophie schließlich sechs Wochen lang nicht mehr in die Kita kam, schrieb die Leiterin die Mutter an, erhielt jedoch keine Antwort. Der Kitaplatz wurde daraufhin neu vergeben.

Das Jugendamt erfuhr davon im November 2006, als Lea-Sophies Großvater beim Amt vorstellig wurde, weil er sich Sorgen um das Mädchen machte. Er gab an, Lea-Sophie sei in ihrer körperlichen und sprachlichen Entwicklung gestört. Das Jugendamt schrieb daraufhin zweimal die Mutter an und lud sie zu Gesprächen, zu denen sie nicht erschien. "Weitere Veranlassungen durch das Jugendamt wurden nicht durchgeführt", heißt es im Bericht.

Nach Einschätzung des Grünen-Fraktionschefs der Schweriner Stadtvertretung, Edmund Haferbeck, hätten die Auffälligkeiten 2004 und die wiederholten Kontakte Ende 2006 für das Jugendamt ausreichende Hinweise auf eine Gefährdung sein müssen. Zudem fehle ein wesentlicher Vermerk in der Akte Lea-Sophie: Die Großmutter des Mädchens, die selbst in der Stadtverwaltung arbeite, habe im Juni 2007 beim Jugendamt auf die Missstände in Lea-Sophies Familie hingewiesen. Haferbeck forderte den Schweriner Sozialdezernenten Hermann Junghans (CDU), der bislang Fehler in seiner Behörde bestreitet, zum sofortigen Rücktritt auf. Junghans erklärte gestern, aus den Beratungsgesprächen 2006 und 2007 mit den Angehörigen hätten sich für die Sachbearbeiter keinerlei Anzeichen für eine mögliche Kindeswohlgefährdung ergeben.
dpa

erschienen am 31. Dezember 2007
http://www.abendblatt.de/daten/2007/12/31/832240.html
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New PostErstellt: 01.01.08, 17:42  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

zuletzt aktualisiert: 30.12.2007 - 11:09
"Entscheidende Hinweise" schon 2004
Neue Vorwürfe gegen Jugendamt im Fall Lea-Sophie
FOTOSTRECKE
In Schwerin ist die kleine Lea-Sophie im Alter von fünf Jahren verhungert. Die Behörden sehen keine Schuld bei sich. Die Chronologie des Falls.

Lea-Sophie: Behörden weisen Schuld von sich

Schwerin (RPO). Im Fall der verhungerten Lea-Sophie wusste das Schweriner Jugendamt offenbar früher als bislang bekannt von den Problemen in der Familie des fünfjährigen Mädchens. Ein Bericht der Stadtverwaltung erhebt schwere Vorwürfe. Das Amt hätte schon 2004 über "entscheidende Hinweise" verfügt.

Das Schweriner Jugendamt hat offenbar früher als bislang eingeräumt von Schwierigkeiten in der Familie der im November verhungerten fünfjährigen Lea-Sophie gewusst. Das geht nach Ansicht mehrerer Stadtvertreter aus einem Zwischenbericht hervor, den die Stadtverwaltung einem Sonderausschuss der Stadtvertretung vorlegte. Bereits 2004 habe das Jugendamt "entscheidende Hinweise" auf eine eventuelle Gefährdung des Kindeswohls gehabt, sagte Edmund Haferbeck (Grüne) der Nachrichtenagentur AFP. Der Bericht offenbare "eklatante Mängel der Verwaltungsarbeit, nachträgliche Verharmlosungsversuche und Widersprüche".

Kurz nach dem Tod der Fünfjährigen hatten Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU) und Sozialdezernent Hermann Junghans (CDU) beteuerte, das Jugendamt habe "vorschriftsmäßig, ordnungsgemäß und sachgerecht" gehandelt. Das bezweifelt inzwischen auch der Stadtvertreter Silvio Horn (Unabhängige Bürger). Nach erneuten deutlichen Hinweisen an das Jugendamt im November 2006 habe ein Sachbearbeiter die Eltern zweimal erfolglos ins Jugendamt eingeladen und dann die Akte beiseite gelegt.

"Jugendamt unterließ Hausbesuch"

"Der vorgeschriebene Hausbesuch und eine schriftliche Mitteilung an die Vorgesetze sind unterblieben", sagte Horn. Auch der letzte anonyme Hinweis an das Jugendamt soll sowohl Lea-Sophie wie auch ihrem acht Wochen alten Bruder gegolten haben. Laut Junghans' bisheriger Darstellung galt er nur dem Säugling.

Horn und Haferbeck kritisierten zudem, dass mehrere Gedächnisprotokolle von Kontakten des Jugenamtes zu den Eltern oder den Großeltern erst handschriftlich nach dem Tod des Mädchens zu den Akten gekommen seien. Andererseits seien auch sechs Wochen nach dem Tod Lea-Sophies noch nicht alle Jugendamtsmitarbeiter befragt worden, die mit dem Fall zu tun hatten.

Lea-Sophie war laut Obduktionsbericht über mehrere Monate von ihren Eltern vernachlässigt worden. Am Todestag wog sie nur noch 7,4 Kilogramm. Die 23-jährige Mutter und der 26-jährige Vater sitzen wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Totschlags durch Unterlassen in Untersuchungshaft.
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/panorama/deutschland/516050
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