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Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

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Autor Beitrag
Ralf.


New PostErstellt: 15.02.04, 12:36  Betreff:  Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen


Michael Bakunin (18. 5.1814- 1.7.1876)
Half mit seinen Schriften die Grundlagen des Anarchismus schaffen und entwickelte sich innerhalb der Arbeiterbewegung des 19. Jhdts. zu Marx' Hauptgegner.

Kein Staat, wie demokratisch er der Form nach auch immer sein möge, kann dem Volk geben, was es nötig hat.

Selbst die roteste politische Republik ist keine Republik des Volkes, sondern eine Lüge, erkenntlich am Namen Volksvertretung.

Was das Volk nötig hat,ist ein freies Zusammenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben, ohne jegliche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung von oben her.

Denn ein jeglicher Staat, bis hin zum allerrepublikanischsten und allerdemokratischsten - auch der zukünftige Staat des Volkes, den Marx plante - ist in seinem Kern bloss eine Maschine, welche die Massen von oben her steuert, mittels einer intelligenten und deshalb privilegierten Minderheit, die angeblich die wahren Interessen des Volkes besser kennen soll als das Volk selber.

Da die besitzenden und herrschenden Klassen also nicht imstande sind, die Ansprüche des Volkes zu befriedigen oder seine Unzufriedenheit zu besänftigen, haben sie nur ein Mittel zur Verfügung: staatliche Gewaltanwendung, kurz gesagt, den Staat. Denn der Staat bedeutet Gewalt, eine Lenkung durch Gewalt, verhüllte Gewalt, oder, wenn nötig, offene, nackte Gewalt.

Ein jeglicher Staat, möge er auch in der liberalsten oder demokratischsten Gestalt auftreten, ist notwendigerweise auf Herrschaft und Gewalt gebaut. Mit anderen Worten: auf Despotie, eine zwar getarnte, aber nicht minder gefährliche Despotie.

Michael Bakunin in ANARKISTIK LESEBOK, Oslo

DESHALB, 2004/05 ist Wahljahr, in dem gilt:
MACHT DIE STIMMZETTEL ZU DENKZETTELN
http://www.carookee.com/forum/m-wie-mensch/96

_________________________
Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung
www.rhellbart.de
und
www.carookee.com/forum/m-wie-mensch


[editiert: 03.03.04, 18:39 von bjk]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 15.02.04, 18:04  Betreff:  Macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!  drucken  weiterempfehlen




"Was das Volk nötig hat,ist ein freies Zusammenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben, ohne jegliche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung von oben her."



Lieber Ralf, Deinen Slogan

"Macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!"

will ich hiermit gerne unterstützen!

ungültig wählen + + + ungültig wählen + + + ungültig wählen!


Daß Du Michael Bakunin herausstellst, finde ich auch großartig! Du weißt ja, daß ich gerade oder besser immer noch mir sein Werk "Staatlichkeit und Anarchie" zu Gemüte führe. Zu meiner Schande muß ich gestehen und Baba möge mir das noch mal nachsehen, ich bin gerade erst am Schluß der über hundertseitigen Einleitung mit seiner Biographie angelangt.

Die Biographie ist sehr spannend und ich bin an und für sich auch ein Schnellleser aber die vielen vielen Fußnoten wollen erst einmal gesucht, gelesen und in den Kontext eingeordnet werden - und dann muß man erst wieder den berühmten "roten Faden" finden!

Wie auch immer, ich bin erst auf Seite 103 angelangt, nämlich endlich bei "Staatlichkeit und Anarchie" - ab hier gibt's nur noch wenige Fußnoten, Gottseidank!!!

Meine Bitte an Dich aber auch an Baba ist, könnt ihr zwei beide mal möglichst allgemeinverständlich formulieren, wie in der Praxis funktionieren soll, wenn es heißt:

"Was das Volk nötig hat,ist ein freies Zusammenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben, ohne jegliche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung von oben her."

Ich bin sicher, auch große Teile unsere Leserschaft wäre dankbar für entsprechende Erläuterungen. Und selber bin ich ja leider noch nicht so weit, daß ich Bakunins Gedanken und Visionen erklärend rüberbringen könnte.

Gruß
bjk
der sich sehr freut, daß Du diesen anspruchsvollen Thread auch hier eröffnet hast

Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 16.02.04, 03:05 von bjk]
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bode

Beiträge: 57

New PostErstellt: 15.02.04, 23:40  Betreff:  drucken  weiterempfehlen

die träumer leiden an dem nachteil, daß ihre träume erst am st nimmerleinstag verwirklicht werden.ihre unfähigkeit, zwischen illusion, paradies und realität unterscheiden zu können, lösen sie so, daß sie diese kluft nach dem motto: "jetzt erst recht" bis zum exzeß steigern. sie machen so aus ihrer not eine tugend)
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bjk

Beiträge: 7353
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New PostErstellt: 16.02.04, 03:04  Betreff:  macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!  drucken  weiterempfehlen

Nachtrag!



macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!

Deshalb

ungültig wählen + + + ungültig wählen + + + ungültig wählen!



bjk

Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 16.02.04, 03:19 von bjk]
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Demokrat
New PostErstellt: 16.02.04, 06:50  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunin  drucken  weiterempfehlen

Wer dazu auffordert ungültig zu wählen, hat das Wesen der Demokratie nicht begriffen.
Gerade er beweist damit, dass er nur sich selbst darstellen will und sich selbst als das non plus ultra sieht.

Zum Glück sind diese sich selbst Überschätzenden in der Minderheit und sollten es auch bleiben.
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 16.02.04, 08:12  Betreff:  macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!  drucken  weiterempfehlen

>> "Wer dazu auffordert ungültig zu wählen, hat das Wesen der Demokratie nicht begriffen." <<

bjk: besteht das Wesen der Demokratie darin, hinter der Herde herzutrotten?






>> "Gerade er beweist damit, dass er nur sich selbst darstellen will und sich selbst als das non plus ultra sieht.! <<

bjk: hmm, auch derjenige, der obiges geschrieben hat, ist ganz sicher nicht das non plus ultra - er ist noch nicht einmal ein echter Demokrat auch wenn er mit dieser Bezeichnung selbstdarstellerisch und eitel kokettiert und sie als Feigenblatt vor sich herträgt. Er ist vielmehr bestenfalls ein Demokraturist und Demokrator.

>> "Zum Glück sind diese sich selbst Überschätzenden in der Minderheit und sollten es auch bleiben." <<

bjk: schon heute

sind die Nichtwähler und Ungültigwähler die größte "Partei"

- sind das alles "sich selbst Überschätzende"?


Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!


[editiert: 17.02.04, 09:27 von bjk]
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Anja
New PostErstellt: 16.02.04, 09:15  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

....was von DEmokraten zu halten ist, sieht man doch an unseren Parteien, allesamt, die dieses wunderschöne Wort "Demokratisch" wirklich nur noch auf ihrem Parteibuch vor sich hertragen!!

Davon haben wir alle wahrlich genug!

Anja
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 16.02.04, 11:01  Betreff:  macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!  drucken  weiterempfehlen

auch hier ist dieses Thema eingestellt: http://de.indymedia.org/2004/02/74968.shtml

bjk

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!



momentan dauert's bei indymedia recht lange, bis die Seite geladen ist, also ist Geduld angesagt, eventuell mehrmals versuchen


[editiert: 16.02.04, 11:06 von bjk]
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Demokrat
New PostErstellt: 17.02.04, 06:29  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunin  drucken  weiterempfehlen

Dass Nichtwählen überall die Extremen gewinnen lässt, ist den Nichtwählern hier wohl nicht deutlich. Aber vielleicht ist das ja von den Nichtwählern hier erwünscht.

Dieses Forum wird ja eh von einem verwaltet, der von wirklicher Demokratie wenig gegessen hat. Er schimpft nur und hat noch nie Lösungen angetragen.
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bjk

Beiträge: 7353
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New PostErstellt: 17.02.04, 09:12  Betreff:  macht die Stimmzettel zu Denkzetteln!  drucken  weiterempfehlen

Demokrator: "Dass Nichtwählen überall die Extremen gewinnen lässt, ist den Nichtwählern hier wohl nicht deutlich. Aber vielleicht ist das ja von den Nichtwählern hier erwünscht."

bjk: aber ja! Je schneller wir Ungültigwähler den neoliberalen menschenverachtenden Spuk der etablierten Parteiendemokratur beseitigen, um so besser! Der neoliberale Einheitsblock aus SPD/GRÜNE/CDU/CSU/FDP ist ja mittlerweile so skrupellos und machtbesessen, daß er nun auch noch ungeniert und vor aller Augen die Ärmsten der Armen bestehlen und ausplündern will!

"Das sind die Überzeugungen der Revolutionäre - und deshalb nennt man uns Anarchisten. Wir protestieren nicht gegen diese Bezeichnung, denn wir sind in der Tat Feinde jeglicher Macht, weil wir wissen, daß Macht ebenso zersetzend auf den wirkt, der sie hat, wie auf den, der ihr gehorchen muß." (Michael Bakunin)


Demokrator: "Dieses Forum wird ja eh von einem verwaltet, der von wirklicher Demokratie wenig gegessen hat. Er schimpft nur und hat noch nie Lösungen angetragen."

bjk: die kriegen woll nie genug! - Jetzt wollen die Neoliberalen uns auch noch die Nahrungsmittel klauen und uns dafür hohle Phrasen und Worthülsenfrüchte zu essen geben!

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!


[editiert: 17.02.04, 09:29 von bjk]



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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 17.02.04, 11:30  Betreff:  Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen




hier ein Auszug aus "Staatlichkeit und Anarchie" von Michael Bakunin - derzeit aktueller denn je:


(Zitatanfang)
Heutzutage kann ein ernstzunehmender starker Staat nur ein einziges zuverlässiges Fundament haben - eine militärische und bürokratische Zentralisation. Zwischen einer Monarchie und einer Republik, und sei es der demokratischsten, gibt es nur einen einzigen wesentlichen Unterschied:

In der ersteren wird das Volk im Namen der Monarchen von der Beamtenschaft, zum großen Nutzen der privilegierten, besitzenden Klassen, aber auch für ihre eigenen Taschen, unterdrückt und ausgeraubt.

In der Republik wird das Volk von derselben Seite, zum Nutzen derselben Taschen und Klassen, unterdrückt und ausgeraubt, jetzt nur im Namen eines Volkswillens. In der Republik ist es das Scheinvolk, das legale Volk, das Volk, das angeblich durch den Staat repräsentiert wird, welches das lebendige und reale Volk unterdrückt und unterdrücken wird. Aber für das Volk wird es keineswegs leichter, wenn der Stock, mit dem man es schlägt, Stock des Volkes genannt wird.

(Zitatende)


Angesichts der zunehmenden Zemtralisierung durch die EU, angesichts der Umwidmung der europäischen Verteidigungsarmeen in neokoloniale Interventionsarmeen unter dem Oberbefehl der us-amerikanisch dominierten NATO, angesichts der erst schleichenden und jetzt galoppierenden Forcierung des Abbaus der Bürgerrechte - angeblich im Namen islamistischer Terrorgefahr - - - alles verbunden mit wahnwitzigen Kosten für die Bürger, - angesichts all dieser Schweinereien wird von den Neoliberalen Demokraturen unisono behauptet, der "Staat" habe kein Geld mehr für soziale "Wohltaten" und deshalb sei der Sozialabbau alternativlos.

In Wahrheit geht es dieser Demokraturkaste einzig um ihren Machterhalt,
um ihre Posten und Pfründe zu Lasten des, wie Bakunin sagt, lebendigen und realen Volkes!



Deshalb muß ab sofort jede Wahl durch Ungültigwählen

von uns mündigen Bürgern zur machtvollen Demonstration

gegen den neoliberalen Einheitsblock

SPD/GRÜNE/CDU/CSU/FDP werden!


bjk

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
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sondern ungültig wählen!


[editiert: 17.02.04, 11:35 von bjk]
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Gast
New PostErstellt: 17.02.04, 11:48  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen




gar nicht so zauselig, dieser alte Zausel, sondern ziemlich imponierend, wie er die zeitlos gültigen Machtmechanismen beschreibt.
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bjk

Beiträge: 7353
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New PostErstellt: 17.02.04, 18:39  Betreff:  Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

auch hier wird dieses Thema behandelt: http://de.indymedia.org/2004/02/75042.shtml


bjk

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
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[editiert: 17.02.04, 18:40 von bjk]
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Baba Yaga
New PostErstellt: 17.02.04, 23:35  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: Gast



    gar nicht so zauselig, dieser alte Zausel, sondern ziemlich imponierend, wie er die zeitlos gültigen Machtmechanismen beschreibt.
Ziemlich gut finde ich nachfolgende Zitate, denn sie haben unmittelbaren und aktuellen Bezug zur Gegenwart:

"Meine Herren, ist es nötig zu beweisen, daß der Sozialismus nicht tod ist? (- 1990 wurde er zum 2. Mal für tod erklärt - eingefügt Baba)
Um sich dessen zu vergewissern, genügt es, einen Blick auf das zu werfen, was heute in ganz Europa vor sich geht. Hinter all dem Diplomatengeschwätz und all dem Kriegslärm, der Europa seit 1852 erfüllt - welche ernstzunehmende Frage hat sich in allen Ländern gestellt, wenn nicht die soziale Frage?
Sie ist die große Unbekannte, deren Nahen jeder spürt, die jeden erzittern läßt und von der niemand zu sprechen wagt...

Aber sie spricht für sich selbst und das immer lauter:
Die Arbeitergenossenschaften, die Versicherungskassen
(gemeint waren nicht Versicherungskonzerne, sondern Genossenschaften- eingefügt v.Baba), die Gewerkschaften und die internationale Liga der Arbeiter aller Länder (gemeint ist die 1864 in London hoffnungsvoll gegründet Internationale Arbeiter-Assoziation, die "Erste Internationale"- eingefügt Baba), diese ganze aufstrebende Bewegung der Arbeiter in England, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien und der Schweiz
- beweist sie nicht, daß sie weder ihr Ziel aufgegeben, noch den Glauben an ihre baldige Emanzipation verloren haben und
daß sie gleichzeitig verstanden haben,
daß sie, um die Stunde ihrer Befreiung näher zu bringen,
nicht mehr auf die Staaten zählen dürfen und auch nicht auf den mehr oder weniger heuchlerischen Beistand der privilegierten Klassen
- sondern nur auf sich selbst und ihre vollkommen unabhängigen und selbstorganisierten Vereinigungen?"

oder hier noch ein anderes Zitat, ebenfalls aus der Rede Bakunins auf dem Gründungskongress der Friedens- und Freiheitsliga in Genf
(10.9.1867 - bevor Bismarck den Krieg mit Frankreich inszenierte - eingefügt Baba):

"Jeder, der wahrhaftig Frieden und Gerechtigkeit auf internationaler Ebene will, muß ein für alle Mal auf alles, was sich Ruhm, Macht und Größe seines Landes nennt, verzichten, auf alle Eitelkeiten und selbstsüchtigen Interessen des Patriotismus.
Es wird Zeit, das absolute Reich der Freiheit im Innern, wie nach außen, herbeizuwünschen.
Laut dem Programm unseres Komitees werden wir darum ersucht, die Grundlagen für den aufbau der Vereinigten Staaten von Europa zu diskutieren

Doch ist der Aufbau mit den heute bestehenden Staaten möglich?
Können Sie sich eine Föderation vorstellen, neben dem Großherzogtum Baden und Rußland neben dem Fürstentum Moldau-Walachei stünde,
oder ganz allgemein gesprochen,
eine Föderation von bürokratischmilitärischen Zentralstaaten,
wie denen,
die heute die Landkarte Europas bedecken,
mit Ausnahme der Schweiz?

Jeder Zentralstaat, so liberal er sich auch gebärdet, und selbst wenn er als Republik verfaßt wäre, ist notgedrungen der Unterdrücker und Ausbeuter der arbeitenden Volksmassen zugunsten einer Klasse von Privilegierten.

Um diese Massen niederzuhalten braucht er natürlich eine Armee
(- und Polizei-Milizen - eingefügt Baba :-)) und die Existenz dieses stehenden Heeres verleitet ihn zum Krieg (- z.B. in Serbien und am Hindukusch - eingefügt Baba).
Ich schließe daraus, daß es keinen internationalen Frieden geben wird, solange nicht das folgende Prinzip in vollem Umfang zur Anwendung kommt:
Jede Nation, ob stark oder schwach, ob groß oder klein, jede Region und jede Gemeinde hat das absolute Recht frei und autonom zu sein, ihren besonderen Interesssen und Bedürfnissen gemäß zu leben.
Und in diesem Recht stehen alle Gemeinden und alle Nationen derart füreinander ein, daß man die Freiheit keiner einzigen antasten kann, ohne nicht gleich die Freiheit aller anderen ernsthaft zu gefährden...."



Gute Nacht
bis demnächst

Baba Yaga


[editiert: 17.02.04, 23:41 von Baba Yaga]
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 18.02.04, 17:11  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

kopiert aus: http://www.twokmi-kimali.de/texte/Bakunin_Staatlichkeit_und_Anarchie.htm




"Die Bourgeoisie in allen Ländern Europas fürchtet die soziale Revolution am meisten und weiß, daß es für sie vor dieser Gefahr keine andere Rettung gibt als den Staat und deshalb will und fordert sie immer einen möglichst starken Staat oder einfach eine Militärdiktatur. Um aber ihrer Eitelkeit zu genügen und auch um die Volksmassen leichter betrügen zu können, wünscht sie, daß diese Diktatur in die Form einer Volksvertretung gekleidet sei, die es ihr erlauben würde, die Volksmassen im Namen des Volkes selbst auszubeuten." (aus "Staatlichkeit und Anarchie")


"... lebendig ist immer noch der Kampf gegen die beiden Lügen, die beiden Formen, mit denen die Massen unterdrückt und ausgebeutet werden: die Demokratie und die Diktatur; lebendig ist die vorbildliche Ablehnung jenes falschen Sozialismus, den er als einschläfernd bezeichnete und der, bewußt oder unbewußt, darauf abzielt, die Herrschaft der Bourgeoisie zu befestigen, indem er die Arbeiter durch fruchtlose Reformen einschläfert. Und lebendig sind v.a. der starke Haß gegen alles, was den Menschen herabwürdigt und erniedrigt und die grenzenlose Liebe für die Freiheit, die ganze Freiheit, ..." (Errico Malatesta in "Pensiero e Volonta" am 1.Juli 1926)


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Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
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sondern ungültig wählen!


[editiert: 18.02.04, 17:14 von bjk]
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Udo Teichmann

Beiträge: 7

New PostErstellt: 05.03.04, 02:05  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Mitdiskutanten,

ich kann in das allgemeine Staunen und die kritiklose Bewunderung der Gedanken von Bakunin nicht einstimmen. Hierzu ein paar Gedankenanstöße:

"Was das Volk nötig hat,ist ein freies Zusammenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben, ohne jegliche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung von oben her."

Und wer sagt das? Das Volk? Das reale Volk? Oder Bakunin, also ein Intellektueller, also - wie er selbst sagt - ein Privilegierter, als einer "von oben", der sich gerade nicht einmischen soll.

Der Mythos "reales Volk" ist eine Gestaltung der anarchistischen Metaphysik. Und genau so metaphysisch sind die Forderungen nach "einem freien Zusamenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben".

Ohne Struktur, ohne Organisation, ohne Privilegierte kann "ein freies Zusammenführen seiner (des Volkes) eigenen Interessen" nicht stattfinden, es sei denn durch das Eingreifen des Heiligen Geistes, also Metaphysik!

Für Bakunin soll das freie Zusammenführen seiner (des Volkes) eigenen Interessen durch keinerlei "Einflußnahme von oben her" stattfinden - welche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung wird denn "von unten" zu erwarten sein, wenn man den Blutzoll der Französischen Revolution in den Blick faßt?

Ist die Gewaltanwendung von unten, aus der Gosse, vom aufgehetzten Pöbel anarchistisch gesehen legitim?

Mit freundichen Grüßen
Udo Teichmann

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Baba Yaga
New PostErstellt: 05.03.04, 10:30  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Guten Morgen, Udo!

Ich habe gerade hereingeschaut und Deine Beteiligung am Bakunin Thread gesehen.
Schon mal vorweg möchte ich Dir auf Deine letzte Frage antworten:

Zitat Udo:
Ist die Gewaltanwendung von unten, aus der Gosse, vom aufgehetzten Pöbel anarchistisch gesehen legitim?

Als Gegner einer durch und durch mörderisch brutalen, russischen Gesellschaft, sahen Bakunin und andere, als einzige Möglichkeit des Widerstandes die Revolution durch die unterdrückten Volksmassen,
...Netschajew (Sohn Leibeigener) als Mittel auch Terrorakte!

Vera Figner (russische Revolutionärin, 20 Jahre in Haft) sah die Probleme sehr deutlich und sie litt auch darunter.
Sie meinte dazu:
"Hätte uns jemand einen anderen Weg, als den des Terrors gezeigt, wir hätten ihn gegangen!"

Es ist nicht neu, wenn man feststellt, daß jede Zeit und jedes Regime auch im jeweiligen, die Gesellschaft bekämpfenden Teil, eine Entsprechung, ein Spiegelbild findet......

In Zeiten, z.B., in welchen Zaren Attentätern noch selbst die Köpfe abschlugen, da ist auch der Terrorist noch näher bei seinem Opfer.
Für russische Attentäter (Terroristen) war aber klar, mit dem Opfer wird auch er selbst sterben müssen, da er Blut vergossen hatte.
"Ich betrachte meinen Tod als höchsten Protest gegen eine Welt der Tränen und des Bluts!" (Albert Camus 1950 in Die Gerechten)

Viele haben seit dem aus den Quellen Bakunins und Netschajew´s "getrunken", ohne daß dies im politischen Alltag erkannt wurde!

Beispiel:
"...und ich begeisterte mich für Bakunin und Netschajews "Katechismus der Revolution", dessen Grundsätze ich, mit einigen Ratschlägen Macchiavellis, in mein eigenes Verhalten einzubeziehen suchte. Ich hielt den "Katechismus" für meine Bibel und, auf einer Ein-Mann_Plattform stehend, begann ich bewußt, diese Grundsätze in mein tägliches Leben einzuführen und eine Taktik der Schonungslosigkeit gegenüber jeden anzuwenden, mit dem ich in Kontakt kam!"

Das schrieb Eldrige Cleaver, ehemaliger Informationsminister der Black-Panther-Bewegung in seinem Buch "Seele auf Eis"

Um aus der Leibeigenschaft und der Unterdrückung auszubrechen gab es innerhalb der revolutionären und rebellischen, russischen Bewegung viele Gedanken, viele Anleitungen für die "befreiende" Tat und Zustimmung aus der staatlichen Gewalt mit Hilfe des Terrors auszubrechen. Gewalt wurde als "vorübergehende Notwendigkeit" bejaht.

Davon hebt sich jedoch Bakunin ab und das wurde ihm auch immer wieder und unmißverständlich von Netschajew zu Vorwurf gemacht.
Bakunin verachtet aus tiefster Überzeugung unsittliche, unmoralische und hinterhältige Methoden im Umgang mit Gleichgesinnten.
Er äußert jedoch auch die Feststellung, daß Aufrichtigkeit und Beibehaltung der eigenen moralischen Werte im Umgang mit den Herrschenden, stets von diesen ausgenutzt würden:
"...und das Ehrenwort der Herrschenden ist nichts weiter als eine betriebsinterne Verhaltensregel zur Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse. Alle Verfolgten und Gehetzten wissen das, haben es schmerzlich erfahren und wenn sie im Zustand der Raserei und Verzweiflung waren, dann lauerte die Gefahr überall, das moralisch verpflichtende Band zwischen Mittel und Zweck und Ziel zu zerreissen!"

Während Natschajew sogar Freundschaft und Solidarität von der Revolution trennt (er fordert bedingungslose und absolute Bruderschaft, mißtraut jedem und jeder),
ist das für Bakunin ein Schock und unannehmbar, denn für ihn beinhaltet die Revolution gerade das: Liebe und Freundschaft , sowie gegenseitige Hilfe und Aufrichtigkeit untereinander!

Nun, Udo, ich habe mich mit den kurzen, vorhergehenden Beschreibungen und Zitaten bestimmt nicht um eine konkrete Antwort drücken wollen.
Ich will damit zeigen, daß Deine Frage nie verallgemeinerd mit "ja" oder "nein" beantwortet werden kann.
Sowohl das "Ja", als auch das "Nein" können legitim (im Unterschied zu legal - aber das weißt Du ja selbst genau) sein!

Aber die Beschäftigung mit Bakunin, seinen WeggefährtInnen und seiner Zeit erscheinen mir wichtig im Hinblick auf die aktuellen nationalen und internationalen Probleme von Staat und Gesellschaften.

Gruß
Luise
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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 05.03.04, 11:17  Betreff:  Lieber Udo Teichmann, obwohl grippegeschwächt,  drucken  weiterempfehlen

war Baba mit ihrer Antwort schneller als ich und beweist damit wieder einmal ihre nicht kleinzukriegende Hexenpower , weil sie sich offensichtlich endlich wieder auf dem Weg der Besserung befindet.

Bevor ich in einem der nächsten Beiträge ausführlicher auf den Komplex Anarchie/Bakunin eingehen und meine Sicht darüber schildern werde, zunächst ein paar Anmerkungen zu Ihrem Beitrag:

U.T.: ich kann in das allgemeine Staunen und die kritiklose Bewunderung der Gedanken von Bakunin nicht einstimmen.

bjk: hmm, eigentlich kann ich hier im Forum nirgendwo ein "allgemeines Staunen" oder "kritiklose Bewunderung" Bakunins und/oder seiner Gedanken feststellen. Denn bisher sind doch wohl mehr oder weniger nur Zitate seiner Gedanken und wichtige Abschnitte seiner Biographie hier ins Forum zur Diskussion gestellt worden. Leider haben sich nämlich außer Baba und mir - seit heute erfreulicherweise auch Sie - keine weiteren DiskutantInnen zu diesem m. E. wieder hochaktuellen Thema geäußert.

Babas und mein Ziel war es, hier im Thread einen regelrechten Workshop über das so geheimnisvolle und meist verkannt-verrufene Thema Anarchie aufzutun, nachdem Ralf diesen Thread mit Bakunin eröffnet hat. Wie wichtig ein konstruktives Auseinandersetzen mit den Grundgedanken des nebulösen Begriffs "Anarchie" in der heutigen Zeit wieder ist, zeigt Ihr eigener Beitrag.

Als Grundlage für einen fundierten Disput braucht man möglichst umfassende Kenntnisse der Anarchie-Idee von Entstehung bis zur Gegenwart. Deshalb habe ich als Anarchie-Laie mich zunächst eher nur auf das Sammeln von Informationen und Einstellen der verschiedensten Zitate und entsprechenden Links - übrigens auch in unserer Forums-Linkseite - beschränkt.

Lieber Udo Teichmann, Sie haben mich dankenswerterweise angespornt, nun endlich meine eigenen Gedanken und Schlußfolgerungen hier zu veröffentlichen. Und genau das werde ich in den nächsten Beiträgen kontinuierlich fortführen. Und auch auf Ihre Einlassungen wie "Und wer sagt das? Das Volk? Das reale Volk? Oder Bakunin, also ein Intellektueller, also - wie er selbst sagt - ein Privilegierter, als einer "von oben", der sich gerade nicht einmischen soll." oder "Ist die Gewaltanwendung von unten, aus der Gosse, vom aufgehetzten Pöbel anarchistisch gesehen legitim?" ausführlich eingehen.

Versprochen!

Mit freundichen Grüßen
bjk

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[editiert: 05.03.04, 11:33 von bjk]
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Udo Teichmann

Beiträge: 7

New PostErstellt: 05.03.04, 13:21  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Mitdiskutanten,
hallo Luise und bjk,

vielen Dank für Eure Hinweise.

Bakunin ist natürlich ein gewaltiger Denker, dem wichtige Denkanstöße in der politischen Philosophie zu verdanken sind: Hellsichtig kritisierte Bakunin bereits 1873 autoritäre konservative Staaten genauso wie autoritäre sozialistische Diktaturen: 'Faktisch bedeuten sie beide das Gleiche; die Verwaltung einer Mehrheit durch eine Minderheit im Namen der angeblichen Dummheit Ersterer und der angeblichen Weisheit letzterer.' "

Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Doch was können wir daraus folgern? Ist die Mehrheit nicht dumm, egoistisch, verantwortungsfaul? Ist die Minderheit nicht klüger, egoistischer, machtgeiler, also wirksamer?

Schon der erste Schritt in diese Analyse läßt uns stecken bleiben in dem Problem, daß jede politische Philosophie es mit den real existierenden Menschen zu tun hat, die eben so sind wie sie sind: in der Masse verführbar, egoistisch, denkfaul, verantwortungslos.

Der Charme der Demokratie besteht darin, daß sie ein Herrschaftssystem konstruiert, in dem die Beschränktheit des "Menschen an sich" am wenigsten Schaden anrichten kann. Der repräsentativen Demokratie genügt die "Fiktion des mündigen Bürgers" - und weiß dabei genau, daß kaum jemand in diesem Sinne "mündig" ist. Das schadet aber nichts, weil die Macht aufgeteilt ist und ein institutionell verwurzeltes System von checks and balances dafür sorgt, daß Auswüchse frühzeitig erkannt und möglichst elegant begradigt werden.

Anarchie dagegen erfordert heroisch altruistische Menschen, die auf diesem Planeten nicht zu haben sind. Welches Menschenbild ist nötig um sicherzustellen, daß etwa anarchistische Daseinsweisen weniger Übel anrichten als Demokratien mit all ihren Fehlern und Mängeln? Was wird aus der Anarchie, wenn die Menschen nicht auf der geistigen und charakterlichen Höhe des Anarchismus stehen? Es steht zu befürchten, daß es auf breiter Front zu Mord und Todschlag kommt. Wenn die real existierenden Menschen in der Demokratie dagegen nicht dem Ideal des Demokraten entsprechen, welche Greuel sind dann zu befürchten? - Gar keine, denn das ist der Normalfall: Durch Demokratie werden die gewalttätigen Instinkte des Menschen weitgehend domestiziert, die repräsentatie Demokratie ist geradezu darauf zugeschnitten, mit nicht-idealen "Demokraten" eine "normal" funktionierende Demokratie einzurichten.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann

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Gast
New PostErstellt: 05.03.04, 15:50  Betreff:  Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

(hab beim Schreiben leider zu lange getrödelt und wurde ausgeloggt, deshalb steht als Autor dieses Beitrages nur "Gast")


Lieber Udo,

wie ich schon sagte, bin ich nur "Anarchie-Laie", wenn auch vor allem wegen der aktuellen neoliberalen Schweinereien ein außerordentlich interessierter.

Auf diese "neoliberalen Schweinereien" werde ich immer wieder zurückkommen, weil sie der Dreh- und Angelpunkt aller Proteste, aller Demonstrationen und auch aller Revolutionen der - ich sag's mal vorsichtig, der unzufriedenen "Volksmassen" sind,
die sich nur noch ausgebeutet und unterdrückt sehen,
die sich um die Früchte ihrer Lebensleistung betrogen sehen,
die sich am Rande oder mittendrin einer sich immer schneller drehenden Armutsspirale sehen
und für sich, für ihre Familien und alle anderen Betroffenen im jeweils herrschenden Gesellschaftssystem keine Perspektiven für ein menschenwürdiges Leben mehr erkennen können!


Es besteht somit absoluter Konsens zwischen uns, wenn Sie sagen:
"Bakunin ist natürlich ein gewaltiger Denker, dem wichtige Denkanstöße in der politischen Philosophie zu verdanken sind: Hellsichtig kritisierte Bakunin bereits 1873 autoritäre konservative Staaten genauso wie autoritäre sozialistische Diktaturen: [...] Damit trifft er den Nagel auf den Kopf."

Ihre anschließenden analysierenden Fragen:
"Doch was können wir daraus folgern? Ist die Mehrheit nicht dumm, egoistisch, verantwortungsfaul? Ist die Minderheit nicht klüger, egoistischer, machtgeiler, also wirksamer?"
fänden zwar auch noch meine Zustimmung, wenn nicht schon ein eher rethorischer, also sich selbst beantwortender Frageansatz bei Ihnen deutlich würde.

Folgerichtig schlußfolgern Sie, beinahe der oberflächlichen Leserschaft das eigene Darübernachdenken quasi vorwegnehmend:
"Schon der erste Schritt in diese Analyse läßt uns stecken bleiben in dem Problem, daß jede politische Philosophie es mit den real existierenden Menschen zu tun hat, die eben so sind wie sie sind: in der Masse verführbar, egoistisch, denkfaul, verantwortungslos."

Zum Glück ist der größte Teil unserer Leserschaft alles andere als oberflächlich - und das haben Sie natürlich verschmitzt unterschwellig einkalkuliert.

Überzeugen kann mich jedoch ganz und gar nicht, wenn Sie behaupten:
"Der Charme der Demokratie besteht darin, daß sie ein Herrschaftssystem konstruiert, in dem die Beschränktheit des "Menschen an sich" am wenigsten Schaden anrichten kann. Der repräsentativen Demokratie genügt die "Fiktion des mündigen Bürgers" - und weiß dabei genau, daß kaum jemand in diesem Sinne "mündig" ist."

Denn Sie setzen die Idee der Demokratie bereits mit der Realität gleich, das heißt, Sie behaupten empirisch etwas, ohne den wirklich unumstößlichen Beweis für das Funktionieren dieser These zu liefern. Auch eine, so wie Ihre noch so gut und schlüssig formulierte Meinung, ist nun mal kein empirischer Beweis sondern immer noch eine zwar zu respektierende aber trotzdem "nur" subjektive Meinung.

Diese Ihre subjektive Meinung idealisieren Sie, indem Sie wiederum zwar in sich schlüssig aber trotzdem eben nur Ihre eigene Schlußfolgerung ziehen, der ich so nicht folge:
"Das schadet aber nichts, weil die Macht aufgeteilt ist und ein institutionell verwurzeltes System von checks and balances dafür sorgt, daß Auswüchse frühzeitig erkannt und möglichst elegant begradigt werden."
Denn an etwas zu glauben, an ein Ideal oder was auch immer, ist sicher durchaus lobenswert und kann, wenn es nicht gerade inquisitorisch-fanatisch vertreten wird, konstruktive Denkprozesse positiv befördern. Der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge - aber allein der Glaube ist empirisch nicht faßbar und kann und darf deshalb keinesfalls als allgemeinverbindlich gelten, wie ich finde!

Lieber Udo, Ihre weiteren Ausführungen über Ihre Sicht von Anarchie werde ich in einem der nächsten Beiträge kommentieren. Ich freue mich schon auf einen weiteren interessanten Disput und hoffe, die Leserschaft hat ebenfalls ihre Freude daran. Möglicherweise beteiligt sich ja der eine oder die andere, Baba sowieso, an diesem unseren allseits offenen Anarchie-Workshop?!

Herzliche Grüße
bjk


[editiert: 05.03.04, 15:55 von bjk]
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Baba Yaga
New PostErstellt: 06.03.04, 13:44  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Hallo, Udo!
Hallo, bjk!

Was zu beachten wäre, wenn man sich mit der politischen Philosophie Bakunin´s und anderer, z.B. auch späterer Anarchisten wie Negri, beschäftigt, ist die jeweils vorherrschende, politische Lage und Situation, von welcher aus vorwärts und bzw. rückblickend Kritikpunkte und Theorien entwickelt werden.
Bakunin hatte zu seiner Zeit als (empirischen) Erfahrungs-Ansatz verschiedene Formen von Monarchie ( - Diktaturen - hier vor allem die russische und die vorrevolutionäre in Frankreich) und Republiken, (explizit äußert er sich zur Schweiz und Nordamerika), als Ausgangs-Grundlagen für seine Theorien einbezogen.
Er hat aber auch seine Theorie gegenüber der Marxismus-Theorie klar abgegrenzt.

Beispiel als Ergänzung zum nachfolgenden Bakunin-Zitat von Udo:
"Daß aber niemand auf die Idee kommt, wir
(Bakunin, Giuseppe Garibaldi, Edgar Quinet und Ludwig Büchner, Mitglieder des Friedenskongresses 9.9.1867)
wollten die demokratische Regierung zugunsten der Monarchie kritisieren!
Wir sind fest davon überzeugt, daß die unvollkommenste Republik tausendmal besser ist als die aufgeklärteste Monarchie, denn in einer Republik gibt es immerhin Augenblicke, in denen das Volk, wenn auch weiterhin ausgebeutet, nicht unterdrückt wird.
Dergleichen wird man in Monarchien nicht niemals finden.
Und ausserdem bereitet das demokratische Regime die Massen allmählich auf das politische Leben vor, was die Monarchie niemals tut...."


Zitat Udo:
Bakunin ist natürlich ein gewaltiger Denker, dem wichtige Denkanstöße in der politischen Philosophie zu verdanken sind: Hellsichtig kritisierte Bakunin bereits 1873 autoritäre konservative Staaten genauso wie autoritäre sozialistische Diktaturen:
'Faktisch bedeuten sie beide das Gleiche; die Verwaltung einer Mehrheit durch eine Minderheit im Namen der angeblichen Dummheit Ersterer und der angeblichen Weisheit letzterer.' "


Zitat Udo:
Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Doch was können wir daraus folgern? Ist die Mehrheit nicht dumm, egoistisch, verantwortungsfaul? Ist die Minderheit nicht klüger, egoistischer, machtgeiler, also wirksamer?

Schon der erste Schritt in diese Analyse läßt uns stecken bleiben in dem Problem, daß jede politische Philosophie es mit den real existierenden Menschen zu tun hat, die eben so sind wie sie sind: in der Masse verführbar, egoistisch, denkfaul, verantwortungslos.


Lieber Udo, ich zähle mich zur von Dir beschriebenen Mehrheit und wie ich Bakunin interpretiere, tat er das von sich ebenfalls.
Es ist richtig, daß es Unterschiede zwischen dem einen Menschen und dem anderen gibt, aber die Unterschiede, die Du genannt hast sind,
um wiederum Bakunin zu Wort kommen zu lassen:
"...infolge erblicher Ungleichheit der Beschäftigungen, der Vermögen, der Bildung und der Rechte, welche die menschliche Gesellschaft in verschiedene Klassen spaltet"
verursacht!
Jedenfalls billige ich jener, von Dir so trefflich beschriebenen Minderheit weder ein Mandat noch eine Berechtigung zu, die Mehrheit, wie sie Bakunin wahrgenommen hat, nach Strich und Faden auszubeuten und für machtpolitische Zwecke zu verheizen (aktuelles Beispiel USA).

Zitat Udo:
Der Charme der Demokratie besteht darin, daß sie ein Herrschaftssystem konstruiert, in dem die Beschränktheit des "Menschen an sich" am wenigsten Schaden anrichten kann.

Oho, Udo! Dazu braucht´s keiner Demokratie (in der Form einer Republik)

Zitat Udo:
Der repräsentativen Demokratie genügt die "Fiktion des mündigen Bürgers" - und weiß dabei genau, daß kaum jemand in diesem Sinne "mündig" ist.

Genau!
Diese Form der "Repräsentativen Demokratie" ist die Zurücknahme und Streichung von Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechten, wie diese in einer Demokratie "dem Volke" noch zugestanden werden.
Kommt dann noch ein "Parteienprivileg" hinzu, kann man korrekter und ehrlicher Weise nicht mehr von Demokratie im Sinne des Wortes reden!
Es ist also eine Begriffs-Lüge, wenn Deutschland als Demokratie bezeichnet wird (auch weil weitere Merkmale, wie die Gewaltenteilung, nicht konsequent durchgesetzt sind)!

Zitat Udo:
Das schadet aber nichts, weil die Macht aufgeteilt ist und ein institutionell verwurzeltes System von checks and balances dafür sorgt, daß Auswüchse frühzeitig erkannt und möglichst elegant begradigt werden.

Na, Udo! Mußt Du da nicht selbst darüber lachen?
Weder ist "die Macht" aufgeteilt,
...dieses Manko beginnt schon bei den untersten staatlichen Gliederungen, z.B. bei der Personaleinheit eines Bürgermeisters oder Landrates als Gesetz- und Satzungs-Organ und anderseits als Chef für Vollzuges der erlassenen Gesetzes des eigenen Wirkungsbereiches.
Das setzt sich fort bei der Kette Polizei-Staatsanwaltschaft-Richter (das solltest Du aber noch in Erinnerung haben ) und endet bei den vielfältigen formalen, gesetzlichen und politischen "Beschränkungen" staatlicher Überwachungsbehörden und Prüfinstitutionen.

Vielleicht hättest Du die Presse nennen können, welche bisher jedenfalls Skandale ans Licht zerrte, die ansonsten der Öffentlichkeit verborgen geblieben wären, die aber nur die Spitze des Eisberges bilden!
Wie lange uns allen die Presse noch als ein wirksames Korretiv erhalten bleibt, in jenen Strukturen , die Du so enthusiastisch als Demokratie feierst, ist fraglich. Jedenfalls hat der massive Machtzugriff der Politikerkaste auf alle Medien ungenehme Kritik zum Verstummen gebracht!
Die geplanten Kontrollen und Beschränkungen der Kommunikationsplattform Internet gehen auch in diese Richtung!

Zitat Udo:
Anarchie dagegen erfordert heroisch altruistische Menschen, die auf diesem Planeten nicht zu haben sind. Welches Menschenbild ist nötig um sicherzustellen, daß etwa anarchistische Daseinsweisen weniger Übel anrichten als Demokratien mit all ihren Fehlern und Mängeln? Was wird aus der Anarchie, wenn die Menschen nicht auf der geistigen und charakterlichen Höhe des Anarchismus stehen? Es steht zu befürchten, daß es auf breiter Front zu Mord und Todschlag kommt. Wenn die real existierenden Menschen in der Demokratie dagegen nicht dem Ideal des Demokraten entsprechen, welche Greuel sind dann zu befürchten? - Gar keine, denn das ist der Normalfall: Durch Demokratie werden die gewalttätigen Instinkte des Menschen weitgehend domestiziert, die repräsentatie Demokratie ist geradezu darauf zugeschnitten, mit nicht-idealen "Demokraten" eine "normal" funktionierende Demokratie einzurichten.

Auch wenn Du eingangs Deines Zitates Anarchisten zugestehst, einen hohen moralischen Anspruch zu verinnerlichen, so zeigst Du mit Deiner Befürchtung, daß Du unter "Anarchie" immer noch hemmungslose Gewaltfreiheit verstehst.
Du zeigst aber auch, daß Du kein Vertrauen in die Vernunft und den Selbsterhaltungswillen jener Menschen setzt, die Du als "Volk" bezeichnest.
Ich zähle mich zu diesem "Volk" und schließe von mir auf andere, selbst wenn mir bewußt ist, daß einige menschliche Bedürfnisse der Anderen, sich von meinen unterscheiden.
Im Gegensatz zu Dir, bringe ich weder Vertrauen noch Loyalität zu jener, von Dir so trefflich beschriebenen Minderheitengruppe auf, welche die Macht für ihre Zwecke und Interessen korrumpiert.

Gruß
Baba Yaga


[editiert: 06.03.04, 13:57 von Baba Yaga]
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Udo Teichmann

Beiträge: 7

New PostErstellt: 07.03.04, 02:59  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Mitdiskutanten,
hallo Baba und bjk,

wir haben zielstrebig die eigentlichen Knackpunkte ins Visier genommen:

1. Sind die Menschen zu Anarchismus fähig?

2. Führt Anarchismus (in der realen Welt) zwangsläufig zu „Propaganda durch die Tat“, zur amoralischen Gewaltfreiheit des Revolutionärs, zu Terror und Kriminalität, und damit zu flächendeckender Diskreditierung der ursprünglichen anarchistischen Utopie?

Ich hatte ja schon mein schmuckloses Menschenbild über „die Mehrheit“, die „Volksmassen“ also, angedeutet: Gewohnheitstiere, dumm, egoistisch, verantwortungsfaul, risikoscheu, korrumpierbar.

Du, Baba, hast damit kokettiert, Dich zu dieser Mehrheit der Volksmassen zu zählen, so wie sich auch Bakunin dazu gezählt hätte. Bakunin hat genau so klarsichtig erkannt, wie es um die Vilksmassen stand. Seit den 60er Jahren kam mit Bakunins Unterstützung das Narodnitschestvo auf, das „Ins-Volk-gehen“, das besonders 1873 große Resonanz fand, als einige Tausend junge Leute aufs Land zogen, um Bildungs-, Erweckungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Ihre Aktion wurde ein totaler Mißerfolg: Die Bauern waren für die von Bakunins Auffassungen abgeleiteten Thesen der Volksfreunde nicht ansprechbar.

Bakunin als Angehöriger des Adels, als Offizier und Intellektueller zählte sich selbst durchaus nicht zu den Volksmassen, er entwickelte vielmehr fleißig Strategien, um aus den realen, dumpfen Volksmassen gereifte Menschen zu schaffen, die nach Anspruch und Charakter zu einer anarchistischen Utopie passen würden.

Und auch Du, Baba, gehörst nicht zu den Volksmassen, um deren Wohl Du Dich mit hohem persönlichem Einsatz bemühst. Die Volksmassen, das sind die CSU-Wähler, die Dich für überspannt ansehen, wenn sie Dich überhaupt wahrnehmen.

Und weil die Menschen so sind wie sie sind, kommen die Anarchisten mit ihrer Erweckungsarbeit nicht voran, zumal sie obendrein in ihrer Propagandaarbeit durch staatliche Eingriffe behindert werden. Konsequenz: Die Veränderungen müssen durch eine Revolution durchgesetzt werden. Diese muß aus dem Volk hervorbrechen. Dazu muß man das Volk anstacheln, durch Geheimgesellschaften, durch Propaganda, besonders intensiv durch „Propaganda durch die Tat“, also durch Attentate und terroristische Angriffe auf die herrschende Gesellschaft.

Paul Brousse prägte 1877 die einprägsame Formel der „Propaganda durch die Tat“: Mit politischem Mord wollte man das Volk mobilisieren. Das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts war unter diesem Motto von einer Vielzahl von Gewalttaten erfüllt. Es kam nicht nur zu zahlreichen mißglückten oder erfolgreichen Attentaten auf Staatsoberhäupter, so auf den französischen Präsidenten Carnot, den amerikanischen Präsidenten MacKinley, auf Elisabeth von Österreich oder den deutschen Kaiser Wilhelm I, sondern auch auf viele andere Personen, besonders auf Angehöriger der Polizei, zu vielfältigen Terroranschlägen und Akten ganz gewöhnlicher Kriminalität, die nur notdürftig politisch motiviert wurden. Die Täter beriefen sich meist auf die anarchistische Gedankenwelt – und nicht völlig ohne Schlüssigkeit. Mit diesen Aktionen wurde zwar der Sinn des Anarchismus völlig auf den Kopf gestellt, sie waren gleichwohl eine Konsequenz aus der Unmöglichkeit, mit den real existierenden Menschen eine anarchistsiche Daseinsform zu gründen. Wenn der Anarchismus vielfach mit Gewaltfreiheit assoziiert wird, so gibt es dafür gute Gründe, denn die Verfechter des Anarchismus um Bakunin, Netschajew, Tkatschew, Kropotkin hatten sich alle dazu durchgerungen, die schöne Utopie von der herrschaftsfreien Daseinsweise mit häßlicher Gewalt vorantreiben zu müssen.
Was bei Godwin idyllisch als soziale Utopie begonnen hatte, getragen von dem Glauben an die Fähigkeit des Menschen zur Vervollkommnung, mündete so in platten terroristischen Aktionismus, durch den der Anachismus zu recht völlig diskreditiert wurde. Hier wurde schließlich historisch der empirische Beweis dafür angetreten, daß die anarchistische Utopie unausführbar ist., weil der real existierende Mensch dazu nicht geeignet ist.

Trotzdem glaube auch ich, daß der Mensch sich entwickeln kann. Er hat die Fähigkeit zur Vervollkommnung. Es ist nicht sinnlos zu versuchen, Menschen für ideale Ziele zu erwärmen. Im Gegenteil, es macht durchaus Sinn, mit seinen Mitmenschen über die „öffentlichen Angelegenheiten“ zu diskutieren, gemeinsam oder kontrovers nach Lösungen für allgemeine Probleme zu suchen.

Dabei darf man aber keine Wunder erwarten.Man kann sicherlich graduelle Vehaltensveränderung bewirken, aber man kann Menschen nicht komplett umkrempeln.

Entsprechende Bemühungen finden ununterbrochen statt, und zwar nicht im Rahmen des Anarchismus, sondern als demokratischer Alltag durch Demonstrationen, politische Happenings, politische Bildungsarbeit, öffentliche Dispute, Tarifverhandlungen, parlamentarische Debatten, Urteile von Obersten Gerichten. Dabei werden die Menschen dort abgeholt, wo sie sind – man erwartet nicht von Ihnen, prinzipiell besser, altruistischer, verantwortungsvoller, klüger zu sein als sie nun einmal sind. Und wenn die Leute eine bestimmte Idee einfach nicht fressen wollen, wenn sie sich für ein bestimmtes Ideal nicht begeistern lassen, dann fießt nicht Blut sondern Tinte.

Einer der Gründe, warum ich eher auf demokratische Entwicklungen setze als auf Anarchsimus und den Blutzoll frustrierter anarchistsicher Fanatiker, die historisch nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel bildeten.

Deine Kritik an der Demokratie kann ich weitgehend nachvollziehen, wenn auch nicht in so zugespitzter Form. Die real existierende Demokratie liefert, was sie verspricht – nicht daß jeder Hinz und Kunz den Kanzler spielen darf, sondern daß unter Wahrung der Menschenrechte eine Herrschaft stattfindet, die sich von den Wählern her legitimiert und prinzipiell abwählbar und durch andere Machthaber ersetzbar ist. Der einzelne bleibt Zwängen ausgesetzt, seine Freiheit ist wesentlich relativiert durch die gleichzeitige Freiheit der Anderen, aber im Rahmen der für alle gleichermaßen geltenden Rechtsordnung. Und das ist ja schon einmal ein großer Schritt in der Entwicklung der Menschheit.


Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann

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Baba Yaga
New PostErstellt: 08.03.04, 03:26  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Hallo, Udo!

Danke für Deine ausführliche Stellungnahme, auf welche ich noch eingehend antworten werde.

Ich habe gerade mitbekommen, daß über unsere Diskussion hier im Unsinnforum eine Rezension stattgefunden hat, wobei man versuchte, Dich bei der RAF-Aktionsfront einzureihen !

Bist ganz schön erschrocken, nicht wahr?

Ich bin aber auch erschrocken über Deine Bemerkung, ich würde kokettieren, dabei hatte ich doch erwartet, Du würdest Flagge zeigen und Dich neben mich und das "Volk" stellen!

Aber das hast Du ja dann indirekt auch getan, indem Du Dich mit dem Unverständnis der anderen "Volkszugehörigen" im Nebenforum eingelassen und auseinandergesetzt hast!

Für heute nur noch der kleine Hinweis auf den Pariser Mai 1968!
- erinnerst Du Dich daran?


Es waren Anarchisten, welche die Volksmassen bewegen konnten, ein verkrustetes, repressives französisches Nachkriegs-Regime ins Wanken zu bringen und die Präsident de Gaulle in die Flucht schlugen!
Verraten wurde die gesamte Bewegung von wem....?
...von den Gleichen, die Bakunins 1872 aus der I.Internationale (die er selbst mit gegründetet hatte) ausgeschlossen haben!!!!

...und Bakunin ist bereits 1876 in der Schweiz verstorben!
Bis morgen
Baba Yaga
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Baba Yaga
New PostErstellt: 10.03.04, 03:57  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Lieber Udo!

Wie angekündigt, nur mit etwas Verspätung, möchte ich nun ausführlicher auf Deinen Beitrag antworten.
In einem ersten Anlauf möchte ich auf Deine 2. Fragestellung eingehen und aus meiner Sicht und meinem Anarchieverständnis antworten.

Grundsätzlich entnehme ich nicht nur Deinem letzten Beitrag, daß Du, wie die Mehrheit der Bevölkerung (enschuldige bitte, daß ich Dich in einem Atemzuge mit dem Volke nenne) eine libertäre Gesellschaftsform, welche auf Herrschaftslosigkeit, auf Repressions- und Gewaltfreiheit, sowie der Freiwilligkeit und der gegenseitigen Unterstützung und Hilfe aufbaut, als utopisch empfindest, ja sogar ablehnst,
- und was ich persönlich etwas schmerzhaft empfinde -,
daß Du im Gegenzug Anarchisten genau das unterstellst, was auch un- und falschinformierte "Volksmassen" vom Anarchismus halten,
- nämlich Chaos, Gewalt, Mord und Todschlag!

Um diese Vorstellung vom Anarchismus zu bekräftigen und zu verallgemeinern, zitierst Du Paul Brousse, welcher 1876 (nicht 1877) mit seiner Formel "Propaganda durch die Tat", oder auch mit dem Satz "der Weg der Revolution führt durch eine königliche Brust" in Literatur und Geschichte eingegangen ist.
Dabei verzichtest Du völlig darauf, die gesellschaftlich-sozialen und machtpolitischen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts, insbesondere die des letzten Viertels des Jahrhunderts zu erwähnen, geschweige denn die Vielschichtigkeit und die damit einhergehenden ideologischen Auseinandersetzung, Anfeindungen und Rivalitäten zwischen Anarchisten, Kommunisten und Sozialisten !
Du gehst auch nicht darauf ein,
...daß Anarchismus (bis heute) jene politische Philosophie ist, die am heftigsten von allen Seiten (Monarchisten, Bürgerlichen, Republikanern, Sozialisten und Kommunisten) bekämpft,
...daß die verschiedenen erfolgreichen und/oder erfolgversprechenden Versuche und Ansätze eine Ordnung ohne "Herren" aufzubauen, erstickt und niedergeschlagen wurden,
...daß in der Folge die unterschiedlichsten Mißliebigen und Übeltäter von den Herrschenden den "Anarchisten" zugerechnet wurden/werden.

In meinem vorhergehenden Kurzbeitrag habe ich Dir schon den Hinweis auf Bakunins Todesdatum 1876 gegeben.
Er war also an den von Dir (und Avram Yarmolinsky im Buch "Zaren und Terroristen") aufgezählten Attentaten und Attentatsversuchen weder mit Agitation noch mit Tat beteiligt, ebenso wenig wie Stirner (gestorben 1856),
...der landläufig auch unter die Anarchisten subsummiert wird,
...der jedoch seine Denkansätze und Forderungen aus dem Solipsismus und Individualismus herleitete.

Du hast ihn zwar (noch)nicht mit seinem "populärsten" und "erfolgreichsten" Horror-Zitat aufgeführt,
- "Ich bin durch mich berechtigt zu morden, wenn ich Mir´s selbst nicht verbiete, wenn ich Mich selbst nicht vorm Morde als vor einem Unrecht fürchte" (Der Einzig und sein Eigentum 1845) -,
aber da er regelmäßig eine eindrucksvollen Beschreibung und ein abschreckendes Beispiel zur Warnung vor dem Anarchismus abgibt, habe ich ihn hier gleich mit eingeführt.

Klar sollte jedenfals sein,
...daß Gedanken frei sind, auch wenn das Denkresultat weder Gefallen noch Zustimmung findet,
...daß Zitate im Kontext des jeweiligen Themas, der Situations- und Zeitumstände eingebettet sein sollten,
...daß es innerhalb politischer Systeme, Parteien und Weltanschauungen die verschiedensten Strömungen und Ausprägungen gibt,
...daß politische Straftaten und Verbrechen aus den unterschiedlichsten Motivationen, Obsessionen und Gründen begangen wurden und werden und
...daß es kein ausschließliches Merkmal des Anarchismus ist, wenn Morde, Terroranschläge und Attentate vom Menschen begangen werden, so wie Du das postulierst und unterstellst!

Zitat Udo:
"Wenn der Anarchismus vielfach mit Gewaltfreiheit assoziiert wird, so gibt es dafür gute Gründe, denn die Verfechter des Anarchismus um Bakunin, Netschajew, Tkatschew, Kropotkin hatten sich alle dazu durchgerungen, die schöne Utopie von der herrschaftsfreien Daseinsweise mit häßlicher Gewalt vorantreiben zu müssen".

Das sehe ich etwas anders als Du!
Auf die historischen und situativen Zustände der monarchistischen Terror-, Ausbeutungs- und Unterdrückungs-Regime habe ich bereits in meinem vorhergehenden Beitrag hingewiesen, um die Entstehung und Entwicklung anarchistischer Gedankenwelt und die Umsetzungs- und Befreiungsbestrebungen vor diesem Kontext begreiflich zu machen.
"Gewaltfreiheit" wurde von Anarchisten ebenso wenig als ubiquitäre Verhaltensmaxime gegenüber Feinden, Unterdrückern und Verfolgern verstanden, wie von Religionen (z.B. die christliche), welche ausserhalb und sogar innerhalb ihrer Gläubiger-Gemeinschaft morden, foltern und brandschatzen!!!!
Es kommt eben immer auf den Betrachtungsstandort an, wie Thesen und Tatsachen verstanden, aufgenommen und weiterverarbeitet werden.
Z.B. hast Du meiner einer Darstellung des BRD-Unrecht-Systems nicht widersprochen, aber im Gegensatz zu mir, fällt Deine Beurteilung dazu positiv aus!

Gewaltfreiheit bedeutet(e) für Anarchisten (und Autonome) nicht Pazifismus gegenüber Peinigern,
- also nix mit verlogenen Sprüchen von linker und rechter Backe -,
sondern eine herrschaftslose Ordnung innerhalb welcher, auf freiwilliger und gewaltfreier Basis, die Menschen sich zu Gesellschaften organisieren und zu gegenseitiger Hilfe, Unterstützung und damit Entwicklung auf den verschiedenen Feldern menschlicher Fähigkeiten bereit sind!

Daß dies erreichbare Ziele und nicht nur verwegene und Utopien sind, haben vielfältige Realisierungsversuche gezeigt, wurden aber mit Gewalt niedergeschlagen und erstickt.
Um einige wenige Beispiele für anarchistische Versuche zu nennen:
Pariser Commune 1871
Mexikanische Revolution 1912
Münchner Räterepublik 1919
Machnow-Bewegung während russ.Oktober Revolution 1917 in Ukraine
Kronstadt Aufstand 1921
Aufstand in Argentinien (Patagonien) 1921
Aufstand Pariser Mai 1968 (damals war Cohn Bendit Anarchist)
Nelkenrevolution 1971 Portugal
Hausbesetzer-Kommunen am 1981
Autonomenwiderstand gegen AKW´s, Militarismus und WAA
Selbstverwaltungsinitiativen 2003 in Argentinien nach dem Wirtschaftszusammenbruch

Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft!

Ich bin jetzt müde!

Fortsetzung folgt, insbesondere zu Deiner Frage
"1. Sind die Menschen zu Anarchismus fähig?"

Gute Nacht

Baba Yaga
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Udo Teichmann

Beiträge: 7

New PostErstellt: 10.03.04, 06:58  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Mitdiskutanten,
liebe Luise,

vielen Dank für Deine ausführliche Nachdenklichkeit.

Du schreibst:

---Zitat-------
Grundsätzlich entnehme ich nicht nur Deinem letzten Beitrag, daß Du, wie die Mehrheit der Bevölkerung (enschuldige bitte, daß ich Dich in einem Atemzuge mit dem Volke nenne) eine libertäre Gesellschaftsform, welche auf Herrschaftslosigkeit, auf Repressions- und Gewaltfreiheit, sowie der Freiwilligkeit und der gegenseitigen Unterstützung und Hilfe aufbaut, als utopisch empfindest, ja sogar ablehnst,---tatiZ----

Na, na, da fuhr mir aber ganz schön der Schreck in alle Glieder, als Du mich so schutzlos in einem Atemzug mit dem „Volk“ genannt hast. Ich bin tatsächlich in der Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, will sagen, daß ich zunächst und zuerst Individuen sehe und auf ihre Bedürfnisse, Stärken und Schwächen blicke, und nur mit großer Vorsicht abstrakte Generalisierungen dieser Individuen ins Auge fasse: Ist der „Wald“ mehr als ein gedankliches Ensemble von Bäumen und Sträuchern, Pflanzen und Tieren? Ist das „Volk“ mehr als gedankliches Konstrukt? Kann dieses Konstrukt, oder gar die nächst höhere Generalisierungsstufe, die „Menschheit“, Ansprüche gegenüber den Individuen erheben, gar Leben und Glück seiner konkreten Individuen fressen dürfen, als Brennstoff gewissermaßen in dem großen Transmissionsprozeß (Revolution) von dem schlechten Hier und Jetzt zu einem erstrebenswerten Morgen und Überall – auf den Flügeln eines Nirgendwo?

Und da stehe ich dann mit meinem popelingen Lackmustest, mit dem ich jede politische Philosophie und Praxis messe: Wie gehst Du mit den konkreten Individuen um? Wirst Du die konkreten Individuen revolutionär in Gewalt und Unglück stürzen, für was auch immer, oder wirst Du ihre Herzen weit und ihren Geist hell machen für eine organisch-evolutionäre Überwindung von Mißständen?

Ich wende mich daher gar nicht gegen den Anarchismus, sondern gegen jede gewaltsame Revolution mit ihren blutigen Folgen für die konkreten Individuen hier und jetzt. Solange der Anarchismus aber in einer konkreten historischen Situation auf gewaltsame Revolution angewiesen ist, um sich zu realisieren, besteht er meinen höchstpersönlichen Lackmustest nicht. Und dieser Lackmustest sieht keinen Blutrabatt dafür vor, daß dem Revolutionär die Gewalt womöglich nur von der Gegenseite aufgezwungen wird und er selbst reinsten Herzens sein MG tuckern läßt. Aus meiner Sicht lehrt die Geschichte, daß auch noch die edelsten Motive korrumpiert, diskreditiert und in ihr Gegenteil verkehrt werden, sobald sie mit Gewalt durchgesetzt werden. Gewalt endet immer in einer Spirale zu mehr Gewalt, in einem Klima also, in dem speziell die menschenfreundlichen Ziele des Anarchismus immer ferner rücken.

Wo aus solch prinzipiellen Erwägungen der Weg in die gewaltsame Revolution versperrt ist, muß man sich duchaus nicht mit der schlechten Realität abfinden. Gefragt ist aber eine politische Philosophie und Praxis, die die Herzen weit und den Geist hell machen für eine organisch-evolutionäre Überwindung von Mißständen. Dazu bietet allein die Demokratie mit ihrer Meinungsfreiheit ein günstiges Terrain, in dem im Wettstreit der Ideen und Ideale Herz und Geist aufwärts wachsen können, ohne daß Blut fließen muß.

Was ich hier sage, sind keine Naturgesetze oder übernatürliche Postulate, sondern entstammen als persönliche Glaubensüberzeugungen einer sorgfältigen Analyse der Geschichte, vor allem der letzten drei Jahrtausende. Man kann auch zu anderen Überzeugungen kommen. Darüber muß man dann immer wieder ernsthaft reden.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann

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bjk

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Ort: Berlin


New PostErstellt: 10.03.04, 13:50  Betreff:  Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Baba,
lieber Udo Teichmann,

Euer heutiger „Notenwechsel“ hat mich gleich mehrfach inspiriert, mich wenigstens kurzzeitig von den Alltagszwängen loszureißen und insbesondere auf Udos Interpretationen in Bezug auf Anarchie und Demokratie sowie Volk/Menschheit und Individuum und seine zwei „Knackpunkte“ einzugehen als da sind:

1. Sind die Menschen zu Anarchismus fähig? (Teichmann)

Erstens, warum sollten sie das nicht sein? Es spricht aus meiner Sicht genauso viel dafür wie dagegen. Und zweitens muß zuvor doch wohl der Begriff „Anarchismus“ erst einmal zweifelsfrei geklärt und allgemein verbindlich definiert werden. Denn schon Baba und Udo haben grundlegende unterschiedliche Betrachtungsweisen in diesem Zusammenhang, nämlich Baba steht für Pro und Udo offensichtlich für Contra. Welche teils primitiven Vorurteile Udos negative Darstellung der Anarchie kürzlich im sinnlosen Nebenforum sogleich bedient hat, zeigt nicht nur die oft tumbe Borniertheit der dortigen Klientel auf sondern sind geradezu ein wenn auch unfreiwilliger Beweis für Bakunins so augenzwinkernd-bissigen Worte: „Weil im deutschen Blut, im deutschen Instinkt, in der deutschen Tradition eine Leidenschaft für staatliche Ordnung und staatliche Disziplin liegt [ ... ] während jeder Deutsche den Knüppel küßt, freiwillig und aus Überzeugung. Seine Freiheit besteht gerade darin, daß er gedrillt ist und sich gern vor jeglicher Obrigkeit verbeugt.“

Und, lieber Udo, ist Bakunins Warnung an seine geliebten Slawen: „[ ... ] weil ein Staat – und möge er sich zehnmal Volksstaat nennen und mit den demokratischsten Formen zieren – für das Proletariat notwendigerweise zum Gefängnis wird. [ ... ]womit wir nicht die Arbeiter in der Partei, sondern die Organisation der Partei und hauptsächlich ihre immer und überall bourgeoise Führung meinen [ ... ] Keineswegs darf die deutsche sozialdemokratische Partei (damals unter Marx, Engels und Bebel, nicht zu verwechseln mit der heutigen SPD, die erst 1869 von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründet wurde, Anm. bjk) mit der Internationale verwechselt werden.“ nicht auch heute noch, diesmal für uns Bundesbürger, hochaktuell, wenn man statt Bebel, dem honorigen Urvater der SPD, unseren Wortbruch-Kanzler Schröder einsetzt? Doch darüber an anderer Stelle mehr.

2. Führt Anarchismus (in der realen Welt) zwangsläufig zu „Propaganda durch die Tat“, zur amoralischen Gewaltfreiheit des Revolutionärs, zu Terror und Kriminalität, und damit zu flächendeckender Diskreditierung der ursprünglichen anarchistischen Utopie? (Teichmann)

Hmm, warum sollte Anarchismus „zwangsläufig“ in die bürgererschreckende Amoralität führen und warum soll die ursprüngliche anarchistische Idee, der auch Sie ja durchaus Positives abgewinnen, nur hehre Utopie sein, während die von Ihnen, lieber Udo, sagen wir mal, so eigenwillig unbeirrt hochgepriesene Demokratie immer der Seligkeit nahekommt, folgte man Ihrer Demokratie-Eloge?

Wie ich in meiner Antwort vom 5.3. 15:50 Uhr schon erwähnte, respektiere ich Ihren unbedingten Glauben an das Gute in der Demokratie durchaus, wenn sich mir auch die Logik im Zusammenhang mit Ihrer Definition der „Volksmassen“ als „Gewohnheitstiere, dumm, egoistisch, verantwortungsfaul, risikoscheu, korrumpierbar“ nicht so recht erschließen will. Wie dem auch sei, den empirischen Beweis für Ihren hingebungsvollen Glauben an die Demokratie schulden Sie noch immer. Er wird auch schwer bis überhaupt nicht zu erbringen sein, denn „amoralische Gewaltfreiheit ... Terror und Kriminalität“, welche Sie dem „Anarchismus der realen Welt“ fast gebetsmühlenhaft zuordnen, sind bis dato in allen demokratischen Staatsformen leider an der schlimmen Tagesordnung - - - und zwar ohne daß die von Ihnen idealisierten Ordnungsmechanismen dies verhinderten!

Wie sonst kam es gerade durch demokratischen Staaten bis in die Neuzeit zu Kolonialisierungen in der Dritten Welt mit all ihren Kriegsgreueln und sonstigen humanen Grausamkeiten? Wieviele schreckliche völkerrechtswidrige Angriffskriege haben gerade vermeintlich vorbildliche Demokratien unter hohem Blutzoll bis dato geführt im Nahen und Mittleren Osten (Israel, Irak), im Balkan (Jugoslawien), in Nordafrika (Marokko), in Afrika überhaupt wie auch in Südamerika, in Asien (Korea und Vietnam) - - - die Liste läßt sich endlos fortführen. Politische Morde und Folter, Guantánàmo und anderer brutaler Staatsterror im Namen der Demokratie! Erst schleichende und jetzt galoppierende Verwässerung bis Abschaffung einst hart erkämpfter Bürger- und Menschenrechte – Big Brother is watching you - wegen tatsächlicher und/oder angeblicher Terrorgefahr mit den abenteuerlichsten Begründungen seitens interessierter Kreise durch den sogenannten islamischen Fundamentalismus, wo man nicht genau weiß, ob nicht der vor allem in den USA aber nicht nur dort ausgebrochene christliche Fundamentalismus mindestens genauso gefährlich ist!

Eine sich im Aufwind befindliche neoliberale Grundströmung in mittlerweile allen demokratischen Landesregierungen baut soziale Errungenschaften und Werte radikal wie brutal ab, weil angeblich die Staatskassen leer wären und die Globalisierungszwänge dies so verlangten - - - und im gleichen Atemzug wachsen die Rüstungs- und Militärkosten auch in allen Demokratien ins Unermeßliche!

Und immer ist die deutsche SPD willige Mitläuferin und schlimme Mittäterin, so im ersten Weltkrieg, so in Jugoslawien, so in Afghanistan, so noch recht verschämt im Irak und bald (wieder!) überall und großmächtig auf der Welt!

Wollen Sie, lieber Udo, auch hier im Ernst behaupten, dies sei „von den Wählern her legitimiert“ und sie hätten ja die realistische Möglichkeit, den/die Übeltäter abzuwählen? Können Sie angesichts der eben nur auszugsweise angeführten Scheußlichkeiten wirklich ruhigen Gewissens behaupten: „Einer der Gründe, warum ich eher auf demokratische Entwicklungen setze als auf Anarchsimus und den Blutzoll frustrierter anarchistsicher Fanatiker, die historisch nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel bildeten.“ - - - Also den von Ihnen dem so „schrecklichen“ Anarchismus zugeschrieben Blutzoll entdecke ich eigentlich vor allem und das in wahrhaft erschreckender Größenordnung bei sich demokratisch nennenden Staaten – insbesondere aber beileibe nicht nur bei den Vereinigten Staaten von Amerika! In diesem Zusammenhang wiederhole ich hier gerne einige von Babas Verteidigungsappellen gegen die vielen Verunglimpfungen des Anarchismus:

„Es waren Anarchisten, welche die Volksmassen bewegen konnten, ein verkrustetes, repressives französisches Nachkriegs-Regime ins Wanken zu bringen und die Präsident de Gaulle in die Flucht schlugen!
Verraten wurde die gesamte Bewegung von wem....?
...von den Gleichen, die Bakunins 1872 aus der I.Internationale (die er selbst mit gegründetet hatte) ausgeschlossen haben!!!!“

„... daß Du im Gegenzug Anarchisten genau das unterstellst, was auch un- und falschinformierte "Volksmassen" vom Anarchismus halten,
- nämlich Chaos, Gewalt, Mord und Totschlag!“

„Gewaltfreiheit" wurde von Anarchisten ebenso wenig als ubiquitäre Verhaltensmaxime gegenüber Feinden, Unterdrückern und Verfolgern verstanden, wie von Religionen (z.B. die christliche), welche ausserhalb und sogar innerhalb ihrer Gläubiger-Gemeinschaft morden, foltern und brandschatzen!!!!!“

„Gewaltfreiheit bedeutet(e) für Anarchisten (und Autonome) nicht Pazifismus gegenüber Peinigern,
- also nix mit verlogenen Sprüchen von linker und rechter Backe -,
sondern eine herrschaftslose Ordnung innerhalb welcher, auf freiwilliger und gewaltfreier Basis, die Menschen sich zu Gesellschaften organisieren und zu gegenseitiger Hilfe, Unterstützung und damit Entwicklung auf den verschiedenen Feldern menschlicher Fähigkeiten bereit sind!“


Lieber Udo, ich habe zuletzt nur Baba sprechen lassen, weil sie unstrittig ausgewiesene Kennerin des Anarchismus ist und es von mir als "Anarchie-Laien" eher anmaßend wäre, Ihrem, Udo, sicher ebenbürtigen wenn auch diametral ausgerichtetem Expertenwissen nur aus politikwissenschaftlichen Abhandlungen herausgelesene aber noch nicht verinnerlichte Zitate gegenüber zu stellen. Dieses anspruchslos-fleißige copy & paste überlasse ich doch lieber unserer urania, die wohl so der Symbolkraft ihres Namens Ausdruck verleihen möchte, was ihr vor allem bei der dortigen anspruchslosen Klientel sicher die erhofften Punkte bringt.

Schmunzeln muß ich über die an sich recht lustige und eingängige Schilderung Ihres „Lackmustest‘s“! Nur wird leider auch hier überdeutlich, daß Sie, lieber Udo, alle Schlechtigkeiten nahezu ausschließlich beim aus Ihrer Sicht „realen?“ Anarchismus entdecken wollen und über die von Ihnen leider nicht mal ansatzweise erwähnten demokratischen Horror-Schweinereien den Heils-Mantel des gläubig-verstehenden christlich-wohlgefälligen Schweigens decken.

Hmm, nix für ungut, aber die seit über 200 Jahren bis dato geschehenden tagtäglichen Schweinereien im Namen der Demokratie sind für mich absolut nicht hinnehmbar, wie andererseits für mich genauso wenig hinnehmbar wäre, würden sie im Namen der Anarchie tatsächlich passieren! Aber Fakt ist, die einen verbrecherischen Schweinereien fanden und finden tatsächlich statt während die anderen überwiegend nur von interessierten Kreisen böswillig an die Wand gemalt wurden und werden!

Schließen möchte ich mit Ihren Worten: „Was ich hier sage, sind keine Naturgesetze oder übernatürliche Postulate, sondern entstammen als persönliche Überzeugungen meiner eher autodidaktischen Kenntnis der Geschichte, vor allem der letzten drei Jahrtausende. Man kann auch zu anderen Überzeugungen kommen. Darüber muß man dann immer wieder ernsthaft reden.“ Da ich mit dem Begriff „Glauben“ nicht so viel anfangen kann bzw. hier unpassend finde, habe ich im Zitat entgegen dem Original dieses Wort gelöscht und nur „Überzeugungen“ stehen gelassen. Ebenso habe ich die „sorgfältige Analyse“ der Geschichte in „meiner eher autodidaktischen Kenntnis“ der Geschichte vorsorglich abgeändert, damit mir niemand angeberische Unredlichkeit vorwerfen kann. Schließlich kennt man ja seine Pappenheimer aus dem oh(weh)-Forum.

Mit freundlichen Grüßen
bjk

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[editiert: 10.03.04, 16:27 von bjk]
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New PostErstellt: 10.03.04, 16:16  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Hallo, Ihr Beiden!

Ich möchte mit diesem Beitrag dort weiter fahren, wo die Diskussion jetzt stehen geblieben ist, nachdem Bjk sich im Wesetnlichen, - und wie ich meine auch sehr anschaulich und kompetent - mit Udo´s Frage Nr. 1) und real installierten Demokratien auseinandersetzte.

Zitat Udo:
Und dieser Lackmustest sieht keinen Blutrabatt dafür vor, daß dem Revolutionär die Gewalt womöglich nur von der Gegenseite aufgezwungen wird und er selbst reinsten Herzens sein MG tuckern läßt

Die "Gegenseite",
...wer ist das für Dich?
...sind das "die im Licht und die andern sieht man nicht"?
hat nicht "womöglich nur" dem anarchistischen Revolutionär die Gewalt aufgezwungen, sondern ihn dazu herausgefordert, genötigt, erpresst,
...Ursache-Wirkung beachten!
Aber darauf ist Bjk schon eingegangen und ich habe mit dem Bibel-Zitat "von den beiden Backen " dagegen Stellung bezogen.

Zum "Gewehr Tuckern" ist mir Antonio Negri in den Sinn gekommen.
Bjk, möge es mir verzeihen, wenn ich es nun wie urania halte, und den letzten Artikel aus "Empire" beider Anarchisten und Kommunisten, Negri und Hardt , hier in voller Länge abschreibe.

Dieser Artikel artikuliert viel besser als ich es jemals auch nur annähernd ausdrücken könnte, wie Anarchisten und letztlich auch Kommunisten die Philosophie der Herrschaftsfreiheit unter Berücksichtigung der bestehenden, aktuellen politischen Kräfteverhältnisse weiterentwickelt haben und welchen Stellenwert heute "Gewalt" und "Militanz" einnehmen können/sollten!

MILITANT

Im zeitalter der Postmoderne, in dem sich die Gestalt des Volkes auflöst, ist der Militante wohl derjenige, der das Leben der Menge am besten zum Ausdruck bringt: der akteur biopolitischer Produktion und des Widerstands gegen das Empire.
Wenn wir vom Militanten sprechen, denken wir keineswegs an etwas wie den traurigen, asketischen Vertreter der Dritten Internationale, der tief durchdrungen war von sowjetischer Staatsräson, ähnlich wie bei den Rittern der Sozietas Jesu, die den Willen des Papstes in ihrem Inneren trugen.
Wir haben nichts dergleichen vor Augen und niemanden, der auf der Grundlage von Pflicht und Disziplin handelt, der behauptet, seine Handlungen leiteten sich aus einem idealen Plan her.
Im Gegenteil, wir beziehen uns hier eher auf die Kommunisten und die Befreiungskämpfer in den Revolutionen des 20.Jahrhunderts, auf die Intellektuellen, die im Zuge des Kampfes gegen den Fschismus verfolgt und außer Landes gejagt worden sind, auf die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg und auf die europäischen Widerstandsbewegungen, auf die Freiheitskämpfer in allen antikolonialistischen und antiimperialistischen Kriegen.
Ein Prototyp dieser revolutionären Gestalt ist der militante Agitator der "Industrial workers of the World" (IWW). Der Wobbly
[Um Mißverständnisse auszuschalten hier Einschub Baba: so wurde der IWW, also der Chicagoer Gewerkschaftsbund von 1905 genannt, - es handelt sich also nicht um irgend ein Comic oder einen Kaugummi]
richtete Vereinigungen von arbeitenden Menschen "von unten" her ein, durch beharrliche Agitation und indem er diese Vereinigungen organisierte, bahnte er utopischem Denken und revolutionärer Erkenntnis den Weg [Einschub Baba an Udo: widerspricht natürlich der christlichen Sittenmoral, oder?].
Der Militante war der wichtigste Akteur auf dem "langen Marsch" der Arbeiteremanzipation vom 19. ins 20. Jahrhundert, er war die kreative Singularität dieser gigantischen, kollektiven Bewegung, die der kampf der Arbeiterklasse darstellte.

In diesem langen Zeitraum bestand die Tätigkeit des Militanten in erster Linie darin, in der Fabrik und in der Gesellschaft praktischen Widerstand gegen die kapitalistische Ausbeutung zu leisten. Sie bestand zudem, und über den Widerstand hinaus, in der kollektiven Errichtung und Ausübung einer Gegenmacht, die in der lage sein sollte, die Macht des Kapitalismus zu destrukturieren und ihr ein alternatives REgierungsprogramm entgegensetzen.
Der Miltante organisierte den Kampf in Opposition zum Zynismus des Bürgertums, zur monetären Entfremdung, zur Enteignung des Lebens, zur Ausbeutung von Arbeit, zur Kolonisierung der Affekte usw.
Dieser Militante wurde in der tragischen Geschichte kommunistischer Kämpfer wiederholt zum Märtyrer.
Manchmal, aber nicht zu oft, reichten für die repressiven Aufgaben aus, die nötig waren, um die Gegenmacht zu zerstören. Wenn sie jedoch nicht genügten, durften die Fschisten und die weißen Garden des Staatsterrors (oder genauer: die schwarze Mafia im Dienste des "demokratischen Kapitalismus") gerne dabei helfen, die legalen Unterdrückungsstrukturen mit Nachdruck zu versehen. [Einschub Baba: Nach vier Jahren in Sondergefängnissen wurde er 1983 als gewählter Parlamentsabgeordneter aus der Haft entlassen. Einer drohenden neuerlichen Festnahme entzog er sich durch die Flucht nach Frankreich. Im Gefängnis und im Exil in Paris arbeitete er in zahlreichen Schriften seine Kritik der herrschenden Politik weiter aus. 1997 Rückkehr nach Italien und erneute Verhaftung. Negri lebt heute, auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, in Rom.]

Heute, nach so vielen Siegen des Kapitalismus, nach so vielen desillusionierten sozialistischen Hoffnungen und nachdem die kapitalistische Gewalt gegen Arbeiter unter dem Namen des Ultra-Liberalismus gefestigt zu sein scheint
- warum kommt es dennoch immer wieder zu Beispielen für Militanz, warum haben sich die widerstände vertieft und warum taucht der Kampf immer wieder mit neuer Kraft auf?
Wir sollten gleich vorweg darauf hinweisen, dass diese neue Militanz nicht einfach die organisationsformeln der alten revolutionären Arbeiterklasse wiederholt. Heute kann der Militante nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, repräsentativ zu handeln, nicht einmal für die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse der Ausgebeuteten.
Revolutionäre politische Militanz muss heute im Gegenteil das wiederentdecken, was schon seit jeher die ihr eigene Form war:
nicht repräsentative, sondern konstitutierende Tätigkeit
Militanz ist heute eine positive, konstruktive und innovtive Tätigkeit. In dieser Form erkennen wir und alle, die gegen die Herrschaft des Kapitals aufbegehren, sich als Militante.
Miltante leisten kreativen Widerstand gegen die imperiale Befehlsgewalt [Einschub Baba: Das war immer auch das Ziel des WAA-Widerstandes, des Widerstandes gegen die Atom-Mafia, gegen Nachrüstung und gegen die bundesdeutsche Aufrüstung und Machtpolitik]. Anders ausgedrückt: Widerstand ist unmittelbar mit einer konstitutiven Investition im biopolitischen Bereich und zur Formierung eines kooperativen Apparates in Produktion und Gemeinschaft verbunden.
Darin liegt die bedeutsamste Neuerung heutiger Militanz:
Sie greift die tugenden aufrührerischen Handelns aus zwei Jahrhunderten subversiver Erfahrung auf, ist aber gleichzeitig an eine neue Welt geknüpft, eine Welt, die kein Außen mehr kennt. Sie kennt nur noch ein Innen, eine lebendige und unvermeidliche Beteiligung an den gesellschaftlichen Strukturen, die sich nicht mehr transzendentieren lassen.
Dieses Innen ist eine produktive Kooperation der Massenintelligenz und affektiver Netzwerke, die Produktivität postmoderner Biopolitik.
Diese Militanz verwandelt Widerstand in Gegenmacht und Rebellion in ein Projekt der Liebe.......
[Einschub Baba: Der Artikel endet mit einem Beispiel zum vorher Ausgeführten und mit Bezug auf den christlichen Heiligen Franz von Assisi, - bei Interesse werde ich den Schluß gerne einstellen, auch wenn keine weiteren prinzipiellen Aussagen darin gemacht werden ]

In diesem Sinne:
Gestern war bei uns der Kaminkehrer, auch Schlotfeger genannt.
Ich hatte "small talk" mit ihm und erkundigte mich nach den neuesten Auswirkungen des Wegfalls des Meisterprinzip und über die noch bestehenden "Zunft-Relikte".
Er war da nicht sonderlich mitteilsam, - ist er eigentlich sonst auch nicht -, aber im Laufe der Jahre war mir klar, daß er ein konservatives Leitbild pflegt.
Dann, bevor er mir einen schönen Tag wünschte und den üblichen Gang in den Hof zu den Mülltonnen antrat, um den Ruß aus seiner Kanne dort zu deponieren, drehte er sich nochmals um sah mich fest an und stellte zwei spontane Fragen:
a) "Was kann man überhaupt noch dagegen tun, daß wir so abkassiert und ausgenommen werden?"
b) "Wo kann man gegen dieses Unrecht demonstrieren?"

Ich schluckte und er meinte "Sie kennen sich doch da besser aus"!
Da erzählte ich ihm, daß am 3.4.04 in Berlin, Köln und Stuttgart Großdemos gegen gegen Sozial-, Bildungs- und Lohnabbau stattfinden würden und daß dies eine wichtige Gelegenheit sei den Herrschaften in Mores zu lehren.

Er nickte und ich hoffe, er meldet sich nochmals zurück, wenn er das "verdaut" hat, um Termine und evtl. Mitfahrgelegenheit zu erkundigen!

Gruß
Baba Yaga


[editiert: 10.03.04, 16:26 von Baba Yaga]
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bjk

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New PostErstellt: 10.03.04, 16:44  Betreff:  Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Baba,

es sei Dir verzeihen, die "Militanz" heirher kopiert zu haben , bitte stell aber ruhig den Schluß auch noch ein! Franz von Assissi ist immer wert, zitiert oder sonstwie auf ihn Bezug genommen zu werden.

Ist der Schlotfeger "nur" Geselle oder der Meister persönlich?

Im übrigen war der Militanz-Artikel im Zusammenhang mit unserem Anarchie-Disput sehr sehr interessant und hat auch mich über bestimmte Zusammenhänge klarer werden lassen! Doch darüber später mehr

und bis dahin
herzliche solidarische Grüße
bjk

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Baba Yaga
New PostErstellt: 10.03.04, 23:14  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Ok, Bjk!

Ich stelle den letzten Teil des Schlußbeitrages "Militant"aus "Empire", Franz v. Assisi betreffend hier noch ein.

Fortsetzung:

Es gibt eine Legende, welche die Zukunft kommunistischer Militanzvielleicht verdeutlichen kann: nämlich diejenige des Hl.Franz v. Assisi.
Man denke an sein Wirken. Um gegen die Armut der Menge zu protestieren, übernahm er deren Lebensumstände und lebte wie die Menge in Armut; und darin entdeckte er die ontologische Macht einer neuen Gesellschaft. Das Gleiche tut der kommunistische Militante, er findet in der gemeinsamen Lebenssituation der Menge deren ungeheueren Reichtum.
In Opposition zum aufkommenden Kapitalismus verweigerte sich Franz von Assisi jeglicher instrumentellen Disziplin, und der Abtötung des Fleisches (in Armut und in der konstituierten Ordnung) setzte er ein glückliches Leben entgegen, das alles Sein und die gesamte Natur, die Tiere, Schwester Mond, Bruder Sonne, die Vögel auf dem Felde, die armen und ausgebeuteten Menschen zusammenschloß gegen den Willen der macht und die Korruption.
In der Postmoderne finden wir uns wieder in der gleichen Situation wie Franz von Assisi, und wir setzen dem Elend der Macht die Freude am Sein entgegen.
Diese Revolution wird keine Macht kontrollieren können - weil Biomacht und Kommunismus, Kooperation und Revolution der Liebe, Einfachheit und auch in Unschuld vereint bleiben.
Darin zeigt sich die Leichtigkeit und das Glück, Kommunist zu sein.


So viel heute zum Ausblick a la Neri/Hardt!

Gute Nacht
Baba Yaga

PS.:
Antwort auf Bjk´s Frage im vorhergehenden Beitrag:
Nein, der Schlotfeger gestern war nicht der Meister,
- der kommt schon Jahre nicht mehr selbst, um sein Geschäft selbst zu erledigen -
sondern sein langjähriger Geselle, im Schlepptau hatte er einen Lehrling (was mich zu den oben zitierten "small-talk"-Fragen inspirierte )
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Udo Teichmann

Beiträge: 7

New PostErstellt: 11.03.04, 05:32  Betreff: Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Liebe Mitdiskutanten,
hallo bjk,

vielen Dank für die sportlichen Einwände:

---Zitat---
1. Sind die Menschen zu Anarchismus fähig? (Teichmann)

Erstens, warum sollten sie das nicht sein? Es spricht aus meiner Sicht genauso viel dafür wie dagegen. Und zweitens muß zuvor doch wohl der Begriff „Anarchismus“ erst einmal zweifelsfrei geklärt und allgemein verbindlich definiert werden. Denn schon Baba und Udo haben grundlegende unterschiedliche Betrachtungsweisen in diesem Zusammenhang, nämlich Baba steht für Pro und Udo offensichtlich für Contra.

---tatiZ---

Sind die Menschen fähig, in einer Gesellschaftsform zu leben, in der jeder – ganz im Sinne des Goldenen Zeitalters des Ovid – aus eigenem Antrieb, ohne Gesetz, ohne Richter das Gute tut. Du fragst? „Ja, warum denn nicht?“ – Weil die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte des unvollkommenen Menschen ist, der neben seinen vielen Vorzügen eine Reihe ganz schwerer Schwachstellen hat, die ihn jedenfalls in den letzten 50 Tausen Jahren dazu unfähig gemacht haben, ohne Druck und Gewalt auszukommen.

Wo soll denn das fromme Schäfchen herkommen, wenn die Menschen seit Menschengedenken immer und immer wieder gegenseitig zum reißenden Wolf für einander geworden sind? Welche Psychotherapie oder welcher Nürnberger Trichter soll diese rauhen Seelen weichwaschen? Oder dürfen wir auf eine patentierte Genmanipulation hoffen?

---Zitat---
2. Führt Anarchismus (in der realen Welt) zwangsläufig zu „Propaganda durch die Tat“, zur amoralischen Gewaltfreiheit des Revolutionärs, zu Terror und Kriminalität, und damit zu flächendeckender Diskreditierung der ursprünglichen anarchistischen Utopie? (Teichmann)

Hmm, warum sollte Anarchismus „zwangsläufig“ in die bürgererschreckende Amoralität führen und warum soll die ursprüngliche anarchistische Idee, der auch Sie ja durchaus Positives abgewinnen, nur hehre Utopie sein, während die von Ihnen, lieber Udo, sagen wir mal, so eigenwillig unbeirrt hochgepriesene Demokratie immer der Seligkeit nahekommt, folgte man Ihrer Demokratie-Eloge?
---tatiZ---

Die Geschichte lehrt und BabaYaga betont, daß der Anarchismus wie keine andere politische Tendenz aus allen Richtungen angefeindet wurde und daß die herrschenden Strukturen sich den anarchistischen Bemühungen immer massiv entgegengestemmt haben.

Was tut man in solch einer Situation als überzeugter Anarchist? Packt man seine Theoriebücher achselzuckend in die Mottenkiste und denkt sich ein beliebteres politisches Model aus – oder geht man daran, den gewaltsamen Widerständen seinerseits gewaltsame Gegenwehr entgegenzustellen. Und schon stecken wir mitten in der Gewaltspirale. Natürlich gehören zur Gewaltspirale immer mindestens zwei und wo der Anarchismus auf einen brutalen Staatsterrorismus stößt, da dürften die anarchistischen Kämpfer sich auch großer Sympathien erfreuen – allein de Gewalt findet statt und trifft wie immer unterschiedslos konkete Individuen.

Nun bietet BabaYaga als Schlüssel zur Lösung der Gewaltkonsequenz beim Aufeinandertreffen von Herrschaft und Anarchsimus die Neuausrichtung der „Militanz“ an.

Und mit der honorigen Stimmen von Antonio Negri wird uns das zur Postmoderne gehörige Militanzkonzept vorgetragen, in einem Pathos der Undeutlichkeit, die sprachlich die Gewalt aus dem Militanzbegriff entsorgt, freilich ohne daß das tuckernde MG plötzlich Pfannkuchen in die Menge schleudert.

Das was anläßlich der Großdemos gegen Atomwirtschaft, Nachrüstung und Globalisierung an Kreativität und Leidenschaft entfaltet wurde, ist kein Geheimrezept von Signore Negri, sondern Ausdruck einer durch und durch demokratischen Bewegung. Und wenn dabei die Staatsmacht häufig im Übermaß reagierte und sich allerlei Schikanen hat einfallen lassen, so war dies alles gerichtlich überprüfbares Verhalten und von Gewicht und Ausmaß her noch meilenweit von jeder Form von Staatsterrorismus entfernt.
Und sofern sich bei diesen Anlässen auch Anarchisten der demokratischen Mittel zum Protest bedient haben, darf man sie als Demokraten willkommen heißen. Die wenigen Außenseiter, die im Rahmen dieser Aktionen zu Gewalt gegriffen haben, lassen sich bisher keiner etablierten politischen Theorie zuordnen.

So stehen wir wieder staunend vor der Fruchtbarkeit der Demokratie, die Institutionen und Formen dafür vorhält, wie mit Konflikten umgegangen werden soll. Das Schöne an der Demokratie ist, daß eben nicht alle Demokraten Engel sein müssen, daß eben nicht alle Institutionen perfekt funktionieren müssen – und trotzdem überlebt die Demokratie, weil sie klarsichtig und ohne Illusionen mit dem Menschen rechnet, wie er nun einmal ist.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann

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bjk

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New PostErstellt: 11.03.04, 09:18  Betreff:  Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?  drucken  weiterempfehlen

Lieber Udo Teichmann,

vielen Dank für Ihre sportlichen Bemühungen, auf meine Einwendungen in Sachen Blutzoll und andere Schweinereien im Namen der Demokratie möglichst gar nicht einzugehen. Ganz besonders humorvoll fand ich, wie Sie den Bogen vom ratternden MG über Negris Militanz und zu verschießenden Pfannkuchen hinbekommen haben, wenn ich auch nicht ganz den Zusammenhang von MG zu Anarchismus verstanden habe. Denn eigentlich verbinde ich Waffeneinsatz in der Regel mit der Staatsmacht und meines Wissens sieht der Anarchismus keinen Staat und schon gar keine Macht vor. Sicher werden Sie mir das noch nahebringen?

Da ich mich jetzt den Pflichten des schnöden Alltags widmen muß, kann ich Ihnen leider erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher antworten. Denn dieser reizvollen denksportlichen Aufgabe möchte ich mich keinesfalls entziehen, zumal Ihre sportlichen Pirouetten um Anarchie und Demokratie sicher nicht nur mir größtes Vergnügen bereiten.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr bjk

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