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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Entschädigung für ehemalige Heimkinder

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Autor Beitrag
Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 03.05.18, 04:57  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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FR - Frankfurter Rundschau, FREITAG, 27. APRIL 2018

QUELLE: www.fr.de/rhein-main/heimkinder-in-hessen-im-heim-war-das-leben-zu-ende-a-1494914

Jetzt hier in Bezug auf das Bundesland Hessen und insbesondere in Bezug auf Heime auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

    Zitat:
    .
    [ Freitag, 27. April 2018, um ca 16:00 Uhr ]

    Heimkinder in Hessen [ Zum Profil des Autors @ www.fr.de/autor.=pgh/ ]

    „Im Heim war das Leben zu Ende“

    Die Evangelische Kirche legt einen Bericht über das Leid der Heimkinder in Hessen und Nassau vor. Danach hat es keine medizinischen Versuche gegeben. Auch so sind die Ergebnisse erschreckend genug.

    Von Peter Hanack

    [ FOTO: LUFTBILD: Von oben eine Idylle mit viel Grün, in der Geschichte aber auch ein Platz mit schrecklichen Seiten: der Hephata-Komplex in Schwalmstadt-Treysa. Foto: Hephata-Diakonie ]

    Schreckliche medizinische Versuche an Heimkindern wie in der Hephata-Einrichtung im nordhessischen Treysa hat es in den Heimen auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wahrscheinlich nicht gegeben.

    Die Historikerin Anette Neff hat im Auftrag der EKHN die Geschichte der Heime und Heimkinder von 1945 bis 1975 zu ergründen versucht. „Ich bin bei meinen Recherchen auf keinen Fall gestoßen, bei dem es im Bereich der EKHN den massenhaften Einsatz von Medikamenten oder missbräuchliche Medikamententests an Kindern oder Jugendlichen gegeben hätte“, sagte Neff am Donnerstag [ 26.04.2018 ] in Frankfurt. Ausschließen aber könne sie solchen Missbrauch nicht, wie ihn die Wiesbadener Filmemacherin Sonja Toepfer bei Recherchen in Hephata entdeckt hatte.

    Neff hat der noch bis Samstag tagenden Synode der evangelischen Kirche den Projektbericht zur Situation der Heimkinder vorgestellt. Die Ergebnisse sind auch ohne Erkenntnisse über medizinische Versuche erschreckend genug.

    Mindestens 43 Heime in evangelischer Trägerschaft hat Neff gefunden. Ob es den Kindern und Jugendlichen dort gut oder schlecht ging, das sei dem Zufall überlassen gewesen, sagt sie. „Über Wohl und Wehe entschied der Geist, der in einem Haus herrschte.“ Wie die Insassen behandelt wurden, hin häufig von einzelnen Mitarbeitern ab. Diese waren, so Neff, in aller Regel nicht für einen pädagogisch sinnvollen Umgang mit Kinder und Jugendlichen qualifiziert, die dort oft Jahre verbringen mussten.

    Die Gründe, ins Heim zu kommen, waren vielfältig und oft lapidar. Schwierige familiäre Verhältnisse, Schwierigkeiten in er Schule, ein kleiner Diebstahl genügten zur Einweisung durch Richter oder Jugendämter. Die Folgen für die Betroffenen waren gravierend. Körperliche Misshandlungen bis hin zur Vergewaltigung, Schweigegebote, Isolierung, Demütigungen etwa durch das Verbot, die Toilette aufzusuchen – all das musste Heimkinder in den Nachkriegsjahren durchmachen.

    „Ich kam in ein Heim und mein Leben war zu Ende“, zitiert Neff eine Betroffene. „Das Gefühl, 24 Stunden am Tag eingeschlossen zu sein, das ist wie Zuchthaus.“ Und in der Tat sei es zumeist darum gegangen, Kinder und Jugendliche zu disziplinieren, eine strenge Ordnung im Heim aufrecht zu erhalten. Hilfen für den Einzelnen habe es nur selten gegeben.

    Die EKHN bemüht sich seit Jahren um Aufklärung über das Schicksal der Heimkinder. Mit der Vorstellung des Films ist die vor sechs Jahren begonnene Aufarbeitung nun abgeschlossen.

    Aus dem Projekt sind neben einem Dokumentarfilm pädagogisches Material und eine Ausstellung hervorgegangen. Ehemalige Heimkinder, Mitarbeiter und Ärzte berichten dort von ihren Erlebnissen und Beobachtungen. Kurze Ausschnitte des Films der Filmemacherin Toepfer bekamen die Mitglieder der Synode am Donnerstag [ 26.04.2018 ] zu sehen.

    Der gesamte Film soll im Juni [ 2018 ] in einem geschlossenen Rahmen unter Anwesenheit von Betroffenen gezeigt werden, bevor ihn am 25. Juni [ 2018 ] eine breitere Öffentlichkeit vorgestellt bekommt. Film und Ausstellung sollen dann an Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ausgeliehen oder in Bildungseinrichtungen gezeigt werden.


    Mehr zum Thema

    ● Fotostrecke: Heilanstalt Mammolshöhe [ Siehe @ www.fr.de/fotostrecken/cme27003,1061373 ]
    ● Euthanasie: Furchtbares Kapitel [ Siehe @
    www.fr.de/rhein-main/landespolitik/heilanstalt-mammolshain-furchtbares-kapitel-a-1452281 ]
    ● Heimkinder: Kritischer Hirneingriff [ Siehe @
    www.fr.de/rhein-main/landespolitik/hessen-aerztekammer-sieht-hirneingriff-kritisch-a-1449021 ]
    ● Interview: „Jeder wurde mit dem Zeug abgefüllt“ [ Siehe @
    www.fr.de/rhein-main/hephata-in-treysa-jeder-wurde-mit-diesem-zeug-abgefuellt-a-1449687 ]

    Peter Hanack

    Redakteur, Frankfurt & Rhein-Main
    Zum Profil des Autors [ @ www.fr.de/autor.=pgh/ ]

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    Zitat:
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    Zur Sache

    Aufarbeitung

    Im Dezember 2006 gab es im Deutschen Bundestag eine Anhörung von ehemaligen Heimkindern. Sie berichteten von den schlimmen Verhältnissen in den Heimen der Nachkriegszeit, die von Kirche, Staat oder freien Trägern unterhalten wurden.

    2009 lud der Hessische Landtag 50 Heimkinder zur Anhörung ein. Es folgte eine Entschuldigung des Landtags für das Leid. 2013 brachte die EKHN ihre Aufarbeitung auf den Weg. Pgh

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 04.05.18, 07:23  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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QUELLE: Ärzte Zeitung @ www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/medizinethik/article/962895/medikamentenversuche-informationen-tests-heimkindern.html

    Zitat:
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    Ärzte Zeitung online, 02.05.2018

    Medikamentenversuche

    Wenig Informationen über Tests an Heimkindern

    BERLIN. Die Gesundheitsbehörden können offenbar nur wenig zur Aufklärung von Medikamentenversuchen an Heimkindern in den Jahren von 1949 und 1975 beitragen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag hervor.

    Demnach verfügen sie "über relativ wenige Informationen" dazu. Die Linke hat unter anderem wissen wollen, welche Angaben das Bundesgesundheitsamt (BGA) oder Nachfolgebehörden zu Arzneimittelstudien innerhalb dieses Zeitraums in Heimen machen könnten.

    Die Bundesregierung verweist darauf, dass das erst 1961 eingeführte Arzneimittelgesetz wie auch andere frühere gesetzliche Vorschriften weder Regelungen für die Zulassung von Arzneimitteln noch für klinische Prüfungen vorgesehen hätten.

    Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie dem Paul-Ehrlich-Institut seien keine Unterlagen zu solchen Studien zu Zeiten des BGA (1952-1994) bekannt. Das gelte auch für das Robert Koch-Institut.

    Es sei erschreckend, dass sich die Bundesregierung komplett unwillig zeige, "an der Aufdeckung der Verstrickung von Bundesbehörden in die
    grauenvollen Arzneimitteltests an Heimkindern in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mitzuwirken", kommentierte Sylvia Gabelmann, Sprecherin für Arzneimittelpolitik der Links-Fraktion [ Siehe @ www.aerztezeitung.de/panorama/article/924075/medikamententests-heimkindern-betroffener-erzaehlt.html?sh=1&h=1477402662 ]

    Wenn man den Antworten der Bundesregierung glaube, hätten die Bundesbehörden offensichtlich alle Unterlagen zu etwaigen Verwicklungen des damaligen Bundesgesundheitsamtes mit Arzneimittelstudien an Heimkindern verloren, versteckt oder vernichtet, so Gabelmann.

    Im Abschlussbericht des von der Bundesregierung einberufenen Runden Tischs "Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren" hieß es, sollte es in Heimen zu kollektiven Behandlungen oder Sedierungen gekommen sein, die der Erforschung von Medikamenten gedient hätten, sei dies als Missbrauch zu beurteilen und erfülle den Tatbestand der schweren Körperverletzung. (bar)

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 05.05.18, 04:36  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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DEUTSCHLANDFUNK

QUELLE: www.deutschlandfunk.de/medikamententests-gottlose-pillen.886.de.html?dram:article_id=415680 :

    Zitat:
    .
    01.05.2018

    Medikamententests

    Gottlose Pillen

    Medikamente wurden in den 50er- und 60er-Jahren an Menschen mit Behinderung getestet, auch in kirchlichen Einrichtungen. Wie war es möglich angesichts des christlichen Leitbilds? Die Rotenburger Werke und die Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel lassen nun dieses Kapitel ihrer Geschichte untersuchen.

    Von Charly Kowalczyk

    [ FOTO: Die Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld stehen wegen heimlicher Medikamententests an Kindern in den 1950er-Jahren in der Kritik (dpa/ picture-alliance/ Wolfgang Moucha) ]

    "Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes. Er hat eine unverlierbare Würde und einen unschätzbaren Wert. (Leitbild, Rotenburger Werke)

    "Und natürlich war ich auch erschrocken, als ich feststellen musste, dass vieles dafür spricht, dass es eben auch Medikamentenversuche in den Rotenburger Werken gegeben hat und dass Psychopharmaka zum Teil in großen Mengen verabreicht wurden und dass wir aus jetziger Sicht auch nicht immer Einwilligungserklärungen vorliegen hatten", sagt Jutta Wendland-Park.

    "Ich glaube, das nützt auch keiner Einrichtung, wenn sie versucht, das zu vertuschen, oder versucht, das auszusitzen. Das hilft auf Dauer nicht. Man muss dazu stehen, dass auch Menschen da waren, die Fehler gemacht haben, dass auch Menschen da waren, die ihre Macht missbraucht haben", sagt Ulrich Pohl.

    2014 begann die Pharmazeutin Sylvia Wagner mit ihren Forschungen über Medikamentenversuche an Heimkindern. Sie erzählt:

    "Mir haben viele ehemalige Heimkinder, die ich so im privaten Umfeld eben kenne, berichtet, dass sie in den Einrichtungen Medikamente bekommen haben. Deswegen hatte ich ursprünglich geplant, zu dem Thema allgemein der medikamentösen Sedierung, also Ruhigstellung durch Medikamente in den Heimen zu recherchieren und dazu meine Doktorarbeit zu machen. Im Rahmen dieser Recherchen bin ich eben darauf gestoßen, dass da tatsächlich auch Versuche gemacht worden sind. Das war, ja, fast zufällig."

    Gut 60 Hinweise auf Arzneimitteltests an Heimkindern oder an Menschen mit Behinderung fand die Apothekerin in medizinischen Fachzeitschriften sowie in Archiven der Pharmafirma Merck und den Behringwerken. Auch eine Reihe anderer Pharmaunternehmen haben an besonders verletzlichen Gruppen Neuroleptika, Psychopharmaka, Impfstoffe oder triebhemmende Arzneimittel getestet. Die langfristigen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen sind ungewiss.


    Medikamentenversuche in den 50er- und 60er-Jahren

    "Mein Name ist Jutta Wendland-Park. Ich bin Vorstandsvorsitzende der Rotenburger Werke seit 2006." [ vormalig „Rotenburger Anstalten“ genannt ]

    In dem kleinen Städtchen Rotenburg zwischen Hamburg und Bremen sollen in den 50er- und 60er-Jahren Psychopharmaka an Menschen mit Behinderung getestet worden sein. Heute leben in der 1880 gegründeten Einrichtung über 1100 Menschen, die auf Betreuung angewiesen sind. Das christliche Menschenbild spielt eine große Rolle im Selbstbild des Unternehmens.

    Jutta Wendland-Park sagt:"Für mich persönlich schon, weil ich als Pastorin, die ich bin, bewusst hierher gekommen bin, weil es eine diakonische Einrichtung ist und für mich Verkündigung von Wort und Tat eng zusammengehören. Also es gibt eine Loyalitätsrichtlinie und die besagt natürlich, dass Menschen, die hier arbeiten, einer Kirche angehören sollten. Wir sehen natürlich, dass im Zuge der säkularen Gesellschaft auch dies immer herausfordernder wird und es ist ja auch jetzt schon zu einer, ich sag mal, zu einer Öffnung gekommen. Aber für alle Führenden und Leitenden ist das ganz wichtig, und die sind Mitglied der Kirche."

    Ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner der Rotenburger Werke berichten, Beschäftigte der diakonischen Einrichtung in den 50er- und 60er-Jahren hätten gegen sie Gewalt angewendet. Auch der Vorwurf sexueller Übergriffe steht im Raum. Nun ist auch noch der Verdacht aufgekommen, dass im Unternehmen Medikamentenversuche an Menschen mit Behinderung stattgefunden haben.

    Jutta Wendland-Park dazu:"Und dieses hat uns dann veranlasst, zu sagen: Wir sollten dieses Thema Gewalt – und als ein spezielles Thema eben auch die Vergabe von Medikamenten – noch einmal von einem neutralen Historiker-Team erforschen lassen und das haben wir gemacht."

    "Als diakonisches Unternehmen ist der Mensch für uns Maßstab unseres Handelns." (Leitbild, Rotenburger Werke)

    "Ich bin davon überzeugt, dass es zu allen Zeiten viele Menschen gegeben hat, die wirklich alles Bestmögliche getan haben, die sehr engagiert waren und die das auch mit einem christlichen Hintergrund getan haben", sagt Wendland-Park. "Nichtsdestotrotz, wenn wir auf die Geschichte gucken, müssen wir auch feststellen, dass tatsächlich Anspruch und Wirklichkeit auch auseinander geklafft haben an vielen Punkten und wir dem nicht gerecht geworden sind, was wir uns eigentlich auch wünschen für die Menschen, die hier leben. Das ist schmerzlich und es bedarf auch der Fragen, woran liegt das, dass manchmal die diakonische Ausrichtung so was nicht verhindert hat."


    Behinderteneinrichtungen als Verwahranstalten

    Die Vorstandsvorsitzende der Rotenburger Werke will dem Abschlussbericht der Historikerkommission in diesem Frühjahr nicht vorgreifen. Sie möchte auch nichts Falsches sagen. Also ringt Jutta Wendland-Park nach Worten, sucht nach Erklärungen, warum damals dieser Missbrauch nicht verhindert werden konnte.

    "Es gab keine qualifizierten pädagogischen Mitarbeiter, zumindest nicht in den 50er-, 60er-Jahren, das kam später erst", so die Vorstandschefin. "Es gab eigentlich eine Annäherung an das, was wir so totale Institution nennen: Also es gab schon eine sehr ausgeprägte Machthierarchie und demgegenüber stand aber kein unabhängiges Kontrollsystem, was sehr wichtig ist. Und man muss auch, denke ich, sagen, dass die Stellung von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft noch eine andere war. Sie wurden leider mit ihren Bedarfen, ihren Bedürfnissen, nicht so wahrgenommen und ernst genommen, wie wir es Gottseidank heute tun."

    In den 50er-, 60er-Jahren waren Behinderteneinrichtungen in der alten Bundesrepublik und der ehemaligen DDR meist überbelegte Verwahranstalten. Keine sichere Heimstatt für Menschen mit Behinderung: der Ton der Pflegekräfte rau, der Umgang hart, da blieb wenig Raum für Nächstenliebe. Die Zöglinge untergebracht in Mehrbettzimmern, ohne Recht auf Intimität und schon gar nicht auf Sexualität. Ausgeliefert den Ärzten und Heimleitungen. Heute sei vieles anders, erzählt Jutta Wendland-Park. Fast alle hätten Einzelzimmer, Ärzte seien nicht mehr allmächtig, und es gebe interdisziplinäre Teams, die sich um die Menschen kümmern, die auf Betreuung angewiesen sind.

    "Wir sind der Überzeugung, dass man aus dem Vergangenen lernen kann und lernen muss. Wir können nicht ungeschehen machen, was an Unrecht passiert ist, aber was wir tun können ist Verantwortung zu übernehmen, indem wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und uns die Gegenwart angucken und Systeme schaffen, die solches in Zukunft verhindern."


    "Ich glaube nicht, dass das christliche Weltbild das verhindern kann"

    Luminal, G 34276, Chlorprothixen, Ketotofranil, Haloperidol, Dipiperon, G 35259, Tegretal, H 502, Tofranil.

    "Jeder hat vor Gott einzigartigen Wert; darum schützen wir das Lebensrecht der Schwächeren vor den Stärkeren." (Grundsätze: v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel)

    "Bethel ist eine Einrichtung, die 1867 gegründet wurde, hat begonnen mit der Behandlung von epilepsiekranken, jungen Männern, das waren damals drei oder vier, heute begleiten wir etwa 230.000 Patienten im Jahr", sagt Ulrich Pohl.

    Die Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld [ vormalig die „von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel“ genannt (zu welchen auch „Anstalt Freistatt im Wietingsmoorin Niedersachsen gehört) ] sind das größte Sozialunternehmen in Europa. Vorstandsvorsitzender ist seit 2008 Pastor Pohl.

    Er sagt:"Dabei steht dann immer in der Mitte der behinderte Mensch, aber es steht auch im Mittelpunkt unser christliches Miteinander."

    In der Epilepsieklinik Mara, die zu Bethel gehört, soll im Januar 1961 das Arzneimittel Encephabol eingesetzt worden sein, das sich auf das zentrale Nervensystem auswirkt. Offiziell brachte die Darmstädter Firma Merck das Mittel erst 1963 auf den Markt. Ein Oberarzt des evangelischen Krankenhauses soll damals 17.000 Dragees zu Testzwecken erhalten haben.

    Ulrich Pohl dazu: "Ich glaube nicht, dass das christliche Weltbild das wirklich verhindern kann. Ich glaube, da braucht es genauso Kontrolle wie in allen anderen Einrichtungen auch."

    Der Vorstand reagierte sofort, als die Vorwürfe bekannt wurden. Die diakonische Einrichtung in Bethel musste sich auch schon in der Vergangenheit mit Missbrauchsfällen auseinandersetzen. Nun wurde eine unabhängige Kommission von Expertinnen und Experten eingesetzt. Auch wenn sich mancher Vorwurf im Nachhinein vielleicht nicht bestätigen lasse, müsse man aufklären, meint Ulrich Pohl.

    "Wir haben dabei festgestellt, dass wir an vielen Stellen der damaligen Rechtslage entsprechend nicht mit Angehörigen oder Betreuern oder so vorher gesprochen haben, sondern Medikamente eingesetzt worden sind. Wir haben Historiker daran gesetzt, aber auch Mediziner, die Akten durchsehen und die dann nach der Durchsicht der Akten dann uns allen einen Bericht anfertigen, den wir dann auswerten müssen. Nach dem jetzigen Eindruck sieht es so aus, als wenn wir davon nur sehr wenig betroffen wären."


    "Bis 1978 war dafür keine Genehmigung notwendig"

    Angestoßen durch Arzneimittelskandale wie den um das Beruhigungsmittel Contergan, das schwangeren Frauen empfohlen wurde und zu Tausenden missgebildeten Kindern führte, wurden die Regeln bei medizinischen Tests verschärft - 1978 trat ein neues Arzneimittelgesetz in Kraft. Zuvor konnten Pharmaindustrie und Ärzte fast ohne Kontrolle testen, an wem und wann immer sie wollten. So sehen es einige Wissenschaftler. Andere gehen davon aus, dass man auch damals schon bei klinischen Prüfungen das Einverständnis der Testpersonen oder ihrer gesetzlichen Betreuer einholen musste.

    "Richtig ist: Bis 1978 war dafür keine Genehmigung notwendig. Insofern sehe ich auch nicht, dass ein Arzt sich jetzt irgendwo juristisch falsch verhalten hätte", sagt Pohl.

    Gesetzlich war es vielleicht möglich – aber müssten kirchliche Einrichtungen, in denen die christlichen Werte hochgehalten werden, nicht besonders verantwortungsvoll agieren?

    "Natürlich spüre ich das Dilemma", gibt Pohl zu. "Und das ist natürlich bei jedem Patienten auch die Frage: Welche Folgeschäden hat er erlitten, wenn er welches Medikament genommen hat. Jedenfalls dann, wenn der Patient oder sein Betreuer oder sein näherer Verwandter nicht informiert worden ist, halte ich das ethisch für nicht zu rechtfertigen, selbst wenn es juristisch noch im grünen Bereich ist. Das ist meine Position an dieser Stelle."

    "Wir rechnen mit unserer Schuldverflochtenheit und unserem Versagen; darum sind wir bereit mit Konflikten zu leben, Fehler einzugestehen, Gewalt zu vermeiden und Schuld zu vergeben." (Grundsätze: v. Bodelschwinghsche Stiftungen, Bethel)

    "Ich glaube nicht, dass wir Christen perfekt sein müssen", sagt Pohl. "Ich glaube, wir sind das nie gewesen und wir feiern ja auch das Reformationsjubiläum und Luther, der selbst Fehler genug gemacht hat, war aber ein Mensch, der uns darauf sehr hingewiesen hat, dass wir sündige Menschen sind, Fehler machen, vor Gott und vor unseren Mitmenschen. Das ist auch der einzige Weg, um auch auf Dauer in unserer offenen und freien Gesellschaft zu bestehen. Wenn wir behaupten würden, wir sind fehlerfrei, dann ist jede Aufdeckung eines Fehlers ein Skandal, das halte ich für den falschen Weg."

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 10.05.18, 00:46  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Die Tabletenkinder

Wie Heimkinder zu Versuchsobjekten wurden

Jetzt hier in Bezug auf das Bundesland Bayern.

QUELLE: BR.de - Bayerischer Rundfunk @ www.br.de/nachrichten/wie-heimkinder-zu-versuchsobjekten-wurden-100.html :

    Zitat:
    .
    Die Tabletenkinder

    Wie Heimkinder zu Versuchsobjekten wurden

    Pharmafirmen haben an Heimkindern Medikamente getestet - ohne Einverständnis, bis in die 1970er Jahre hinein. Die Aufarbeitung dieses Unrechts geht in Bayern schleppend voran. Offiziell ist dem Freistaat nur ein einziger Fall bekannt. Nachforschungen von BR Recherche zeigen: Es gibt Hinweise auf mehr Testreihen.

    Von: Christiane Hawranek, Pia Dangelmayer

    Stand: 09.05.2018 | Bildnachweis


    BR Recherche: Heimkinder für Medikamententests missbraucht

    Im mittelfränkischen Hilpoltstein wurde ein zehnjähriges Heimkind im Jahr 1975 zum medizinischen Versuchsobjekt - ohne sein Einverständnis. Das geht aus Dokumenten hervor, die BR Recherche vorliegen. Demnach musste der Junge damals ein Präparat schlucken, das noch nicht auf dem Markt war. Im Rahmen einer Arzneimittelprüfung. Heute ist Martin Hackl Mitte 50, schwer lungenkrank und kann sich kaum bewegen. Erst vor anderthalb Jahren ist er durch Zufall auf die Dokumente in seiner Heimakte gestoßen. Dem BR sagte er, er fühle sich betrogen und wolle mehr über das Ausmaß des Tests erfahren.

    Nebenwirkungen und Todesfälle

    Als Kind galt Martin Hackl als "umtriebig" und "schwachsinnig". Damals konnte er laufen und sprechen. Aus den Unterlagen geht auch hervor: Der sechswöchige Test verändert das Wesen des Jungen, irgendwann wehrt er sich dagegen, die Tabletten zu nehmen. Eine Einverständniserklärung liegt seiner Akte nicht bei. Ein Auszug aus den Aufzeichnungen des Heimarztes vom Februar 1975:

    "Von Martin wird berichtet, er bekomme laufend Wutanfälle, einen nach dem anderen, er lasse sich nicht anfassen, schreie und höre gar nicht mehr auf damit. Alles was man bisher mit ihm habe machen können sei unmöglich."
    Heimakte von Martin Hackl

    Das Präparat wurde ein Jahr nach dem Test, ab 1976, als Antidepressivum unter dem Namen Alival verkauft. Zehn Jahre später musste es die Pharmafirma Hoechst vom Markt nehmen - wegen Todesfällen und gravierender Nebenwirkungen an Leber, Niere und Lunge. Ob auch Martin Hackl Spätfolgen erlitten hat? Nachweisen lässt sich das jetzt, 40 Jahre nach dem Test, nicht mehr. Der Hersteller gehört heute zu Sanofi. Auf Nachfrage von BR Recherche schreibt die Pressestelle, man habe "keine Hinweise" auf Tests mit Heimkindern.

    Heimleitung entschuldigt sich nach BR-Recherche

    Und das Heim? Die Rummelsberger Diakonie hat sich bei Martin Hackl für das Experiment inzwischen entschuldigt. Ein Wissenschaftler soll nun im Auftrag des Heims herausfinden, wie viele Kinder in der Einrichtung für Menschen mit Behinderung zu Versuchsobjekten wurden.

    "Hauptsache, es kommt raus, dass wir wirklich willig sind, das aufzuarbeiten und dass wir uns eigentlich auch schämen für das, was da passiert ist."

    Georg Borngässer, Pressesprecher der Rummelsberger Diakonie

    Bundesweit 50 Testreihen

    Deutschlandweit haben Wissenschaftler etwa 50 Testreihen an Heimkindern in den 1950er bis 1970er Jahren nachgewiesen – darunter auch Tests mit Impfstoffen und mit Psychopharmaka in Bayern [ Siehe @ www.br.de/nachrichten/verdraengtes-leid-medikamententests-an-heimkindern-100.html ]. Auch in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in Kaufbeuren haben Ärzte das Präparat "T57" der Pharma-Firma Merck an Kindern getestet. Das belegen Unterlagen, die BR Recherche im Merck-Archiv einsehen konnte. Das Prüfpräparat wurde im Herbst 1957 an den Leiter der Kinderabteilung geschickt, mit dem Ziel, mehr über die Dosierung bei Kindern herauszufinden. Für einen Bericht über mögliche positive Ergebnisse würde sich Merck "selbstverständlich gerne erkenntlich zeigen".

    Tests auch in Kaufbeuren

    Auf die BR-Recherchen hin hat das Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren den Düsseldorfer Medizinhistoriker Professor Heiner Fangerau damit beauftragt, den Test im Jahr 1957 zu untersuchen. Er arbeitet auch an einer bundesweiten Studie zum Thema und sagt, die Tests in den Einrichtungen hätten schon damals gegen medizinethische Standards verstoßen. Denn bisher konnte er keinerlei Einverständniserklärung zu den Versuchen finden.

    "Mit diesem Blick von heute auf diese Kinder und diese Zeit finde ich es nicht in Ordnung, weil wir zum Beispiel im Moment noch nicht wirklich finden, ob die Kinder und ihre Eltern aufgeklärt worden sind über mögliche Nebenwirkungen."

    Heiner Fangerau, Medizinhistoriker

    Offiziell nur ein Fall in Bayern

    Das Bayerische Sozialministerium schreibt auf BR-Nachfrage, es gebe bayernweit nur einen einzigen belegten Fall eines Medikamententests im Heim, nämlich den von Martin Hackl. Und weiter: Medizinische Versuche ohne Einwilligung seien heute und auch damals Unrecht. Welche Dimension dieses Unrecht hatte, ist noch nicht klar. Bei dessen Aufarbeitung steht Bayern noch ganz am Anfang.

    Die Stiftung Anerkennung und Hilfe von Bund, Ländern und Kirchen zahlt noch bis Ende 2019 Geld aus einem Fonds an ehemalige Heimkinder aus Psychiatrien und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Voraussetzung ist, dass sie zwischen 1949 und 1975 dort Leid und Unrecht erlebt haben. Informationen gibt es hier:

    www.stiftung-anerkennung-und-hilfe.de


    Aufgedeckt - der investigative Podcast: Gewalt, Missbrauch, Zwang: Viele Heimkinder mussten das in den Nachkriegsjahrzehnten erleiden. Allmählich kommt ans Licht, dass Heimkinder bis in die 70er-Jahre zudem Opfer von Medizinversuchen wurden. Und erst jetzt, auch durch BR-Recherchen, beginnt in Bayern die Aufklärung. Den Bayern 2-Podcast zum Thema finden Sie hier [ Siehe @ www.br.de/mediathek/podcast/aufgedeckt-der-investigative-podcast/653 ].
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 19.05.18, 06:47  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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QUELLE: BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (Schönngasse 15-17/4, 1020 Wien, Österreich) @ www.bizeps.or.at/entsetzen-ueber-medikamentenversuche-in-deutschland/

    Zitat:
    .
    Entsetzen über Medikamentenversuche in Deutschland

    12.05.2018, 8:55 Uhr --- kobinet-nachrichten

    Der am 9. Mai 2018 ausgestrahlte und mittlerweile auch ins Internet eingestellte Bericht des Magazins Kontrovers im Bayerischen Fernsehen über Medikamentenversuche an behinderten Menschen, die in Behinderteneinrichtungen lebten, hat viele berührt und Entsetzen ausgelöst.

    Während das bayerische Sozialministerium von einem bekannten Fall spricht, haben die RedakteurInnen des
    Bayerischen Rundfunks aufgezeigt, [ Siehe Video @ www.br.de/mediathek/video/br-recherche-heimkinder-fuer-medikamententests-missbraucht-av:5af19def7ff4600018413824 ] dass die damalige Nutzung von behinderten HeimbewohnrInnen alles andere als ein Einzelfall ist.
    U.a. wurde in der Reportage die Geschichte des
    Inklusionsbotschafters Martin Hackl aufgezeigt [ Siehe @ www.isl-ev.de/index.php/aktuelles/projekte/inklusionsbotschafterinnen/die-inklusionsbotschafterinnen/1999-martin-hackl ], der in den 70er Jahren als Kind massiven Medikamentenversuchen ausgesetzt war und erhebliche Schäden davon getragen hat.

    „Im mittelfränkischen Hilpoltstein wurde ein zehnjähriges Heimkind im Jahr 1975 zum medizinischen Versuchsobjekt – ohne sein Einverständnis. Das geht aus Dokumenten hervor, die BR Recherche vorliegen. Demnach musste der Junge damals ein Präparat schlucken, das noch nicht auf dem Markt war. Im Rahmen einer Arzneimittelprüfung. Heute ist Martin Hackl Mitte 50, schwer lungenkrank und kann sich kaum bewegen. Erst vor anderthalb Jahren ist er durch Zufall auf die Dokumente in seiner Heimakte gestoßen. Dem BR sagte er, er fühle sich betrogen und wolle mehr über das Ausmaß des Tests erfahren“, heißt es auf der Internetseite des Fernsehmagazins Kontrovers.


    Die Sendung

    [ Video-Zugang hier ]


    BR24 [ = twitter.com/BR24 ]

    Pharmafirmen haben bis in die 1979er Jahre an
    #Heimkindern Medikamente getestet. Ohne Einverständnis. Offiziell ist in Bayern nur ein Fall bekannt. Nachforschungen von @hawrankowa & @piarennt für BR_Recherche zeigen: Es gibt Hinweise auf mehr. #Medikamententests, #Tabelettenkinder
    14:54 9/ Mai 2018
    LIKES:
    49 | KOMMENTARE: 99 Nutzter sprechen darüber

    [ #Heimkinder = twitter.com/hashtag/Heimkinder?src=hash

    @hawrankowa = twitter.com/hawrankowa

    @piarennt = twitter.com/piarennt

    BR_Recherch = twitter.com/BR_Recherche

    #Medikamententests = twitter.com/hashtag/Medikamententests?src=hash

    #Tabelettenkinder = twitter.com/hashtag/Tablettenkinder?src=hash ]


    „Als Kind galt Martin Hackl als ‚umtriebig‘ und ‚schwachsinnig‘. Damals konnte er laufen und sprechen. Aus den Unterlagen geht auch hervor: Der sechswöchige Test verändert das Wesen des Jungen, irgendwann wehrt er sich dagegen, die Tabletten zu nehmen. Eine Einverständniserklärung liegt seiner Akte nicht bei. Ein Auszug aus den Aufzeichnungen des Heimarztes vom Februar 1975: ‚Von Martin wird berichtet, er bekomme laufend Wutanfälle, einen nach dem anderen, er lasse sich nicht anfassen, schreie und höre gar nicht mehr auf damit. Alles was man bisher mit ihm habe machen können sei unmöglich.‘“

    Das Präparat wurde dem Bericht zufolge ein Jahr nach dem Test, ab 1976, als Antidepressivum unter dem Namen Alival verkauft. Zehn Jahre später musste es die Pharmafirma Hoechst vom Markt nehmen – wegen Todesfällen und gravierender Nebenwirkungen an Leber, Niere und Lunge.


    Link zum Fernsehbericht und zu den Recherchen des Magazins Kontrovers des Bayerischen Rundfunks [ Siehe @ www.br.de/nachrichten/wie-heimkinder-zu-versuchsobjekten-wurden-100.html ]

    Neben dem Fernsehbericht wurde auch in Bayern 2 eine dreiteilige Podcast-Reihe ausgestrahlt, die über die Mediathek verfügbar ist.

    „Aufgedeckt – der investigative Podcast“ lautet der Titel mit folgender Ankündigung: „Gewalt, Missbrauch, Zwang: Viele Heimkinder mussten das in den Nachkriegsjahrzehnten erleiden. Allmählich kommt ans Licht, dass Heimkinder bis in die 70er-Jahre zudem Opfer von Medizinversuchen wurden. Und erst jetzt, auch durch BR-Recherchen, beginnt in Bayern die Aufklärung.“

    Den Bayern 2-Podcast zum Thema gibt es unter:
    www.br.de/mediathek/podcast/aufgedeckt-der-investigative-podcast/653

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HINWEIS: In meinem unmittelbar vorhergehenden Beitrag hier in diesem Thread – mein Beitrag oben vom Donnerstag, 10. Mai 2018, um 00:46 Uhr – ist mir zweimal kurz hintereinander der gleiche Buchstabierungsfehler unterlaufen als ich von „Tablettenkinder“ sprach. Der Begriff „Tablettenkinder“ sollte natürlich immer mit doppel „tt“ geschrieben werden.
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 20.05.18, 00:21  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Jetzt hier in Bezug auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen, insbesondere mit Blick auf den Landschaftsverband Rheinland (LVR), Hauptsitz in Köln.

QUELLE: NRZ - Neue Ruhr Zeitung (Regionalzeitung) - FUNKE MEDIEN NRW GmbH @ www.nrz.de/politik/pruegel-und-medikamentenmissbrauch-in-der-lvr-klinik-bonn-id214010023.html :

    Zitat:
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    MISSBRAUCH
    Prügel und Medikamentenmissbrauch in der LVR-Klinik Bonn

    Stephan Hermsen
    13.04.2018 - 18:42 Uhr


    [ ARCHIVFOTO: „Der Schein trügt: Besuche gab es in den Kliniken in speziellen Räumen und nach Voranmeldung. Ansonsten wurden die von Krieg, Gewalt und Missbrauch geprägten Kinder eher versteckt.“ --- „Foto: Psychiatriemuseum Verrückte Zeiten Bonn“ ]

    AN RHEIN UND RUHR. Landschaftsverband stellt Studie über die Bonner Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bonn vor. Verstöße bis in die 70er-Jahre hinein.

    Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat bis in die 70er-Jahre hinein Kinder und Jugendliche mit Medikamenten ruhiggestellt und bei Prügeleien zwischen den Kindern und Jugendlichen in den großen Schlafsälen nicht eingegriffen, so dass dort das Recht des Stärkeren galt.

    Das geht aus der Studie Gestörte Kindheiten – Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen Einrichtungen des LVR 1945 bis 1975 hervor, die Frank Sparing vom
    Institut für Geschichte der Medizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Silke Fehlemann (Uni Dresden) im Auftrag des LVR erstellten. Dafür haben sie 400 der rund 15 000 Patientenakten ausgewertet.


    Mit Medikamenten ruhig gestellt

    Wandten sich die verprügelten Kinder hilfesuchend an die Pfleger, wurde ihnen vom oftmals überforderten Personal „verweichlichtes“ Verhalten vorgeworfen. Als Strafen wurde unter anderem mehrtägiges „Im-Bett-bleiben“ verordnet.

    Um dies durchzusetzen, wurden die Kinder und Jugendlichen mit Medikamenten ruhiggestellt. Frank Sparing sprach angesichts des Medikamenteneinsatzes von „in Teilen kollektiver Vergiftung“, von der man bei der stark überdosierten Gabe von Psychopharmaka sprechen müsse.

    Bei der Präsentation der Studie sagte Ulrike Lubek, Direktorin des LVR, mit Blick auf die Betroffenen: „Sie haben in unseren Einrichtungen dieses Leid erfahren. Das verschweigen wir nicht, und wir bekennen uns zu der Verantwortung. Aus tiefster Seele entschuldigen wir uns bei all jenen, die dieses Unrecht erlitten haben.“

    Bereits seit einigen Jahren hat sich der LVR die Aufarbeitung auch der Nachkriegsgeschichte zu eigen gemacht – mit zum Teil erschütternden Erkenntnissen. So spricht Frank Sparing von einer „verspäteten Modernisierung“ beim LVR, dessen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bonn damals bundesweit Lenkungsfunktion für psychisch kranke und behinderte Kinder und Jugendliche hatte.


    Weitere Studien zu dem Thema sollen folgen

    Hinzu kamen für die Kinder extrem schmerzhafte diagnostische Verfahren mit zweifelhafter Aussagekraft wie die Pneumenzephalographie, bei der die Kinder unter schweren Kopfschmerzen litten. Vor der Untersuchung bekamen die Kinder beruhigende Medikamente, dennoch versuchten Kinder aus Angst vor der Untersuchung zu fliehen.

    Die abwertenden Diagnosen – so wurden missbrauchte Mädchen als „unsittlich“ abqualifiziert – und Medikamentenpläne wurden von den Heimen, die die Kinder und Jugendlichen übernahmen, selten infrage gestellt. Zu den größeren aufnehmenden Einrichtungen gehörte das Essener Franz-Sales-Haus, das sich bereits vor einigen Jahren mit der eigenen Geschichte von Misshandlungen auseinandergesetzt hat. Auch der LVR kündigte weitere Studien an, die sich den im gleichen Zeitraum behandelten Erwachsenen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen widmen will.


    >>>MEHR INFORMATIONEN UND HILFEN:

    Die Studie Gestörte Kindheiten – Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen Einrichtungen des LVR 1945 bis 1975 umfasst rund 220 Seiten und kostet 19 Euro. Sie ist im Metropolverlag erschienen. ISBN: 978-3 86331-371-5 .

    Der LVR bietet Hilfe, Beratung und ggf. auch Entschädigungen für Opfer von Misshandlungen an. Anträge müssen allerdings nach derzeitiger Rechtslage bis Ende 2019 gestellt werden. Kontakt zur Anlauf und Beratungsstelle gibt es unter 0221/809 5001,
    www.bit.ly/2JHUfD2 .

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Alle Betroffenen, bundesweit, sollten sich absolut darüber bewusst sein, dass dies natürlich keineswegs eine „Entschädigung“ darstellt und dass der Begriff und die immmer wieder wiederholte Nutzung des Begriffs „Entschädigung“ kirchlicherseits und staatlicherseits (und in allen Medien einfach so wiederholt und nachgeplappert), in diesem Zusammenhang, völlig unangebracht ist. Es wird bisher von niemanden der Verursacher in Deutschland – was damalige Medikamententests und den damaligen Medikamentenmissbrauch betrifft – den Opfern und Geschädigten eine diesbezügliche Entschädigung in Aussicht gestellt !!
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 24.05.18, 08:52  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Pressemeldung ausgehend vom Landschaftsverband Rheinland (LVR - Hauptsitz Köln):

QUELLE: www.lvr.de/de/nav_main/derlvr/presse_1/pressemeldungen/press_report_137158.jsp :

    Zitat:
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    Pressemeldung

    „Schluck das oder ich hole die Frau Doktor!“

    14. Mai 2018 | Jugend

    Petra Alice Berg war Psychiatriepatientin in den 1970er Jahren / Sie leidet noch heute unter den Folgen von Medikamentenmissbrauch und vorenthaltener Schulbildung / Die Anlauf- und Beratungsstelle beim LVR bietet Betroffenen Unterstützung und Leistungen der Stiftung Anerkennung und Hilfe an [ aber keine wirkliche Entschädigung ist vorgesehen ]

    Köln. 14. Mai 2018. Petra Alice Berg war zwölf Jahre alt, als sie im Juli 1968 in ein Kindersanatorium eingewiesen wurde. In ihrer Jugend war sie in zwei Heimen und immer wieder in der Psychiatrie. Heute ist die Wuppertalerin 62, kann sich aber noch gut an das erinnern, was ihr vor fünfzig Jahren widerfuhr: „Im Kindersanatorium probierte man ohne Einwilligung meiner Mutter Medikamente an mir aus, die noch nicht im Handel erhältlich waren oder noch nicht an Kindern erprobt wurden – vor allem Neuroleptika aber auch Schlafmittel.“

    Nachdem man ihr die ersten Medikamente verabreichte, bekam Petra Alice Berg Tobsuchtsanfälle und hörte Stimmen. Von dem Saft, den sie nehmen musste, wurde ihr immer schlecht. Wenn sie sich wehrte, bekam sie zu hören: „Schluck das oder ich hole die Frau Doktor, dann kriegst du es gespritzt“. Die Tobsuchtsanfälle sind auch nach dem Absetzen der Medikamente geblieben und haben Petra Alice Berg noch viele Jahre belastet. Sie vermutet, dass aus einem seelischen Trauma aufgrund von Kindheitserlebnissen eine echte Schizophrenie wurde – durch die Medikamente.

    „Trotz eines überdurchschnittlich hohen Intelligenzquotienten und einer außergewöhnlichen Sprachbegabung konnte ich nur einen Schulabschluss auf einer heimeigenen Sonderschule machen. Gerne wäre ich Übersetzerin oder Lektorin geworden“, sagt sie. Am Ende der Schulzeit hatte sie jedoch nur knapp drei Jahre Englischunterricht gehabt und konnte diesen Wunsch nicht verwirklichen.

    Ihr Leben lang hatte sie nur Hilfsarbeitsstellen, ging stundenweise putzen. Aufgrund vieler körperlicher und seelischer Leiden galt sie schon immer als schwer oder gar nicht vermittelbar. Seit 2006 ist sie erwerbsunfähig. Sie ist auf betreutes Wohnen und eine Haushaltshilfe angewiesen. Insgesamt sechs Mal hat sie über die Jahre versucht, sich das Leben zu nehmen. „Mittlerweile bewahrt mich mein Glaube davor“, sagt Berg heute.

    Andreas Naylor leitet die Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder beim Landschaftsverband Rheinland (LVR). „Bei unserer Arbeit mit den Betroffenen hören wir oft von ähnlichen Erlebnissen. Das erfahrene Leid ist für die Menschen kein singuläres Ereignis. Es ist für sie traumatisch und prägt in vielen Fällen ihren ganzen Lebensverlauf“, sagt er. Aufgabe der Anlauf- und Beratungsstelle ist es, Menschen beim Beantragen von finanziellen Leistungen aus der Stiftung Anerkennung und Hilfe zu unterstützen, die von Bund, Ländern und Kirchen ins Leben gerufen wurde. Die Stiftung richtet sich an Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in der Zeit von 1949 bis 1975, wie Petra Alice Berg, schlimme Erfahrungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen gemacht haben.

    Betroffene erhalten eine pauschale Geldleistung in Höhe von 9.000 Euro zur Anerkennung von erlittenem Unrecht und zur Linderung der Folgewirkungen. Wer in den Einrichtungen sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, ohne dass Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden, erhält darüber hinaus eine einmalige Rentenersatzleistung von bis zu 5.000 Euro.

    Auch Petra Alice Berg hat sich entschieden, mit einer Beraterin der Anlauf- und Beratungsstelle Kontakt aufzunehmen. Die hat sie zu Hause besucht und mit ihr besprochen, was die nächsten Schritte sind. Schließlich erhielt Petra Alice Berg sowohl die Anerkennungsleistungen als auch die Rentenersatzleistung. „Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, sich auch bei der Anlauf- und Beratungsstelle des LVR zu melden“, sagt sie rückblickend. Von dem Geld will sie ihre Autobiographie veröffentlichen. Der Titel lautet „Es ist nicht leicht, verrückt zu sein“.

    „Insgesamt haben sich leider noch zu wenig Menschen bei uns gemeldet“, sagt Andreas Naylor. Die Stiftung Anerkennung und Hilfe schätzt, dass rund 3.300 Menschen in NRW Leistungen erhalten können. Gemeldet haben sich beim LVR bisher 704 Menschen aus dem rheinischen Landesteil von NRW, von denen 306 bereits Geld aus der Stiftung erhalten haben. Bis Ende 2019 können sich Betroffene aus dem Rheinland noch anmelden (Tel.: 0221 809-5001).

    Ansprechpartner für redaktionelle Fragen:

    Till Döring
    LVR-Fachbereich Kommunikation
    Tel 0221 809-7737
    Mail



    Weiterführende Links

    Internetseite der Anlauf- und Beratungsstelle beim LVR [ Siehe @
    www.lvr.de/de/nav_main/derlvr/organisation/anlauf__und_beratungsstelle_fuer_ehemalige_heimkinder/anlauf__und_beratungsstelle_fuer_ehemalige_heimkinder.jsp ]

    ● Pressemitteilung vom 18. April 2018 zur Veröffentlichung der LVR-Studie "Gestörte Kindheiten. Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen in psychiatrischen Einrichtungen des Landschaftsverbandes Rheinland (1945–1975)" [ Siehe @
    www.lvr.de/de/nav_main/derlvr/presse_1/pressemeldungen/press_report_133249.jsp ]

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 27.05.18, 07:11  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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WDR - Westdeutscher Rundfunk Köln - Anstalt des öffentlichen Rechts

QUELLE: www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/medikamente-in-essener-kinderheim-100.html :

Jetzt hier in Bezug auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen und insbesondere in Bezug auf das katholische Franz-Sales-Haus in Essen.

    Zitat:
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    > WDR > Nachrichten > Ruhrgebiet ----- Stand: 23.05.2018, 10:47

    Medikamentenmissbrauch: Vorwürfe gegen Essener Kinderheim

    Von Carmen Krafft

    ● Ex-Heimkind erhebt Vorwürfe gegen Franz-Sales-Haus
    ● Ständige Betäubung durch Psychopharmaka in den 1960ern
    ● Aufsätze belegen Medikamentenstudie an Heimkindern

    Karl-Werner Krüll (63) hat einen Mini-Job als Hausmeister. Dass er sich mit Hilfsjobs durchschlagen musste, führt er auf seine Kindheit im Essener Franz-Sales-Haus zurück. Im Heim wurde er 1962 mit acht Jahren aufgenommen. Er sagt: "Ich habe dort nicht Lesen und Schreiben gelernt, weil ich mit Medikamenten zugedröhnt wurde."

    Ordensschwestern seien morgens mit Medikamenten ins Zimmer gekommen, die von Anstaltsarzt Dr. Waldemar Strehl verordnet wurden. "Einige Kinder, wie ich, mussten das täglich schlucken", sagt Karl-Werner Krüll. In seiner Krankenakte ist mehrmals das Psychopharmakon Esucos vermerkt: Einnahme bis zu dreimal täglich. Eine sehr hohe Dosis für ein Kind. "Mir wurde das Zeug gewaltsam reingezwungen. Jahrelang."

    [ (FARBFOTO) VIDEO: „Medikamentenmissbrauch 1: Die Geschichte von Karl-Werner-Krüll | 03:22 Min. | Verfügbar bis 22.05.2019“ ]


    "Alle haben davon gewusst – keiner hat geholfen"

    Laut Akte galt Karl-Werner Krüll als "aggressiv". Durch die Medikamente stellte man ihn ruhig: "Ich war kaum in der Lage, irgendwas zu denken." Am normalen Unterricht konnte er deshalb nicht teilnehmen, er landete in einer "Bastelklasse". Lesen und Schreiben hat er dort nicht gelernt. Von dem Medikamenten-Missbrauch hätten "alle" gewusst, sagt Krüll: "Die Nonnen haben mitgemacht, aber auch die Betreuer und die Verwaltung wussten, was der Arzt mit uns gemacht hat."

    Belege für Medikamentenstudie

    Tatsächlich gibt es Belege über Medikamentenversuche durch den Anstaltsarzt Dr. Waldemar Strehl. In einem wissenschaftlichen Aufsatz Anfang der 1960er stellt der ehemalige Arzt des Franz-Sales-Hauses seine Versuche mit dem Psychopharmakon Esucos vor. Strehl hat, so schreibt er damals, 96 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren ausgewählt, die durch störendes Verhalten auffielen.

    Keine Therapie, sondern Experiment

    [ KLEINES SCHWARZ-WEIß FOTO: „Nonnen im Franz-Sales-Haus in den 1960ern“ ]

    Die Krefelder Pharmakologin Sylvia Wagner hat sich mit den Medikamententests befasst. Nach Ansicht der Wissenschaftlerin missbrauchte Strehl Medikamente, machte medizinische Versuche. "Es gab keine medizinische Indikation für Esucos. Es ging nicht um Therapie, sondern um soziale Anpassung." Bei einigen Kindern ordnete er viermal täglich 25 Milligramm Esucos an – deutlich mehr als die Maximal-Dosis für Erwachsene.

    Mögliche Folgen des Medikamentenmissbrauchs hat der Bochumer Neurowissenschaftler Burkhard Wiebel erforscht. Er untersuchte ehemalige Heimkinder aus dem Franz-Sales-Haus. Ihnen wurden laut Akte mindestens über mehrere Monate Psychopharmaka verabreicht. Burkhard Wiebel: "Ich konnte nachweisen, dass geistige Fähigkeiten, die sonst bei ihnen vorhanden sind, deutlich eingeschränkt sind."


    Franz-Sales-Haus will Geschichte aufarbeiten

    Das Essener Franz-Sales-Haus verweist auf eine neue Studie. Bochumer Historiker und Ethiker untersuchen zurzeit den Umgang mit Medikamenten im Heim. Bis Ende 2019 will man durch Aktenstudium und Interviews herausfinden, ob in der Nachkriegszeit Medikamente an Kindern missbräuchlich eingesetzt wurden.

    Untersuchungen im Esserner Franz-Sales-Haus starten im April MEHR [ Siehe @ www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/untersuchungen-franz-sales-beginnt-im-april-100.html ]

    [ (HISTORISCHES SCHWARZ-WEIß FOTO) VIDEO: „Medikamentenmissbrauch 2: Belege und Folgen | 02:36 Min. | Verfügbar bis 30.05.2018 “ ]

    Bethel lässt Medikamenten-Versuche untersuchen | MEHR [ Siehe @ www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/bethel-medikamententest-untersuchung-100.html ]
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 29.05.18, 03:58  Betreff:  Enslavement = Versklavung | Forced Labour = Zwangsarbeit  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Mehr spezifisch, bezüglich: Enslavement = Versklavung | Forced Labour = Zwangsarbeit | Abuse = Abusus | Rape = Vergewaltigung | Use and Abuse of Psychopharmaceuticals = Anwendung und Missbrauch von Psychopharmaka


QUELLE: CORRECTIV.ORG / CORRECTIV.RUHR - »Im Schatten der Colonia Dignidad« (24.05.2018) @ correctiv.org/blog/ruhr/artikel/2018/05/24/tater-und-opfer/

CORRECTIV.ORG / CORRECTIV.RUHR ausdrücklich erlaubt die uneingeschränkte Nutzung und Weiterverbreitung dieses Artikels und auch allen anderen von CORRECTIV veröffentlichten Artikel :

Vielfach, so wie hier von CORRECTIV.ORG / CORRECTIV.RUHR beschrieben, ging es zu in vielen Erziehungseinrichtungen in Westdeutschland – insbesondere in kirchlichen Kinderheimen und Erziehungsanstalten in Westdeutschland (ob evangelischen oder katholischen oder freikirchlichen --- „Fürsorgehöllen“ !) – in den späten 1940er Jahren, den 1950er Jahren, den 1960er Jahren, den 1970er Jahren und sogar noch in den 1980er Jahren !! :


Ich selbst schrieb schon, kurz zusammenfassend, diesbezüglich an vielen verschiedenen Stellen im Internet um Weihnachten 2016 wie folgt:

    Zitat:
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    Insbesondere in den späten 1940er, den 1950er, den 1960er, den 1970er und 1980er Jahren gehörte „Zwangsarbeit“ in der Bundesrepublik Deutschland (d.h. in „Westdeutschland“) mit zum Wirtschaftsplan. Die Schwächsten in unserer Gesellschaft – insbesondere Kinder und Jugendliche „in den Heimen“ / „in der Heimerziehung“ – wurden gnadenlos ausgebeutet. Kirche und Staat selbst waren weitgehend die Vermittler sowie Nutznießer dieser „Zwangsarbeit“ / „Arbeitsausbeutung“. Und alle haben geschwiegen und daran Kohle verdient. Und auch die DDR wurde von westlichen Geschäftsunternehmen und Industriebetrieben GROß und KLEIN in diese kapitalistische „Zwangsarbeit“ / „Arbeitsausbeutung“ eingebunden; und die DDR hatte zusätzlich auch noch ihr eigenes gleichlaufendes System der Ausbeutung und Unterdrückung. Alles lief wie geschmiert beiderseitig der innerdeutschen Grenze.

    Erst seit der Einführung für Gesamtdeutschland – für das jetzt wiedervereinigte Deutschland – im Jahre 2005, des Gesetzes gegen „Menschenhandel“ (Strafgesetzbuch §232) / gegen „Ausbeutung der Arbeitskraft“ (Strafgesetzbuch §233) geht man jetzt allmälig halbherzig in Deutschland gegen „Nutznießer von Zwangsarbeit“ vor. Aber natürlich nicht gegen damalige nachkriegsdeutsche „Nutznießer von Zwangsarbeit“.

    .


    Zitat:
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    NRW[RUHR]

    CORRECTIV.ORG / CORRECTIV.RUHR
    Im Schatten der Colonia Dignidad
    Dietmar Seher - 24. Mai 2018


    Im Schatten der Colonia Dignidad

    In Krefeld leben Opfer und Täter des Folterlagers Colonia Dignidad [in Südamerika] nah beieinander. Die einen kämpfen um ihre Rente, die anderen beziehen Unterstützung vom Staat. Das soll sich nun ändern.

    Über Jahrzehnte hinweg hat der sadistische Sektenführer Paul Schäfer in der Colonia Dignidad in Südchile deutsche Kinder und einheimische Regimegegner gefoltert und zur Arbeit gezwungen. Der Bundestag drängt nun die Behörden, noch lebende Opfer zu entschädigen. Franz Heinrich und Irmgard Wagner sind zwei von ihnen. Ein Besuch.

    „Von 1957 bis 2005 Folter, Zwangsarbeit, Psychopharmaka bis zu dem Punkt, dass man versucht hat, mir das Leben zu nehmen“. In nur einem Satz fasst Franz Heinrich Wagner seine prägenden Lebenserfahrungen zusammen. Kurz und knapp. Wie fast alles, was er über seine schreckliche Vergangenheit zu sagen hat.

    Franz Heinrich Wagner und seine Frau Irmgard sind heute 72 und 73 Jahre alt. Er stammt aus dem westfälischen Gronau, sie aus Graz in Österreich. Sie waren fast ein halbes Jahrhundert Gefangene des brutalen Sektenführers und Kinderschänders Paul Schäfer aus Troisdorf bei Bonn. Schäfer hatte mit seiner Sekte bis 2005 die Colonia Dignidad im Süden Chiles geführt, dort hunderte aus Deutschland verschleppte Kinder und Jugendliche gefoltert und missbraucht.

    Man möchte sich nicht vorstellen, was in Menschen vor sich geht, die Gewalt, gezielte Erniedrigungen und Todesdrohungen erdulden mussten. Doch was muss erst in Frauen und Männern arbeiten, die das alles fast ein Leben lang und weit abseits der Zivilisation ertragen haben?


    Aufarbeitung nach über 50 Jahren

    Erst in diesen Tagen haben deutsche Ministerialbeamte und Staatsanwälte konkreter begonnen, die Straftaten Paul Schäfers und seiner Komplizen aufzuarbeiten und am zentralen Tatort in Chile, in der lange Zeit berüchtigten Colonia Dignidad, zu ermitteln. Von einer Vor-Ort-Inspektion brachten sie Akten mit neuen Informationen mit. Die Staatsanwaltschaft in Krefeld bearbeitet sie.

    400 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago hat Paul Schäfer über fast fünf Jahrzehnte ein Folter- und Todeslager betrieben. Nach außen hin war das eine streng religiöse Erziehungsanstalt. Doch Deutsche wie Chilenen mussten täglich Sklavenarbeit leisten. Ungehorsam wurde mit Elektroschocks, Schlägen und mit Psychopharmaka-Spritzen bestraft. Der Sektenführer, ein pädophiler Sadist, vergewaltigte männliche Jugendliche. Gegner des chilenischen Pinochet-Regimes wurden gequält. Wahrscheinlich wurden auch Dutzende ermordet. Stacheldraht und Gräben schirmten „el fundo“ – die Farm, wie seine Ex-Bewohner das Lager noch nennen – von der Außenwelt ab. Fluchtversuch war ein Delikt, dem Körperstrafe folgte. Fast ein halbes Jahrhundert war die Colonia Dignidad ein Ort fernab von Rechten und Gesetz am Fuße der chilenischen Anden.

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    Paul Schäfer und die Colonia Dignidad

    Gegründed wurde die „Kolonie [der] Würde“ Anfang der 1960er Jahre von dem nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohenen ehemaligen Wehrmachtsgefreiten Paul Schäfer mit 300 Getreuen. Schäfer wurde [in Chile] wegen des Mordes, sexuellen Missbrauchs und Folter zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteuilt. Er starb 2010 im Alter von 88 Jahren im Gefängnis [in Santiago de Chile]. ---
    AFP


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    Sturz vom Himmel in die Hölle

    Im Westen von Krefeld, mitten im Grünen, liegt Hüls. Einfamilienhäuser wechseln sich mit kleinen Wohnblocks ab. Hier wohnen, in einer 2. Etage, Franz Heinrich und Irmgard Wagner, zwei der Opfer Schäfers. Die 60-Quadratmeter-Wohnung hat etwas von einem Idyll. Auf dem Tisch steht Salzgebäck. Große Stoffbären bewachen das Sofa mit den vielen Kissen. Auf dem kleinen Balkon landen Tauben und manchmal kommen die Eichhörnchen. Nur der große Flachbildschirm passt nicht zur Ausstattung, die an die Bundesrepublik der 50er Jahre erinnert.

    Vielleicht wollen es Franz Heinrich und Irmgard Wagner auch nur so haben wie in ihrer Kindheit, als es den Albtraum Colonia noch nicht in ihrem Leben gab. Denn mit dem Eintritt in die Sekte „sind wir vom Himmel in die Hölle gekommen“, sagt Irmgard Wagner.
    Eine Unterhaltung mit den Wagners über das gemeinsam Erlebte fällt nicht leicht. Die Colonia Dignidad hat sie spürbar traumatisiert.

    Irmgard Wagner hat Tränen in den Augen, wenn sie vom Alltag in Chile redet. Wenn sie von ihrer eigenen Ausbeutung erzählt: „Erntearbeit von morgens halb fünf bis nachts um zwölf, dann hatten wir drei Stunden für uns und dann ging es weiter. Da hat uns keiner gefragt, ob wir geschlafen haben oder nicht. Ich bin selbst beim Gehen eingeschlafen.“ Oder wenn sie berichtet, wie ein 15-Jähriger in der Colonia „mit holländischen Holzschuhen zusammengetreten wurde“. Sie war Zeuge. Ihre Stimme zittert.

    Franz Heinrich Wagner redet ohne Pause. Manchmal in genau gewählten Sätzen. Dann wieder, ohne dass er einen Satz zu Ende führen kann. Zu viele Details fallen ihm ein aus diesem halben Jahrhundert in der Gefangenschaft. Sein Körper? Ist ständig in Bewegung. Offene Gefühle? Zeigt er. Aber sparsam. Vieles liest er aus einem selbstverfassten Lebenslauf vor. Er hat ihn kürzlich aktualisiert. Dinge stehen darin wie „Sie haben mich geschlagen. Ich musste mir in einer Pfütze das Blut abwaschen“. Vorgelesen klingt der Satz, als sage Wagner das über das Leid eines Fremden.

    Die Geschichten aus dem Leben der Wagners sind immer Geschichten von Gewalt. Gewalt gab es schon für sie in den Anfangsjahren nahe Bonn, wo mit der „Privaten Socialen Mission Heide“ die erste Erziehungsanstalt des Paul Schäfer stand, die sich nach der strengen Lehre des religiösen Anführers ausrichtete. Gewalt bestimmte auch die Mitte der 60er Jahre, nach der Übersiedlung in die Colonia Dignidad nach Chile. Aus diesen Jahren gibt es eine Archiv-Filmszene, an die Amnesty International (AI) herangekommen ist: Irmgard Wagner liegt auf einem Tisch im Klinikbereich der Colonia und wird mit Elektroschocks gequält. Immer wieder. Die sepiabraunen Aufnahmen flimmern. Es ist die Zeit, die Franz Heinrich Wagner „die schlimmste“ nennt.


    Flucht durch die Vergangenheit

    Die Zwangsarbeit. „Mit zehn Jahren wurde ich zur Zwangsarbeit geprügelt“, sagt Wagner. „Ich musste fünf Meter tiefe Gräben graben und entwässern. Schulaufgaben musste ich nachts machen. Wenn ich nicht folgte, wurde ich mit Tabletten und Elektroschocks gefügig gemacht. Gearbeitet werden musste immer. Es wurde nicht darauf geachtet, ob jemand Fieber hatte oder krank war“.

    Die Verschleppung. „1960, im Sauerland bei einem so genannten Ferienurlaub der Sekte, wurden wir blutig geschlagen. Da kam ein kleiner Junge aus der Gruppe zu mir. Er klagte mir sein Leid. Ich habe gesagt, er soll versuchen, das seinen Eltern zu melden. Darauf kam es zu Ermittlungen”, erinnert sich Wagner. Es war das erste Mal, dass Schäfer ins Visier der Strafverfolger geriet. Ermittelnde Behörde war die Staatsanwaltschaft in Bonn. Sie hatte Hinweise auf zwei Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger auf dem Tisch. Wagner: „Schäfers Komplizen haben die Fahndung zwei Tage verzögert. In diesen zwei Tagen ist er mit einem falschen Pass nach Chile ausgewandert. In Siegburg saßen alte Nationalsozialisten in den Ämtern. Sie haben es ermöglicht, dass wir ihm ohne die Zustimmung der Eltern folgen mussten. Das war im Juli 1961. Wir haben das Flugzeug genommen“. Der Vorgang hört sich für heutige Verhältnisse unglaublich an. Rund 150 Kinder und Jugendliche konnte der Sektenführer mitnehmen. Ein Teil wurde ausgeflogen, ein anderer – wie Wagners heutige Frau – folgten per Schiff. Wagner war bei der Ausreise 15 Jahre alt.

    Die Gefangenschaft. „In Chile wurde ich zum Pfleger im Krankenhaus der Colonia Dignidad und machte auch die Buchhaltung. Ich habe versucht, zu fliehen. Als Jugendlicher. Die deutsche Botschaft schickte mich zurück. Zurück im Lager erhielt ich unter Schäfers Aufsicht Tritte in die Genitalien und Elektroschocks. Dann kam ich in eine Zelle. Sie war 1,50 mal 2,50 Meter groß. Von außen war Fliegendraht vorgespannt. Ich habe in diesem Zimmer ein Mikrofon gefunden. Jedes Wort wurde abgehört. Tagsüber Zwangsarbeit. Danach in die Zelle. Für die nächsten Jahrzehnte. Bis Schäfer verschwand“. Zu diesem Zeitpunkt, 1998, war Wagner schon 52.

    Die Wohnung der Wagners ist ein einziges großes Archiv. Hier gibt es Filme, Fotos, Akten, Dokumente. Franz Heinrich Wagner steht im Raum, wühlt hier und sucht dort. Seine strahlend blauen Augen wandern hin und her, seine Hände sind meist in Bewegung. Er springt von einer Erinnerung an die dunkle Zeit zur anderen und dann wieder in die Gegenwart, in der er sich mit Behörden und ihren Verwaltungsabläufen herumschlagen muss.

    Die Psychopharmaka. „Ich bekam Tabletten, oft als Pulver. Sie sagten: Es sind Tabletten gegen deine Unterernährung. Du bist ja so dünn. Das sagte Maria, Schäfers leibliche Schwester, die ihn immer bedient hat. Dabei war ich nicht dünn. Dreimal die Woche bekam ich die Spritze. Einmal haben sie mir eine Art Gips eingeflößt gegen nervöses Magenleiden. Ich weiß nicht, was das genau war“.

    Der Geldraub. Sektenführer Schäfer hat den Opfern Geld weggenommen. Gleich am Anfang hat Franz Heinrich Wagner die Erfahrung gemacht. Die 400 D-Mark, die ihm die Familie in Deutschland mitgegeben hatte, nahm Schäfer an sich, versteckte sie in einer Bibel. Wagner holte sich dort das Geld zurück - und wurde dafür blutig geprügelt. Die Diebstahl wurde zur Regel: „Meine Mutter hat mir sechs Jahre lang jeden Monat dreihundert D-Mark geschickt. Damit ich etwas für später habe. Ich habe das Geld nie bekommen. Es wurde abgefangen. Mutter hat sich gewundert, weil sie ja nie ein Dankeschön bekommen hat“.

    Der Missbrauch. Wagner berichtet, wie Schäfer ihn zum Oralverkehr zwingen wollte. „Es war noch in Heide. Schäfer wollte mich auf seinem Zimmer missbrauchen. Ich sah eine Pistole auf dem Nachttisch, die Bibel und 'Mein Kampf'. Die Türe war verschlossen. Ich habe mich gewehrt und nichts angerührt. In Chile hat Schäfer die Kinder in einem Sessel in der Küche missbraucht“.

    Der Mordversuch. „Sie haben mir vergiftete Marmelade aufs Brot geschmiert, ich sollte dahinsiechen wie mein Adoptivvater. Ich bin gewarnt worden. Mit dem Trinken von acht Litern Wasser habe ich mein Leben gerettet“.


    Peiniger in der Nachbarschaft

    In seine Berichte über die Greuel aus der Erziehungsanstalt von Heide und in der Colonia Dignidad mischt Franz Heinrich Wagner überraschend viel Stolz. Darüber, wie er sich nicht hat unterkriegen lassen. Darüber, wie er die Entfernung der Abhöranlage verlangte. Darüber, wie er frech fragte: „Sind wir hier in einem KZ?“. Stolz auch darüber, dass er unten in Chile selbst ein Haus geplant und gebaut hat „wie ein Architekt“. Auch die passende Wendeltreppe hat er geschmiedet.

    Aber irgendwann in dieser Zeit hat Franz Heinrich Wagner nicht mehr gekonnt. „Ich wollte mich umbringen“, sagt er. „Ich wollte auf dem Dach an die Starkstromleitung ran. Da kam die Stimme von Rudi, dem Schreinermeister: 'Komm runter!'“. Rudi hat Wagner gerettet. Rudi hat er gemocht. Der war gut zu ihm. Das war selten in der Colonia Dignidad.

    Franz Heinrich und Irmgard Wagner waren lange Jahre mit in dieser Gemeinschaft. Sie haben sich von der „Freien Volksmission“ losgesagt. Sie gehen nicht mehr hin. Auch, weil sie Hartmut Hopp und dessen Frau nicht mehr sehen wollten.

    Der Name von Hartmut Hopp kann genannt werden. Hopp, der wohl als eine der Führungsfiguren Paul Schäfers fungierte, steht auf der Liste des Krefelder Oberstaatsanwalts Axel Stahl. Das Oberlandesgericht Düsseldorf muss darüber befinden, ob er in Deutschland die fünfjährige Haftstrafe absitzen wird, zu der er in Chile wegen Beihilfe zum sexuellen Kindesmissbrauch in 27 Fällen verurteilt wurde. Stahl sucht zudem nach Beweisen, dass Hopp an der Tötung von drei chilenischen Gewerkschaftern beteiligt war. Mord verjährt nicht. Der Anwalt von Hopp wollte sich zu Fragen von CORRECTIV nicht äußern.

    In einem seiner wenigen Interviews hat Hopp gegenüber der „Westdeutschen Zeitung“ auf die Frage nach seiner persönlichen Verantwortung gesagt: „Ich werde zu allen Vorwürfen detailliert Stellung beziehen. Aber soviel möchte ich schon sagen: Ja, rückblickend muss ich sagen, dass ich mich mitschuldig gemacht habe, nicht jedoch in tatsächlicher und somit juristischer Hinsicht…“


    Hoffnung auf späte Entschädigung

    Der Menschenrechts-Experte der Union im Bundestag, Michael Brandt, kennt Fälle wie die der Wagners in Krefeld. Er macht sich dafür stark, dass es nach rund 60 Jahren doch noch Hoffnung auf Hilfe und Entschädigung für die überlebenden Opfer gibt. Brandt sagte CORRECTIV: „Das Thema darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden. Deutschland trägt eine moralische Mitverantwortung.“ Bis zum 30. Juni müsse die Bundesregierung ein Konzept für Hilfeleistungen vorlegen und auch dessen Finanzierung durch Bundesmittel prüfen. „Wer jetzt nicht schnell und unbürokratisch hilft, der macht sich ein zweites Mal schuldig und wird auf Widerstand im Parlament stoßen, über Parteigrenzen hinweg.“

    Brandt verlangt den Zugriff auf die Vermögen, die bei Leuten wie Hartmut Hopp vermutet werden. „Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit“, sagt Brandt, „dass eine 70-jährige Frau, die in der Colonia Dignidad als Opfer war, ihr Leben lang Zwangsarbeit leisten musste, heute eine Rente von 112 Euro bekommt, während Täter wie der frühere Arzt Hopp in Deutschland leben und vermutlich Finanzquellen aus dem damaligen Unrecht haben.“

    Hopp war von Anfang an dabei. Schon in Heide. Franz Heinrich Wagners Erzählung kommen immer wieder auf diese Anfänge zurück. Als er in die Fänge Schäfers geriet. Als er seine Kindheit verlor.

    Was ist damals passiert?


    Schweinereien im Kalten Krieg

    Der Kalte Krieg trieb Ende der 1950er Jahre einem ersten Höhepunkt zu. Es gab das sowjetische Berlin-Ultimatum. Ost und West rüsteten atomar auf. In Deutschland entstanden Bundeswehr und Nationale Volksarmee. Wagners Mutter war alleinerziehend und arbeitete in den Niederlanden. „Großmutter sowie Tanten und Onkel in Gronau kümmerten sich um mich. Sie kamen aus Schlesien. Sie suchten nach 1945 eine Glaubensgemeinschaft, und ich sollte anständig lernen. Schäfer, dieser Laienprediger, kam mit Gottesdiensten und Singen. Seine Predigten bereiteten auf den angeblich bevorstehenden neuen Krieg vor. Sie hatten gerade einen Krieg hinter sich, und er war ein großer Angstmacher. So sind sie auf einen Kinderschänder hereingefallen“.

    Die Verwandten gaben Wagner in die Obhut Schäfers. 1957 hat Paul Schäfer den kleinen Franz Heinrich, der ihm von den Verwandten anvertraut war, mitgenommen. „Schäfer hat mich in Gronau in seinen Mercedes gestopft. Drei Stunden sind wir nach Heide gefahren“. Der Verschleppung folgte die Isolation. „Einmal im Heim“, sagt er, „ist der Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. In Heide wurden wir ständig bewacht. Mir wurde verboten, mit meiner Oma und der Mutter zu reden. Ich bin auch ohne Einverständnis meiner Mutter als 12-Jähriger adoptiert worden. Paul Schäfer gab sich als Erzieher für Schwersterziehbare aus“.

    Paul Schäfer wollte Franz Heinrich Wagner persönlich adoptieren, „er wollte seine Schweinereien an mir vollbringen“, sagt Wagner. Der Adoptionsversuch in Deutschland scheiterte, weil Schäfer nicht verheiratet war. Dann sprang Schäfers Heimleiter Hermann Schmidt ein. „So wurde ich ohne Einverständnis der Eltern von Schmidt adoptiert. Wieder haben ehemalige Nationalsozialisten in den Behörden dabei geholfen“.

    Wie geht es Irmgard und Franz Heinrich Wagner heute in Deutschland?


    Unrecht, das nie vergeht

    Nach 13 Jahren im Deutschland des neuen Jahrtausends fühlen sie sich noch immer fremd und bedroht. Dabei war schon der Anfang 2005 schwer. Es war nicht nur eine andere Welt, in die sie kamen. Es war ja ein anderes Leben in der Freiheit. In der Colonia war alles reglementiert gewesen. Jede Sexualität tabu. Nur der Sektenführer hatte sich seine Vergewaltigungen herausgenommen. Die tägliche Nahrung wurde zugeteilt. Geld wurde ihnen weggenommen. „Ich musste in Deutschland wie ein Kind anfangen“, sagt Wagner.

    Bisher tun deutsche Behörden vielfach so, als ginge sie die Vergangenheit der geschädigten Menschen nichts an. Der Staat zahlte ihnen keine Rente, weil ihre Peiniger nie in die Rentenkasse eingezahlt hatten. Nur Sozialhilfe, und auch die nicht immer, weil das Amt Formfehler gemacht hatte. Seit wenigen Jahren überweist der Landschaftsverband Franz Heinrich Wagner eine monatliche Entschädigung. Seine Frau, die eigene Ansprüche geltend macht, muss immer noch darum kämpfen. Beantragt im Jahr 2011, ist bisher kein Geld an sie geflossen. Irmgard Wagner wird „von Gutachter zu Gutachter geschickt“, erzählt ihr Mann. Dabei ist Irmgard Wagner schwer krank.

    Sie haben auch Ärger mit Nachbarn – derzeit dreht der sich um Wagners Auto – und mit Ärzten und Kliniken. Sie beschweren sich über das fehlende Interesse der Behörden an ihren Sorgen und Nöten. Selbst die Polizei helfe nicht. Es bedrückt sie, dass die Täter aus Chile auch hier in ihrer Krefelder Umgebung wohnen, ohne dass diese strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurden.

    Vielleicht wird das Ehepaar noch einmal umziehen. „Hier kriegt man kein Recht”, sagt Franz Heinrich Wagner zum Abschied. „Wagner“ steht in Krefeld-Hüls an der Haustür-Klingel. Das ist wie ein letztes Aufbäumen gegen die Zwänge der Vergangenheit. In den Urkunden der Ämter des Landes Nordrhein-Westfalen ist Franz Heinrichs Hausname immer noch: „Schmidt“. Wie der Name seines Adoptivvaters aus dem Erziehungsheim in Heide, der für das Leid der vergangenen Jahrzehnte steht. Manches Unrecht vergeht nicht. Und so werden die Wagners wohl immer von den Dingen erzählen, die in Heide und später in Chile passiert sind. Wer solle das sonst machen, fragt Irmgard: „Sollen es die Steine tun?“

    –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––


    Steal our Stories
    Bitte bedienen Sie sich. Unsere Geschichten kann jeder auf seine Seite stellen.
    Wie das geht, steht hier [ Siehe @ https://correctiv.org/blog/ruhr/stories-verbreiten/ ]

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 31.05.18, 00:10  Betreff:  Enslavement = VERSKLAVUNG | Forced Labour = ZWANGSARBEIT  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Es gibt meines Erachtens kaum Unterschiede zwischen diesen hier aufgelisteten religiösen Institutionen des Christlichen Abendlandes und deren damaligenErziehungseinrichtungenund der deutschstämmigenErziehungseinrichtungColonia-Dignidad = „Kolonie der Würde“, in Südamerika, in Chile :

Mehr spezifisch, bezüglich: Enslavement = VERSKLAVUNG | Forced Labour = ZWANGSARBEIT | Abuse = ABUSUS | Rape = VERGEWALTIGUNG | Use and Abuse of Psychopharmaceuticals = ANWENDUNG UND MISSBRAUCH VON PSYCHOPHARMAKA

Katholische Heime und Anstalten für Kinder und Jugendliche in Westdeutschland.

Evangelische Heime und Anstalten für Kinder und Jugendliche in Westdeutschland.

Freikirchliche Heime und Anstalten für Kinder und Jugendliche in Westdeutschland.

Identische kirchliche Heime und Anstalten für Kinder und Jugendliche in der 2. Republik Österreich (einfach hier nur mal solche nach dem Zweiten Weltkrieg in Betracht ziehend).

Identische kirchliche Heime und Anstalten für Kinder und Jugendliche in der Schweiz (einfach hier nur mal solche nach dem Zweiten Weltkrieg in Betracht ziehend).

Christliche Sekte und totalitäre religiöse Gemeinschaft Colonia Dignidad in Chile (die ihren Ursprung in den späten 1940er / frühen 1950er Jahren in Westdeutschland hatte). Siehe WIKIPEDIA @ de.wikipedia.org/wiki/Paul_Sch%C3%A4fer_(Colonia_Dignidad)

Siehe, ebenso, den unmittelbar vorhergehenden Beitrag vom Mittwoch, 30. Mai 2018, um 03:58 Uhr, hier in diesem Thread, ein Beitrag, der sich spezifisch mit demchristlichen Arbeitslager“ / „Folterlager"Colonia Dignidad" / „Kolonie der Würdedes deutschen Auswanderers Paul Schäferin Chilebefasst @ www.carookee.de/forum/Staatsterror/6/21190935-0-30115?p=71 (der neunte Beitrag auf dieser Seite)
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 02.06.18, 03:06  Betreff:  Wo in der Welt wurden Heimkinder entschädigt? - Umfang?  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Hingegen dem, was die Katholischen Kirche in Deutschland (und übrigens auch hingegen dem was die Evangelischen Kirche in Deutschland) bereit ist und war an ihre Opfer an Entschädigung zu zahlen, …

Katholisch.de (30.05.2018) > "Australiens Kirche unterstützt Missbrauchsentschädigung"; siehe @ www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/australiens-kirche-unterstutzt-missbrauchsentschadigung (Diese Bekanntgebung seitens der Katholischen Kirche in Deutschland bezieht sich auf die Katholische Kirche in Australien).

    Zitat:
    .
    Australiens Kirche unterstützt Missbrauchsentschädigung

    Australien plant ein nationales Entschädigungsprogramm für rund 60.000 Missbrauchsopfer. Auch die katholische Kirche beteiligt sich. Dabei geht es um rund 2,9 Milliarden Euro.

    Missbrauch | Sydney - 30.05.2018

    Australiens katholische Kirche hat ihren Willen zur Entschädigung von Missbrauchsopfern bekundet. "Wir unterstützen die Empfehlung der Missbrauchskommission zur Einrichtung eines nationalen Entschädigungsprogramms, das von der Regierung verwaltet wird, und wir sind sehr bereit, dabei mitzumachen", erklärte der Vorsitzende der [australischen] Bischofskonferenz, Erzbischof Mark Coleridge, am Mittwoch [30.05.2018]. Die Vorsitzende des Verbands der Orden, Schwester Ruth Durick, betonte: "Wir sind uns darüber im klaren, dass die Entschädigungen nicht die Schmerzen der Opfer lindern, aber sie können eine praktische Hilfe auf dem Weg hin zur Genesung vom Missbrauch sein."

    Die Kirche werde dem nationalen Entschädigungsprogramm beitreten, sobald
    die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen seien, sagte Coleridge. Angesichts der dezentralen Struktur der katholischen Kirche werde ein Gremium geschaffen, durch das die Bistümer und Orden mit der Entschädigungsbehörde zusammenarbeiten könnten.

    Etwa 2,9 Milliarden Euro werden benötigt

    Die Einrichtung eines nationalen Entschädigungsfonds ist eine der Kernempfehlungen der nationalen Missbrauchskommission,
    die im Dezember 2017 nach fast fünfjähriger Arbeit ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte [ Siehe @ www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/missbrauch-australiens-kirche-bittet-um-verzeihung ]. Schätzungen zufolge werden für Wiedergutmachungszahlungen an rund 60.000 Personen, die als Kind Opfer sexualisierter Gewalt wurden, umgerechnet etwa 2,9 Milliarden Euro benötigt.

    Die Zahlungen sollen von jenen Institutionen geleistet werden, von deren Mitarbeitern die Betroffenen missbraucht wurden. Erst wenn eine Institution nicht mehr existiert oder bankrott ist, soll die öffentliche Hand als Geldgeber einspringen. Unter den untersuchten Organisationen waren Kirchen, Waisenhäuser, Sportvereine, Jugendgruppen und Schulen.

    Unabhängig vom geplanten Entschädigungsprogramm hatte die katholische Kirche in Australien in den vergangenen Jahrzehnten umgerechnet
    bereits mehr als 190 Millionen Euro an Tausende Opfer von sexuellem Missbrauch durch Geistliche gezahlt [ Siehe @ www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/kirche-zahlt-millionen-an-missbrauchte-kinder ]. Im Durchschnitt bekam jedes Opfer 91.000 australische Dollar (etwa 66.000 Euro). (bod/KNA)

    .

NOCHMALIGER HINWEIS AUF DIE QUELLE: www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/australiens-kirche-unterstutzt-missbrauchsentschadigung

Katholisch.de ist das Internetportal der Katholischen Kirche in Deutschland und ein Aufgabenbereich der Allgemeinen gemeinnützigen Programmgesellschaft mbH (APG) mit Sitz in Bonn, gemäß der satzungsmäßigen Bestimmung [ Siehe @ www.katholisch.de/impressum ].
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 03.06.18, 03:48  Betreff:  Wo in der Welt wurden Heimkinder entschädigt? - Umfang?  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Hauptsächlich überaus zutreffend im deutschsprachigen Raum Europas --- und vor allem in Deutschland! :

    Zitat:
    .
    Das soziale Engagement der Kirchen
    … ist vergleichbar mit einem Dieb,
    der dir hundert Euro klaut,
    davon zwei Euro zurück gibt,
    und sagt:
    „Die schenk ich dir.“

    Und du freust dich noch darüber!

    Rolf Heinrich [Karikaturist der MIZ und anderer säkularer Schriften; Malerei, bildende Kunst und Karikatur (Giordano Bruno Stiftung)]
    26. Mai 2018, um 14:21 Uhr
    .

Geteilt auf der Facebookseite des Vereins ehemaliger Heimkinder e.V. (VEH e.V.) @ www.facebook.com/pg/VEHeV/posts/?ref=page_internal
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