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Hallo Ihr,
Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich dachte genauso
wie Ihr. Onlinespiele machen blöde und asozial, Sprachverstümmelung
eingeschlossen....
Heute denke ich wirklich ein wenig anders. Die GEFAHREN sehe ich
durchaus noch, aber mit blöde und asozial stimmt einfach nicht!
Auch in der aktuellen Entwicklung (Counterstrike/Schulmassaker) denke
ich nicht, dass man das Spiel verbieten sollte. Ich halte so ein
"Spiel" nicht für den GRUND dieser Massaker sondern für ein Spiegelbild
all dessen, was in der Realität heute an...hm, Werten? verloren gegangen
ist - und doch so NOTWENDIG ist für Jugendliche!!
Und - komisch - auch Eure Kommentare oder die Zeitungsartikel zu diesen
Spielen sehe ich auch als Spiegel für das was den Jugendlichen fehlt.
Spielt einer von Euch eigentlich so ein Realplayer-Onlinespiel?
Counterstrike kenne ich nur vom Hörensagen, nie selbst gespielt. Aber
- spätestens jetzt - sollten doch die Eltern von Jugendlichen, die das
spielen, sich dort anmelden und mitspielen, sehen, was und wie es dort
"abgeht", sich fragen, was fasziniert mein Kind so an diesen Spielen?
Wenn wir diese Spiele pauschal verurteilen, sprechen wir nicht unseren
Kindern jegliche Intelligenz ab??
Wie schon gesagt, ich spiele seit knapp einem Jahr kalonline (mal mehr, mal
weniger). Ich lebe eine Phantasiefigur, bin Magierin dort. Es gibt Magierinnen,
Bogenschützen und Ritter als Charakter zur Auswahl, und es ist super interessant,
welchen Charakter sich die verschiedenen Menschen (sind nicht nur Jugendliche
dort sondern man findet auch Eltern, der älteste ist 48, den ich kenne) sich
auswählen. Der Ritter haut drauf, der Schütze schießt aus sicherer Entfernung
und die Magierin hat die Fähigkeit andere auch zu heilen. Es geht gegen fiktive
Monster (was ich sehr gut finde, nicht gegeneinander!).
1. Man kann sich dort ENTWICKELN, stärker werden, dazulernen, Fähigkeiten gewinnen,
Fleiß und Mut werden belohnt (in der Realität auch??)
2. Man kann zu zweit oder zu mehreren kämpfen und die Items, die man bekommt
müssen verteilt werden. Um erfolgreich zu sein, muss man sich absprechen. Wer macht
was in so einer "Party" (Teamarbeit? Fähigkeit zu führen? Wie verhalte ich mich
in einer Gruppe?) Verhält man sich "asozial", macht keiner mehr Party mit einem
3. Es gibt sog. Gilden, Gruppen, die sich zusammenfinden und gemeinsam als Gruppe
wachsen können. Dies geht nur mit der Unterstützung jedes einzelnen (soziale
Fähigkeiten?)
4. Mein Sohn hat sich - noch vor mir - den Charakter der Magierin gewählt. Er kann
andere heilen und wiederbeleben (Soziale Fähigkeiten? Empathie? Mitgefühl wird
entwickelt?)
5. Man trifft auf Menschen der verschiedensten Nationen. Man hat Chatfelder und
Freundeslisten, es gibt Teamserver, auf denen man direkt miteinander sprechen kann
(früher waren es Brieffreundschaften? Mein Sohn lernt in der Schule Englisch und
Spanisch und wendet es hier aktiv an)
6. Es gab (jetzt abgeschafft) die Möglichkeit, sich eine Maske zu kaufen und für
30 Minuten die Fähigkeit zu haben, andere Mitspieler zu "killen" - was IMMER zur
Folge hatte, dass Stärkere/Höhere Level sofort zur Stelle waren und Jagd auf
denjenigen machten, bis er die Maske wieder verlor. "Gestorbene" wurden wiederbelebt
von den Magierinnen.
7. Man kann sich "Schüler" suchen, Anfänger, und ihnen helfen, sich weiterzuentwickeln
Erreichen die ein bestimmtes lvl, werden beide - Schüler + Lehrer - belohnt
(Sohn ist MEIN Lehrer!)
8. Man kann Ausrüstung und Items kaufen und verkaufen. Was sind die Preise? Wie
verhandelt man? Wie lässt man sich nicht übers Ohr hauen? Wie gehe ich mit dem
Geld um, das ich habe?
Uff, was für ein Plädoyer, lach! Ich halte dieses Spiel für eine Goldgrube für
Soziologiestudenten, und ich behaupte, solche Spiele sind nur deshalb so verlockend,
weil die Kinder in der realen Gesellschaft die Werte, die sie in den Spielen finden,
nicht mehr finden können!
Wo helfen denn hier noch die Großen den Kleinen? Wo helfen Stärkere den Schwächeren?
Wo sind denn noch authentische Vorbilder in der realen Umgebung der Kinder (und nicht
in TV oder auf Postern!)? Wo bekommt man denn noch Anerkennung, wenn man gut sein
möchte? Wo wird das überhaupt noch wahrgenommen? Wo finden Jugendliche in der realen
Welt Herausforderungen - gerade auch Jungs - die sie zum Mann machen (in Afrika
können sie immerhin noch einen Löwen jagen!) Wo gibt es noch Rituale und Menschen,
denen die Kids mit Respekt begegnen können, weil sie selbst respektiert werden???
Ok, mein Sohn hat keine Probleme mit schulischen Leistungen, daher fällt dieser
Konfliktpunkt bei uns weg. Er hilft auch im Haushalt und sorgt liebevoll mit für
seine kleine Schwester (die auch mal Magierin werden will, grins). Das hat sich aber
massiv auch GEBESSERT, seit ich sein Spiel respektiere und sogar mitspiele!
Er fühlt sich dadurch auch von mir anerkannt und respektiert!
Mann, ich sehe soviel Sch..... hier im Leben von Jugendlichen! Es waren mal Kinder,
neugierig, offen zu lieben, willig zu lernen! Und was machen wir aus ihnen????
Es gibt SOWENIG authentische Menschen, die sich mit Kindern beschäftigen! Omas und
Opas, die ihre Ruhe haben wollen, Onkels und Tanten, die man nur zu Geburtstagen
sieht, Sporttrainer, die gelangweilt die Kids beschäftigen, Erzieherinnen, die ihr
Engagement schnell verlieren und Lehrer, die ihre menschlichen Defizite mit "die
KINDER sind so schwierig" unwidersprochen begründen können!
Ich hab den Abschiedsbrief dieses Jugendlichen nicht ausführlich gelesen, der in
der Zeitung abgedruckt war, aber bei dem, WAS ich las, dachte ich: er hat recht!
Aus SEINER Sicht hat er Recht, verdammt nochmal! Die Kids sehen Erwachsene, die
dem Geld hinterherjagen, die nie Zeit haben, immer gestresst sind, die Kinder in
die Welt setzen, als Alibi, als Geldbringer, als was weiss ich - aber nicht um der
Kinder willen! Da setzen Eltern ihre Kinder in ein fremdes Land, dessen Sprache sie
noch nicht mal sprechen und dessen "Kultur" sie nicht wollen, in ein Land, das selbst
ein Problem mit seiner Kultur hat, da wird eine Nation zum Konsum erzogen (wer
einsam ist, konsumiert mehr, wer wenig Geld hat fühlt sich arm), die Alten kommen ins
Pflegeheim, die Sterbenden verschwinden hinter verschlossenen Türen, die Jungen werden
wegorganisiert........... dann wird mal eben - unter staatlicher Obhut - ein Junge
auf unmenschlichste Art zu Tode gequält........
Wir fressen unsere Kinder - und eigentlich bin ich ganz froh, dass sich online Welten
auftun, die den Kids Alternativen bieten! Solange WIR es NICHT tun, sind sie dort
ganz gut aufgehoben!! Würde dieser Junge nicht Counterstrike gespielt haben, hätte er
sich vermutlich schon längst selbst das Leben genommen... ok, gut für die Gesellschaft,
aber er entschied, mit einem Bang gehen zu wollen......
Hab jetzt von einer virtuellen Welt gelesen, die "Second Life" heisst - ich gehe jede
Wette ein, dass dies die "Realität" der nächsten Generationen wird!
Und nochmal: ich SEHE all die Gefahren des Internets, mein Standardfilm zum Internet
ist "das Netz", habe tw. paranoide Befürchtungen, ABER: das Internet ist ein Teil
unserer Realität und wir MÜSSEN uns damit - auch kritisch natürlich - auseinandersetzen!
Schaut, wie wir hier miteinander reden können? Ist das nicht "real"???
So geht es den Jugendlichen in diesen Spielen, glaube ich.
Mensch, tut mir wirklich leid, dass es so lang geworden ist, aber es lag mir auf der
Seele - auch wenn dies Forum eigentlich andere Dinge zum Thema hat. Hab auch nur MEINE
Meinung geschrieben - mag jeder sehen, wie er selbst möchte und ist in vielen Punkten
sehr überspitzt geschrieben, um es nicht noch länger werden zu lassen.
Falls es nun eine Riesendiskussion darum geben sollte, Ingrid, bitte ich Dich, diesen
Artikel zu verschieben, ja? Vielen Dank.
Gruß,
inanna