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Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...

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wksamoa
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Ort: Apia Samoa


New PostErstellt: 07.10.06, 00:21  Betreff: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

In den Yahoo-Nachrichten fand ich folgende Meldung:

"Der Göttinger Islamforscher Bassam Tibi will in die Vereinigten Staaten auswandern, weil er sich nach eigener Aussage auch nach Jahrzehnten in der Bundesrepublik nicht zu Hause fühlt. «Auf Dauer fühle ich mich fremd in diesem Land und werde entsprechend behandelt», schrieb der gebürtige Syrer in einem vorab veröffentlichten Gastbeitrag des «Tagesspiegel» (Samstagausgabe). «Ich wandere aus, weil ich dieses Fremdsein nach 44 Jahren nicht mehr ertrage.» Tibi will an die amerikanische Cornell-Universität wechseln.
Mit seinem Gefühl stehe er nicht allein, erklärte der 62-Jährige: «Die Mehrheit der hier lebenden 'Ausländer' ist als fremd einzuordnen; selbst ethnisch Deutsche aus Zentralasien, die auf der Basis ihres angeblich deutschen Blutes hineingelassen wurden, entdecken hier ihr Russischsein und fühlen sich genauso wie ich», schrieb er. «Warum? Weil uns dieses Land keine Identität gibt.»

Wenn die Deutschen nach Auschwitz keine Identität hätten, wie könnten sie dann Fremden eine geben, fragte der Wissenschaftler. Er glaube, Deutschland mehr zu lieben, als viele Deutsche es je getan hätten. «Aber ich habe es satt, ein 'Syrer mit deutschem Pass' zu sein, der seinem miesepetrigen Gastvolk dafür danken soll, dass ihm die Erfüllung des 'deutschen Bürgertraums' gewährt wurde.» Es sei das Zugehörigkeitsgefühl, das den Fremden und vielen deutschen Weltbürgern in diesem Land fehle. ...


Ob es nur an Auschwitz liegt, mag dahingestellt sein, aber die Diskussion will ich auch gar nicht führen. Aber den letzten Satz: "Es sei das Zugehörigkeitsgefühl, das den Fremden und vielen deutschen Weltbürgern in diesem Land fehle." kann ich voll unterschreiben. Dass die WM-Euphorie da gereicht hat, Besserung zu schaffen, bezweifle ich.

Man möchte sich ja gern als Deutscher fühlen, wenn man nur wüsste, was das ist und wie das geht -

Werner

P.S.: Ich kenne Bassam Tibi aus meiner Studienzeit in Göttingen. Er ist Vordenker und Vorkämpfer eines modernen und "aufgeklärten' Islam, also in keiner Weise ein Unterstützer der aktuellen Hasskampagnen. Immer um Integration bemüht - aber Integration in was?



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New PostErstellt: 07.10.06, 08:31  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Wenn Tibi sagt, daß er das Fremdsein nicht mehr ertrage, dann mag das ja für ihn so stimmen. Und es mag auch sein, daß er sich in den USA besser integriert fühlen kann. Aber in was? In den USA sind ja letztlich (fast) alle Einwanderer - dass er sich da weniger anders fühlen wird, ist insofern eigentlich zu erwarten. Aber das ist doch D nicht anzulasten.

Ich glaube nicht, dass es in anderen Ländern, die keine solche Einwanderungshistorie haben, viel anders sein wird. Ich glaube nicht, dass man sich z. B. in Japan, China oder der Schweiz, Spanien usw. leichter "Nicht-fremd" fühlen wird, wenn man aus einem anderen Kulturkreis kommt.

Die eigene Identität hängt eben von der eigenen Sozialisation ab, und nicht davon, wo man lebt. Wenn ich unter lauter Leuten lebe, die eine völlig andere Sozialisation hatten, fühle ich mich eben andersartig. Ist das nicht normal - schließlich bin ich es ja auch? Das kann ja sogar innerhalb eines Landes schon so sein. Ich glaube nicht, daß das ein spezifisch deutsches Thema, oder daß es gar Folge von Auschwitz ist.

Ich selbst habe eigentlich kein Problem damit, mich in der Fremde als Deutscher zu empfinden. Und ich glaube auch, daß es gewisse Eigenarten gibt, die man im Durchschnitt bei Deutschen häufiger antrifft, als z. B. bei Arabern, Amerikanern, Asiaten oder sonstwem. Manche davon gefallen mir übrigens ganz gut. Das heisst nicht, daß ich stolz darauf bin, Deutscher zu sein (ist ja keine eigene Leistung) - zufrieden damit und froh darüber aber schon. Ich empfinde auch durchaus so etwas wie ein Zugehörigkeitsgefühl zur deutschen "Community" - ob das rational ist oder nicht sei mal dahingestellt. Daß jemand aus einem anderen Kulturkreis und mit anderem Hintergrund das anders empfindet- ist das wirklich so überraschend oder beklagenswert?

"Integration in was?" Vielleicht in eine Gesellchaft, die ein bestimmtes Wertesystem zur Grundlage hat (Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, soziale Grundrechte, Ablehnung von geschlechtsspezifischer oder sonstiger Diskriminierung, Religionsfreiheit, Trennung von Kirche und Staat, soziale Verpflichtung des Staates, Toleranz usw.....). Ich sehe nicht, daß Deutschland sich wegen dieses Wertesystems (ungeachtet mancher möglicher Schwächen in der Umsetzung) verstecken müsste.


[editiert: 08.10.06, 06:39 von 36510]
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Walter_

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New PostErstellt: 07.10.06, 22:59  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo,

ich sehe das ein bisschen wie mein Vorschreiber. Zwanzig Jahre Auslandsleben und Hunderte von Gesprächen mit Ausgewanderten haben für mich ein Bild gezeichnet, dass ich allerdings nicht mit einem Satz erklären könnte. Würde ich das versuchen, würde sich das wie oben (Bassam Tibi Aussage) auf ein bröckeliges Fundament reduzieren, das so auch bei ihm nicht stimmen kann.

Zunächst einmal geht es um zwei Kriterien. Um mich selbst und um das Land in welches ich einwandere. Beide werden vermutlich bei einem Scheitern die Ursachen beim anderen suchen. Das heißt, ich mache das Land dafür verantwortlich, wenn ich mich dort nicht zu Hause fühle. Und das Land wird vermutlich die Ursachen dafür beim Eingewanderten sehen. Ob ein Salat am Ende schmeckt liegt aber nicht an den Kräutern, die man da reinbröselt und nicht am Salatkopf selbst, sondern an der Mischung von beidem.

Wer z.B. - alle Unterschiede in Religion, Kultur, Arbeitsleben, Geschichte, Alltag und Mentalität ingebgriffen - nicht bereit ist, die Mentalität des Landes, in das ich mich neu verwurzeln möchte, anzunehmen, der wird bei allem Bemühen dennoch immer irgendwie ein Gast in diesem Land sein. Und ich denke, dass es nun darauf ankommt, ob man mit dieser Rolle zurecht kommt. Ich zum Beispiel kann mich nicht 100% integrieren in Paraguay. Und ich will es auch nicht. Ich sehe aber auch die Vorteile dieses neuen Lebens im selbst erwählten 'Gastland' und akzeptiere die Abstriche, die ich machen muss, weil ich eben nie ein Paraguayer sein werde und die Paraguay in mir auch immer den Deutschen sehen.

Das ist bei meiner Tochter (hier geboren, aber deutsche Eltern) vollkommen anders. Sie wurde von Anfang an zum Teil dieses Landes, trotz zahlreicher deutscher Wesenszüge. Gut für sie - Pech für mich. Oder auch nicht. Ich will damit einfach sagen, dass Bassam Tibi sich vermutlich nur als 'Fast-Deutscher' in Deutschland zu Hause fühlen könnte. Gemeinderatsmitglied, Schulsprecher, Gesangsverein, Freitagabend-Stammtisch, Parolen kloppen und bei der WM deutsche Fahnen schwingend. Wenn er sich in diesem Umfeld wohlfühlen würde, würde er nicht in die Staaten auswandern.

Ich kann es ihm nachempfinden, denn dies ist auch nicht meine Welt - und ich bin Deutscher. Aber er sollte sich schon heute mit dem Gedanken anfreunden, dass er auch die US-Mentalität lieben, schäztzen und annehmen muss, will er sich dort jemals zu Hause fühlen. Oder er macht es wie viele von uns: wir wählen uns ein Land aus, wandern nach guter Vorbereitung dort ein, gucken dass wir dort gut leben können und kommen seelisch damit zurecht, dass wir uns auch nach zwanzig Jahren noch wie ein Gast im Land fühlen.

Das wäre der eine Punkt. Da kämen noch eine Menge dazu, doch das möchte ich den Lesern hier ersparen. Vielleicht noch ergänzend eines zu meinen eben ausgeführten Gedanken: Es stellt auch ganz sicherlich einen Unterschied dar, ob man in ein Land übersiedelt, in welchem man - schon wegen seiner ursprünglichen Herkunft und Lebensart - als eine Art von Übermensch betrachtet wird oder als eingewanderte Schmeißfliege. Ich will damit sagen, dass es für bestimmte Ausländer nie leicht sein wird, in Deutschland gleichgestellt oder gar erhöht aufgenommen zu werden, weil die meisten Deutschen in sich selbst bereits das höchste Gut menschlichen Lebens sehen. Sie akzeptieren gerade mal einige Nachbarländer, vor allem (warum auch immer) Leute aus dem Norden als "gute Einwanderer". Beim Süd- und Ostgefälle wird es da schon schwieriger. Das sollten irgendwelche Behörden und Einwanderungshelfer den Zuwanderern vor dem Einwandern deutlich sagen. Es ist auch kein Zuckerschlecken für Farbige, in Deutschland einzuwandern. Aber diese müssen mit den Deutschen zurechtkommen und sie können nicht erwarten, dass sich die Einstellung von 90 Millionen Deutschen ändern wird.

Dass Einwanderer und das Aufnahmeland eigentlich aufeinander zugehen müssten, ist unbestritten. Leider lässt sich in der Praxis oft nie realisieren, was sich als Phrase so schön anhört. Am Beispiel der Früheinwanderer (Italiener, Jugoslawen) sieht man, dass Toleranz und Akzeptanz ein langer, langer Prozess ist. Deren Kinder haben dann aber, wie meine Tochter, überhaupt keine Probleme mehr. Wenn wir also mit dem Gedanken leben könnten, dass wir, die Auswanderer, zwar den ersten Schritt getan haben, aber erst unsere Kinder dacvon profitieren werden, dann könnten wir damit an sich gut zurechtkommen – auch Bassam Tibi...

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wksamoa
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Ort: Apia Samoa


New PostErstellt: 08.10.06, 21:06  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Spannende Antworten, wirklich.

So mal als erster Gedanke dazu: nach zehn Jahren im Ausland merke ich erheblich deutlicher mein "Deutschtum" als ich es je in Deutschland gemerkt habe. Ist auch irgendwie logisch, denke ich. Und mein Sohn, der hier in Samoa aufgewachsen ist, und jetzt seit einigen Monaten in Deutschland ist, schreibt mir, dass er es irgendwie lustig findet, dass die Leute dort irgendwie so sind 'wie Du' (also ich, sein Vater). Er bezieht es allerdings pointierter auf Bremen, meine Heimatstadt. Selbst sieht er sich als Samoaner (ähnlich wohl wie Deine Tochter, Walter).

Es gibt sie also offenbar, die deutschen Besonderheiten (oder die der Bremer?-:)). Ich hänge zwei weitere Links an:

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,441433,00.html

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,441413,00.html

weil es offenbar doch auch ein aktuelles Thema in Deutschland ist, vielleicht wegen der WM.

"Woran es mangelt, ist die Wärme, mit der wir uns zu unseren Werten bekennen." steht dort im zweiten Beitrag, und das Wort "Enthusiasmus". Vielleicht ist es etwas in dieser Richtung, was Bassam Tibi vermisst. Ich treffe hier in Samoa Leute aus vielen Ländern, und die meisten sind doch irgendwie mit "Enthusiasmus" Australier, Neuseeländer, Amerikaner, selbst Schweizer und Österreicher.

Von den Samoanern mal gar nicht zu reden. Die sind in ihrem eigenen Land, wo 95% der Leute Samoaner sind - aber alle wissen genau, was das ist, Samoaner zu sein. Und sie genießen es, anders kann man es nicht beschreiben. Deshalb fällt es gerade mir als Deutschem ja so auf - wer ist in Deutschland mit Genuss Deutscher? Und Genuss woran?

Ich selbst werde nie Samoaner, völlig klar, Walter. Aber es macht schon Spaß, sich allmählich immer mehr dem Lebensgefühl der Samoaner anzunähern und das auch gerne. Und im Gegenzug das auch freudig sympathisch akzeptiert zu sehen. Integriert zu werden eben. Als Fremder, aber eben gerne aufgenommen, so weit und so sehr ich selbst auch bereit bin, mich selbst zu integrieren.

Das ist leichter in typischen Einwanderungsländern, keine Frage. Und es wäre für Bassam Tibi sicher auch leichter, wenn er Schwede wäre - und das nicht wegen der Ähnlichkeit der Kulturen, wohlgemerkt, sondern wegen der größeren Akzeptanz gegenüber Schweden in Deutschland. Da stimme ich Dir voll zu, Walter.

Denn Bassam Tibi stammt aus einer Familie, in der mit ziemlicher Sicherheit (mindestens auch) Französisch gesprochen wurde und seine Vertrautheit mit der europäischen Kultur dürfte erheblich gewesen sein, schon bevor er nach Europa kam. Man hat das aber wohl kaum dort so wahrgenommen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Bassam_Tibi

Immerhin stammt der Begriff "Leitkultur" wohl auch von ihm - Ja, wirklich!!

Das Bekenntnis zu den Grundrechten gehört dazu, keine Frage. Aber das sind Werte der gesamten europäischen Kulturgemeinschaft, ganz sicher keine speziell deutsche Eigenart. Was also ist unsere Identität als Deutsche, zu der wir uns gerne und "enthusiatisch" bekennen mögen?



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antje_fi
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New PostErstellt: 09.10.06, 19:42  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Tja - wenn Tibi in die USA auswandert, wird er wohl zu einem Syrer oder auch einem Deutschen mit einem amerikanischen Pass werden - je nachdem welche Eigenschaften an ihm die Amerikaner am meisten an welches Land erinnern...



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wksamoa
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Ort: Apia Samoa


New PostErstellt: 09.10.06, 21:12  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: antje_fi
    Tja - wenn Tibi in die USA auswandert, wird er wohl zu einem Syrer oder auch einem Deutschen mit einem amerikanischen Pass werden - je nachdem welche Eigenschaften an ihm die Amerikaner am meisten an welches Land erinnern...

Glaub ich nicht. Amerikaner sehen das nicht so, nach meinen Erfahrungen. Er spricht excellentes (amerikanisches) Englisch und das reicht denen schonmal. Wenn er dann am 4.Juli noch eine Flagge aufzieht, ist er schon wahrnehmungsmäßig eingebürgert .
Amerikaner haben logischerweise nicht ein so festes Bild, wie ein Amerikaner aussieht. Das macht viel aus.

Bassam ist seit 44 Jahren in Deutschland, spricht besser Deutsch als ich, hat Begriffe erfunden, die jetzt im Duden stehen und auch fleißig hier im Forum genutzt werden (z.B. "Parallelgesellschaft", "Leitkultur"), hat das Bundesverdienstkreuz, sitzt in der Wertekommission der CDU/CSU und wird beim Einkaufen als "Sch... Ausländer" angemacht.

Das passiert ihm in den USA garantiert nicht. Wie wäre es in Finnland?

Werner



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Walter_

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New PostErstellt: 10.10.06, 00:00  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo,

schön, mal so eine Diskussion führen zu können, ohne rechtes Geblöke. Denn diesen Schuh müssen (wir) Deutsche uns wohl anziehen (das bezieht sich auf Werners Satz mit dem Einkaufen im Supermarkt): selbst hochintelligente Ausländer (teilweise die Gesellschaft prägend) werden oft als eine Art von niederer Rasse eingestuft, nur weil man ihnen ansieht, dass sie Ausländer (in Deutschland) sind (Ausländer im Ausland tolerieren wir jedoch )

Traurige Sache. Seltsamer Weise beginnt die Akzeptanz immer erst dann, wenn die Zugewanderten deutlich im Mittelpunkt stehen (Show-Geschäft, z.B. Roberto Blanko oder die moderierenden Türken im Fernsehen. Fußball: egal, ob schwarz oder braun – sie werden als Helden gefeiert usw.). Es scheint also schon ein bisserl daran zu liegen, dass sich selbst die einfältigsten Deutschen solange als eine Art von Übermensch gegenüber (farbigen) Ausländern sehen, bis sie durch Érfahrung (Fernsehen, Sport, persönliches Gespräch) dann eines besseren belehrt werden. Da präsentieren sich andere Völker aber sehr, sehr viel toleranter und angenehmer. Schade, dass wir in dieser Hinsicht so sind, wie wir sind...

Und kein Wunder, wenn sich daher jeder Einzelne von uns im Ausland oder bei Ausländern in Deutschland darum bemühen muss, um anders (als durchaus angenehmer Zeitgenosse) angesehen zu werden. Wir lächeln auch viel zu wenig zurück. Im Ausland erkennt man die meisten Deutschen an ihrem verbiesterten Gesicht. Warum eigentlich? Ich denke, daran könnte jeder an sich etwas arbeiten. Der Gesinnungswandel kommt dann vielleicht peu á peu von selbst.

In den 80er Jahren gab es eine schöne Zigarettenwerbung in Deutschland. Diesen Leidsatz sollte sich jeder von uns hinter die Ohren schreiben:

"Lasst uns lernen, wie Freunde zu leben..."

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gZo
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New PostErstellt: 10.10.06, 08:44  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Ich kann mich leider nicht ausfuehrlich dazu auessern, da nicht so viel Zeit.....

Aber ich verstehe, was er damit sagen will.
Ich bin in Deutschland gebohren und richtig "Zuhause" hab ich mich dort nie gefuehlt!
Mein Vater ist Amerikaner, meine Mutter Deutsche.
Ich bin etwas dunkler, mein Vater ist Mischling, wenn man dass so aussdruecken darf. Ich tendiere mehr in die richtung Weiss. Bin ich aber nicht 100% Weiss und habe einen Auslaendischen touch, wie es die Deutschen beschreiben wuerden...
Und wenn mich Leute gefragt haben "Was bist Du?", habe ich meistens geantwortet "Deutsch".
Darauf folgte immer die Frage:"Wirklich?"
Ich spreche fliessend Deutsch, hab den Deutschen Pass, bin dort aufgewachsen, zur Schule gegangen, eine Ausbildung gemacht usw.
Integriert fuehlt man sich bei solchen Aussagen nicht.
Leute haben gelacht, wenn ich gesagt habe ich bin stolz Deutscher zu sein! Weil die meisten sich nicht trauen so etwas oeffentlich zu sagen, fanden die, diese Aussage belustigend..... Da sagt man sich, nicht meine Aussage ist Lustig, sondern die Ignoranz die einem entgegen kommt!
Hier in Japan bin ich Auslaender, aber wenn ich Deutscher sage, fragen nur die Europaer: "Wirklich?"
Fuer die Japaner bin ich Deutscher. Man koennte sagen ich fuehle mich im Ausland mehr als Deutscher, als ich mich jemals in Deutschland gefuehlt habe.

Cheers

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siggi_siggi_siggi
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New PostErstellt: 10.10.06, 09:04  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo,

warum lebe ich im Ausland? Da gibt es sicher mehrere Gründe, aber der Auslöser war eindeutig meine Frau. Es ging bei uns nicht so sehr um die Reaktion im Supermarkt (man erkennt bei ihr aufgrund des Aussehens nicht, dass sie Ausländerin ist). Aber als sie erst kurze Zeit in D war, lief jedes Gespräch ungefähr gleich ab: Wann lernst Du Deutsch, wann machst Du einen Führerschein, was willst Du beruflich tun? Darin äußert sich eine tief verwurzelte Vorstellung: Jeder Ausländer hat sich der deutschen Lebensweise anzupassen. Das hat aus deutscher Sicht Priorität Nr. 1 zu sein. Akzeptanz gibt es nur dann. Aufgrund dessen, dass sie aus einem "armen" Land kommt, waren wir immer dann mit weiteren Klischees konfrontiert: "Sie liebt ihn ja nicht, sie kommt hier ja nur aus ökonmischen Gründen"; "Erst nichts haben und dann hier die feine Dame spielen", etc. Dies wurde natürlich nicht offen ausgesprochen, aber trotzdem stand es merkbar im Raum. Durch die deutschen Spätaussielder hat die Gruppe der Osteuropäer natürlich auch einen denkbar schlechten Ruf in D. Das merkt man überall, sobald man nach der Herkunft gefragt wird. Alles was Deutsch ist, kann per Definition kulturell von keinem osteuropäischen Land überboten werden. Es waren keine offenen Feindselligkeiten, jeder sagte "Grüß Gott" - aber auch nicht mehr.

Gut, nach drei Jahren sind wir dann aus Deutschland weggezogen. Jetzt bin ich der "Alien", aber: Keiner fragte mich, wann ich die Sprache lerne oder ähnliches. Ich lebe hier. Das ist ok. Kein Zwang der Anpassung an eine andere Lebensweise. Freiheit. Akzeptanz ohne Vorbedingungen. Die Engstirnigkeit und Arroganz der deutschen Gesellschaft ist mir aber jetzt bewußt geworden.

Gruß
Siggi


[editiert: 10.10.06, 11:41 von siggi_siggi_siggi]
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Peter_KL
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New PostErstellt: 10.10.06, 11:19  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: siggi_siggi_siggi
    Keiner fragte mich, wann ich die Sprache lerne oder ähnliches. Ich lebe hier. Das ist ok. Kein Zwang der Anpassung an eine andere Lebensweise. Freiheit. Akzeptanz ohne Vorbedingungen. Die Einstirnigkeit und Arroganz der deutschen Gesellschaft ist mir aber jetzt bewußt geworden.
Kann ich voll und ganz unterschreiben.

Cheers!


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schoolar

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New PostErstellt: 10.10.06, 11:55  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: gZo
    ...Man koennte sagen ich fuehle mich im Ausland mehr als Deutscher, als ich mich jemals in Deutschland gefuehlt habe...
DITO!

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antje_fi
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New PostErstellt: 10.10.06, 23:12  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: wksamoa
    Das passiert ihm in den USA garantiert nicht. Wie wäre es in Finnland?
In Finnland wuerde es ihm garantiert passieren. Spricht er nicht perfekt ohne jeden Akzent Finnisch, fällt er auf. Ebenfalls, falls er eine etwas andere Hautfarbe und/oder schwarze Haare hat.
Finnland hat keine lange Einwanderungsgeschichte. Ausländer waren hier noch in den 70ern und 80ern ueberaus exotisch. Auch jetzt wird man oft noch "bestaunt" oder argwöhnisch betrachtet - je stärker man auffällt, desto mehr. In ländlichen Gegenden kann es einem auch passieren, dass die Leute noch Personen mit einer bestimmten Nationalität gesehen haben (gilt nur bedingt fuer uns Deutsche, mit uns haben sie ja schon während des 2. WK Bekanntschaft gemacht ).
Viele Ausländer hier beschweren sich ueber fehlende Chancengleichheit bei der Jobsuche (um nicht Jobdiskriminierung zu sagen) und Rassismus. Viele Ausländer nehmen jedoch auch an, hier nur mit Englisch klarzukommen und meinen, dass sie mit einem Jubelschrei empfangen werden. Da Finnland jedoch a) nicht England ist und b) die Arbeitsmarktsituation auch fuer Finnen schwierig ist (und sie nicht immer ueber zusätzliche Konkurrenten begeistert sind), kann diese Einstellung Probleme und Enttäuschungen mitsich bringen.
Zusätzlich unterscheidet sich die Finnische Mentalität ziemlich von denen vieler anderer Länder: Es dauert meist wesentlich länger, jemanden "richtig" kennenzulernen bzw. Freundschaften zu schliessen. Smalltalks mit Fremden gelten als ungewöhnlich. Das kann von einem, der mit der Mentalität nicht vertraut ist, als Ablehnung gedeutet werden.
Usw. usw.
Alles in allem ist Finnland ein schönes Land, aber kein einfaches bzw. typisches Einwanderungsland.

Viele Gruesse, Antje





[editiert: 10.10.06, 23:13 von antje_fi]
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schoolar

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New PostErstellt: 11.10.06, 09:47  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: antje_fi
    ...Alles in allem ist Finnland ein schönes Land, aber kein einfaches bzw. typisches Einwanderungsland...
Gut zu wissen - außerdem ist es dort ja auch viiieeel zu kalt - jedenfalls für jemanden, der es mehr mit der Sonne und dem Strand hat...!

Thomas

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antje_fi
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New PostErstellt: 11.10.06, 20:12  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: schoolar
    Gut zu wissen - außerdem ist es dort ja auch viiieeel zu kalt - jedenfalls für jemanden, der es mehr mit der Sonne und dem Strand hat...!
Ach, Sonne und Strand haben wir auch - im Sommer




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Walter_

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New PostErstellt: 11.10.06, 22:46  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo Antje

irgendwie beruhigend dies aus berufenem Munde zu hören. Ich dachte schon die Deutschen wären in ihrer Schrulligkeit Einwanderern gegenüber 'einzigartig'. Ich nehme an, dass es auch in Finnland einen Unterschied macht, ob man sich in einer größeren Stadt ansiedelt oder im 'finnischen Vilsbiburg'.

Walter

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antje_fi
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New PostErstellt: 12.10.06, 07:58  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo Walter,

ja - ob und wie leicht die Eingliederung in Finnland ist, hängt von vielem ab. In Helsinki ist man wohl mehr Ausländer gewöhnt als in einem winzigen, aus nur fuenf Häusern bestehenden Dorf mitten im Wald mit Null komma Nix im Umfeld von 50 km
Das hängt aber auch sehr von einem selbst ab und wie man auf die Leute zugeht. Lässt man ihnen Zeit, sich an einen zu gewöhnen (auch Finnen unter sich gehen das Schliessen von Bekanntschaften ruhig an), klappt es meist ganz gut. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es gut ankommt, wenn man zu sich und seinem eigenen Land steht und zusätzlich betont, dass man sich hier wohl fuehlt. Finnen (und vermutlich viele andere Völker) können das schlechte Deutsche Selbstbewusstsein nicht verstehen. Fuer viele ist Deutschland ein Land mit langen Traditionen, Geschichte, Kultur, Wohlstand, gut gepflegten Häusern und Landschaften sowie lustigen, wenn auch etwas eigenartigen Leuten in Lederhosen mit einem Bierhumpen in der Hand.





[editiert: 12.10.06, 08:00 von antje_fi]
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siggi_siggi_siggi
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New PostErstellt: 12.10.06, 19:54  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo Antje,

dies ist hier ganz anders. In der Stadt, ja da gibt es auch Anonymität. Schon in einer Kleinstadt (mit ca. 50T Einwohnern) dominieren die 5 bis 9 stöckigen Häuser und jeder kennt nicht mehr jeden. Aber auf dem Dorf, wo die kleinen Einfamilienhäuser dominieren, da bist Du keine 2 Minuten (man fällt ja schon durch das "coole" Auto als "reicher Städter" auf), dann kommen die Großmütter hergelaufen und innerhalb von 5 Minuten wird man gebeten doch zum Essen oder auf ein Glas Samagon (selbstgebrannter Schnaps) hereinzukommen. Da wird man sofort bis "aufs Hemd" ausgefragt, da bleibt kein Geheimnis verborgen!

Das Leben auf dem Dorf ist hier materiell sehr hart, aber hat auch viel Beschaulichkeit. Vor jedem Haus steht eine Bank (aber ausserhalb des Zaunes, direkt an der Straße). Dort sitzt man abends und kommuniziert. Es gibt viele Pferdefuhrwerke, frei laufendes Federvieh, den Beruf des Kuhhirten, etc.

Gruß
Siggi

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antje_fi
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New PostErstellt: 13.10.06, 07:50  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Moin Siggi,

ja, das mit der Neugierigkeit ist mir auch auf der Kola-Halbinsel aufgefallen. Ich empfand es als sehr angenehm und die Leute sehr freundlich. Leider verstehe ich kein Russisch (obwohl mal einen Anlauf im Anfängerkurs gemacht) und war auf Uebersetzungen anderer angewiesen. Ich habe aber schon seit längerer Zeit im Hinterkopf, mal einen neuen Anlauf mit Russisch zu machen, mich weiter zu informieren und dann mir das Land etwas anzusehen.

In Finnland ist die Mentalität anders, das macht den Unterschied. Man geht gewöhnlich nicht auf fremde Leute zu. Ausnahmen machen vielleicht mal alte, einsame Leute, Leute, die mal im Ausland gelebt haben und seitdem gewisse Dinge in ihrem Heimatland vermissen und Betrunkende. Kommt dann noch Argwohn dazu (wenn noch nie Kontakt zu einem Ausländer gehabt), muss man viel Geduld aufbringen. Es gilt hier auch als unhöflich, zu viele Fragen zu stellen und den anderen dadurch in Bedrängnis zu bringen.

Beispiel: Als ich meinen finnischen Lebenspartner kennengelernt hatte, stellte er mich auch seinen Freunden vor. Die schuettelten meine Hand, sagten jedoch absolut nichts zu mir. Keine Fragen, keine Höflichkeitsfloskeln, keine Bemuehung, mich am Gespräch zu beteiligen, sehr kurze Antworten auf meine Fragen. Ich fuehlte mich absolut geschnitten und abgelehnt. Als ich später meinem Freund mein Leid klagte, meinte er: "Aber sie kennen dich doch noch gar nicht. Was sollen sie dich dann fragen, wie sich mir dir unterhalten?"

Als mein Freund dann in Deutschland meine Freunde kennenlernte, hiessen sie ihn willkommen, fragten, ob er sich in Deutschland wohlfuehlte, was so die ersten Eindruecke wären, wie so sein Leben in Finnland war, nach Unterschieden, seinen Hobbies, ...
Während unserer Unterhaltung stellten sie auch immer mal wieder Fragen, um ihm zu helfen, sich am Gespräch zu beteiligen und nicht aussenvor zu sein. Im Nachhinein meinte er zu mir, dass meine Freunde ja sehr nett wären, jedoch auch unheimlich neugierig und etwas anstrengend. Er hätte am Anfang lieber einfach unserem Gespräch zugehört ohne sich daran zu beteiligen. Das hätte ihm Zeit gegeben, meine Freunde kennenzulernen.



[editiert: 13.10.06, 07:50 von antje_fi]
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Anna_kl
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New PostErstellt: 15.10.06, 17:50  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo Antje,

ich war vor vielen, vielen Jahren einmal in Finnland in Urlaub, und es war großartig. Wundervolle Landschaft, Einsamkeit, stundenlang, manchmal tagelang kein Mensch, einmal lief ein Elch direkt vor uns über die Straße. Da wußte ich endlich einmal, wie groß die sind.

Wir waren mit einer finnischen Bekannten dort, sonst wäre es wohl nicht gegangen, denn die Sprache ... das braucht doch etwas länger, bis man die versteht und spricht, da reichen ein paar Wochen natürlich nicht aus. Ohne diese Bekannte wäre ich auch niemals nach Finnland gefahren, da hätte ich mich doch sehr verloren gefühlt. Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch - in all diesen Sprachen kann ich mich verständigen, aber von Finnisch habe ich auch nach 3 Wochen noch kein Wort verstanden, obwohl ich eigentlich recht sprachbegabt bin.

Das größte Erlebnis war, daß wir durch diese Bekannte für eine Woche ein kleines Haus mit Sauna an einem einsamen See in Mittelfinnland nutzen konnten, das einer Schulfreundin von ihr gehörte. Wir wurden gewarnt, nicht auf die andere Seite des Sees zu rudern, weil da Bären wären. Es gab keine Straße zu diesem Haus, wir mußten jeweils eine halbe Stunde rudern, um hinzukommen, das Erlebnis der Einsamkeit und Stille war grandios. Direkt aus der Sauna sprangen wir in den See, um uns abzukühlen, es war weit und breit niemand da außer uns, es gab keine Häuser in der Nähe, gar nichts. Es war ein wunderschöner Sommer. Bis auf ein bißchen Regen an ein oder zwei Tagen hatten wir die ganze Zeit schönes Wetter und immer so ca. 26-28 Grad. Ich wußte gar nicht, daß es in Finnland so heiß werden kann.

Ich würde zwar - wahrscheinlich schon wegen der Sprache, aber auch wegen der kalten und langen Winter - niemals nach Finnland auswandern wollen, aber dieser Sommer in Finnland gehört bis heute zu den schönsten Erlebnissen meines Lebens. Auch weil die Finnen so ruhig sind und einen nicht gleich mit Fragen überfallen. Da kann ich Deinem Freund nur zustimmen. Ich habe es als sehr angenehm empfunden, daß die Leute in Finnland - zumindest die, die ich kennengelernt habe und mit denen ich mich auf Englisch unterhalten konnte - nur dann etwas sagen, wenn sie etwas zu sagen haben, und nicht einfach drauflosreden, egal ob mit Inhalt oder ohne oder um einfach zu reden oder Smalltalk zu machen. Selbst die Kinder waren sehr ruhig und haben zugehört. Etwas, das man in Deutschland ja eigentlich nicht kennt.

Jetzt habe ich so viel über Finnland geschrieben, obwohl ich doch eigentlich etwas anderes sagen wollte. Ich bin offensichtlich von finnischen Geflogenheiten sehr weit entfernt.

Eigentlich wollte ich etwas zu dem Thema "Jetzt wandern sogar die Ausländer aus" sagen. Ich habe vor einiger Zeit einen Bericht im Fernsehen gesehen über Auswanderer. Das wird ja immer mehr im Moment. In diesem Bericht wurde über eine türkischstämmige Familie berichtet, eine junge Familie mit zwei Kindern. Die Eltern von Vater und Mutter waren nach Deutschland eingewandert, weil sie eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder erhofften, und nun wandern die Kinder nach Australien aus, weil sie für sich und ihre Kinder hier in Deutschland, dem zumindest materiellen "Traumland" ihrer Eltern, keine Zukunft mehr sehen. Das finde ich sehr traurig und auch sehr bezeichnend - wenn schon die Einwanderer nach einer Generation wieder auswandern.

Aber was soll man hier in Deutschland auch tun? Ich werde selbst demnächst auswandern, allerdings weit in den Süden, nach Afrika, Namibia, weil ich hier in Deutschland vor lauter Papierkram nicht mehr dazu komme zu arbeiten und mein Geld zu verdienen. Das ist zwar etwas überspitzt, aber im Grunde genommen die Realität. Ich bin Kleinunternehmerin, wie viele andere, und ich kann mein Geschäft im Prinzip von überall aus betreiben, wo es Internet gibt. So schön es in Deutschland für Leute ist, die auf Kosten des Staates leben (wollen) ("schön" in Anführungszeichen, denn ich weiß, daß das viele Leute auch nicht schön finden und lieber arbeiten gehen würden), so schwierig ist es für jemand, der sein eigenes Geld verdienen und nicht vom Staat abhängig sein will. Es werden einem Knüppel zwischen die Beine geworfen, für jede Kleinigkeit muß man zehn Papiere in zehnfacher Ausfertigung ausfüllen, und wenn man sich selbständig machen will, kommt erst einmal die Steuer und will eine Vorauszahlung, obwohl man noch keinen Cent verdient hat. Wenn man die Leute, die wirklich arbeiten und dadurch für die Gemeinschaft etwas tun wollen, Steuern zahlen zum Beispiel, so vergrault oder es ihnen unmöglich macht, ist es kein Wunder, daß gerade diese Leute auswandern.

Es ist in keinem Land einfach, zu leben, wenn man Ausländer ist, denke ich, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß es in allen Ländern so ist wie in Deutschland, wo man das Gefühl hat, der Staat sagt einem: "Wie, du willst arbeiten? Wie, du willst dein eigenes Geld verdienen? Dann schauen wir doch erstmal, wie wir dir das kaputtmachen können. Bezieh lieber Sozialhilfe, dann lassen wir dich in Ruhe." So ein Gefühl vermittelt mir Deutschland im Moment. Und das, obwohl ich Deutschland als mein Heimatland liebe, trotz allem, was es auch zu bemängeln gibt. Aber einem Menschen, der etwas aufbauen will, bietet Deutschland keine Perspektive. Es sei denn, er hat Banken oder andere Millionen im Hintergrund. Das finde ich furchtbar schade, denn ich finde, daß Deutschland so viele Möglichkeiten hat, die es aber leider nicht nutzt bzw. die Menschen, die sie nutzen wollen, nicht nutzen läßt.

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antje_fi
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New PostErstellt: 16.10.06, 10:46  Betreff: Re: Nun wandern auch noch die 'Ausländer' aus Deutschland aus ...  drucken  weiterempfehlen

Hallo Anna,

prima, dass es Dir hier im Norden so gut gefallen hat. Ich mag auch die Weite der Landschaften, die viele Natur und die Einsamkeit der Wälder. Auch die sich stark voneinander unterscheidenen Jahreszeiten, die Polarnacht und den Polartag, besondere Lichtbedingungen, grosse glitzernde Eiskristalle, ... geniesse ich oft aus vollen Zuegen. Ist halt ein ziemlich perfektes Land fuer Naturliebhaber, Wanderer, Paddler, ... .

Das mit der Arbeit ist hier allerdings auch nicht leicht. Zwar gibt es hier höchstwahrscheinlich weniger Paperkram als in Deutschland, die Arbeitslosenziffern vor allem in den nördlichen und einsamen Gebieten sprechen jedoch fuer sich. Es ist hier schwer, einfach mal so einen kleinen Job an Land zu ziehen, weil aufgrund der Steuern die Lohnnebenkosten reichlich hoch sind. Daher ueberlegt sich ein Arbeitgeber es erst einmal mehrfach, ob und wen er einstellt. Ich arbeite zur Zeit Vollzeit (leider zeitlich begrenzte Projektarbeit) und habe mich vorher (bzw. habe es nebenbei immer noch laufen) als Selbständige und Freelancerin oder Aushilfe mit vielen verschiedenen kleinen Projekten und Teilzeitarbeiten durchgeschlagen. Es gab aber auch immer wieder Zeiten, in denen ich gar nichts hatte, und die ständige Unsicherheit kann einem schon mal reichlich auf den Keks gehen. Möglicherweise sind das Anfangsschwierigkeiten und es wird leichter, wenn ich mehr Geschäftsbeziehungen aufgebaut habe, möglicherweise ist es einfach die Lage hier und ich muss mir was anderes suchen - das wird sich mit der Zeit zeigen.

Dabei kann ich allerdings schlecht sagen, ob die Situation fuer mich in Deutschland einfacher oder schwieriger gewesen wäre. Vermutliche einfacher von der Sprache her, jedoch schwieriger, Projekte aus meinem Bereich an Land zu ziehen.

Nur ein paar Worte, die zeigen, dass es auch woanders nicht leicht ist ...

Ich hoffe, Du hast einen guten Neuanfang in Suedafrika!

Viele Gruesse, Antje





[editiert: 16.10.06, 10:47 von antje_fi]
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